Russlands Zentralbank will den Rubelkurs niedrig halten. Foto: Lori/Legion Media
Russland füllt den Tresor seiner Zentralbank mit US-Dollars. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Reserven des Landes um ein Viertel auf 365 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Nicht zuletzt deswegen hatten die Währungshüter Interventionen auf den Währungsmärkten im Herbst ei- ne Absage erteilt. Kommt gut ein halbes Jahr später die Wende in der Geldpolitik?
Die Rede ist vorerst von einer vergleichsweise kleinen Summe mit einem Volumen von bis zu 100 bis 200 Millionen US-Dollar pro Tag. So erwarb die russische Zentralbank etwa am 13. Mai 181 Millionen US-Dollar, am Tag darauf waren es 200 Millionen Dollar.
Wie Alla Dworezkaja, Professorin an der Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst, bemerkt, befinde Russland sich im Vergleich mit internationalen Standards für Währungsreserven absolut im grünen Bereich. Es zähle zu jenen zehn Ländern, die über ein ausreichendes Polster verfügten, mithilfe dessen Importengpässe überbrückt und Auslandsschulden beglichen werden könnten. Als wesentlich gewichtigere Gründe für die Dollarkäufe nennt sie die Angst vor einer überzogenen Stärkung des Rubels.
„Berücksichtigt man, dass das tägliche Handelsvolumen in etwa fünf Milliarden US-Dollar entspricht, können Ankäufe in Höhe von 100 bis 200 Millionen Dollar unterm Strich keine allzu große Bewegung auf dem Devisenmarkt auslösen", glaubt Dmitrij Berdjenkow, Leiter der Analyseabteilung von IK Russ-Invest. Das Vorgehen der Währungshüter interpretiert er eher als Signal. Die Zentralbank gebe den Märkten zu verstehen, dass sie an einer Stärkung des Rubels nicht interessiert sei. Alla Dworezkaja erklärt die Motivation dahinter: „Gegenwärtig können wir eine gewisse außenpolitische Stabilität verzeichnen, die Preisentwicklung auf dem Ölmarkt ist mehr oder weniger stabil. Im Zusammenwirken mit den Interventionen hat das den Rubel dermaßen verteuert, dass der Import bereits wieder ansteigt. Das torpediert jedoch die angestrebte Importsubstitution und ein auf einheimischen Quellen basierendes Wirtschaftswachstum."
Gleichzeitig widerspräche eine Stärkung des Rubels den Interessen der Exporteure, vor allem im Rohstoffsektor, was sich wiederum nachteilig auf den Staatshaushalt auswirken würde. Denn der russische Staatsetat speise sich zu über 50 Prozent aus den Erdöl- Exporten. „Exportorientierte Unternehmen sind an einem schwachen Rubel interessiert. Das trifft noch im viel größeren Maße auf die Unternehmen zu, die keine Rohstoffe, sondern Produkte mit einem großen Wertschöpfungsanteil exportieren", sagt Ilja Balakirjew, Analyst von UFS IC. Darüber hinaus befänden sich die Preise auf den Weltmärkten, vor allem in der metallverarbeitenden Industrie, in einem langfristigen Tief, und einstarker Rubel bereite den Exporteuren metallurgischer Erzeugnisse Probleme, fügt der Experte hinzu.
Die neue Praxis der russischen Zentralbank konterkariert die ge fällte Entscheidung, zu einem freien Rubelkurs überzugehen. „Die wieder aufgenommenen Valutaankäufe auf dem Binnenmarkt erscheinen auf dem ersten Blick als ein Rückschritt", meint Alla Dworezkaja. Anfang 2014 seien die gezielten Ankäufe ausländischer Währungen eingestellt worden. Ende 2014 habe die Zentralbank sogar versucht, den Markt ganz zu verlassen, was den Rubelkurs, der aufgrund makroökonomischer und geopolitischer Faktoren ohnehin schon geschwächt gewesen sei, vollends zum Absturz gebracht habe, erklärt die Expertin.
Deshalb dürfte „die Spekulation auf einen sinkenden Kurs ein taktisches Manöver bleiben", ist die Professorin überzeugt. Strategisch müsse Russland sich an einer größeren Autorität seiner Währung, an deren Wettbewerbsfähigkeit und an der Kaufkraft orientieren. „Als die Zentralbank im zweiten Halbjahr 2014 versuchte, dem Verfall des Rubels entgegenzusteuern, hat sie mehrere Milliarden pro Tag in den Markt gepumpt, und selbst das hat nicht geholfen", bemerkt Ilja Balakirjew. „Gefragt sind Signale an den Markt, die die Währungsspekulanten beruhigen", sagt der Experte. Wenn diese systematisch und eindeutig seien, wirke sich das positiver auf den Markt aus als eigene Valutaankäufe.
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