Gazprom erprobt ein neues Geschäftsmodell

Gazprom kündigte zudem überraschend an, auch über das Jahr 2019 hinaus möglicherweise weiterhin Gas über die Ukraine nach Europa zu transportieren. Foto: Stanislav Krasilnikow / TASS

Gazprom kündigte zudem überraschend an, auch über das Jahr 2019 hinaus möglicherweise weiterhin Gas über die Ukraine nach Europa zu transportieren. Foto: Stanislav Krasilnikow / TASS

Russlands Energieriese Gazprom plant, drei Milliarden Kubikmeter Gas auf dem Spotmarkt zu verkaufen. Das wäre eine Abkehr vom bisherigen Take-or-Pay-Prinzip. Überraschend kündigte Gazprom-Chef Alexej Miller an, dass der Gastransport nach Europa möglicherweise auch nach 2019 weiter über die Ukraine laufen wird.

Der russische Energiekonzern Gazprom will im September drei Milliarden Kubikmeter Gas auf dem Spotmarkt anbieten, berichtet die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“. Sie beruft sich dabei auf Gazprom-Chef Alexej Miller.

Bislang praktiziert der russische Monopolist das Take-or-Pay-Modell. Demnach verpflichtet sich Gazprom zur Lieferung einer bestimmten Menge über einen bestimmten Zeitraum und der Abnehmer zur Bezahlung der gesamten vereinbarten Menge, unabhängig davon, ob tatsächlich weniger Gas abgenommen wird. Ansonsten drohen Vertragsstrafen. Diese langfristigen Verträge sind in der Regel an die Ölpreis-Entwicklung gebunden. Für den Abnehmer kann das ungünstig sein.

 

Keine echten Alternativen zu Take-or-Pay

Gazprom kündigte zudem überraschend an, auch über das Jahr 2019 hinaus möglicherweise weiterhin Gas über die Ukraine nach Europa zu transportieren. Als alternative Lieferroute plant der Energieversorger derzeit den Bau des „Turkish Stream“, einer Pipeline, die von Russland aus über einen Unterwasserabschnitt im Schwarzen Meer Gas in die Türkei und weiter nach Südeuropa bringen soll.

Iwan Kapitonow, Dozent am Lehrstuhl für staatliche Wirtschaftsregulierung an der Russischen Akademie für Wirtschaft und Verwaltung, betrachtet den geplanten Absatz von drei Milliarden Kubikmetern auf dem Spotmarkt für Erdgas als „Pilotprojekt“. Dieses Modell könnte nicht nur den Verkauf größerer Mengen ermöglichen, sondern dem Unternehmen auch  eine stärkere Verhandlungsposition beim Projekt „Turkish Stream“ verschaffen, das noch in der Planungsphase feststecke, so Kapitonow. Gazprom habe den Verhandlungspartnern nun zu verstehen gegeben, dass man sich weiter nach alternativen Lieferwegen nach Europa umschaue.  

Ilja Balakirew, Analyst bei UFS IC, meint, dass Gazprom grundsätzlich nicht auf Take-or-Pay-Verträge verzichten werde, obwohl der Konzern hin und wieder kleinere Gasvolumina auf dem Spotmarkt verkaufe. „Take-or-Pay ist ein notwendiges Modell, weil die Bereitstellung einer Pipeline für den Gastransport fixe Kosten verursacht. Sollten die tatsächlichen Liefermengen unter den vereinbarten Kapazitäten bleiben, drohen dem Unternehmen Verluste“, sagt Balakirew. Seiner Ansicht nach wird Gazprom auf Take-or-Pay nur bei Verwendung anderer Transporttechnologien verzichten können. Werde Gas beispielsweise mit Tankfahrzeugen angeliefert, greife dieses Prinzip nicht.

 

Gazprom übt Druck auf „Turkish Stream“-Partner aus

Gazprom-Chef Miller erklärte, Russlands Präsident Wladimir Putin habe kürzlich angewiesen, Verhandlungen über eine mögliche Laufzeitverlängerung für den Transit des für Europa bestimmten russischen Erdgases über ukrainisches Gebiet nach 2019 aufzunehmen. Ursprünglich hatte Gazprom geplant, den Gastransit durch die Ukraine 2019 einzustellen. In dem Jahr laufen die Transitabkommen mit der Ukraine aus. Zudem hatte Miller bereits im April 2014 erklärt, nach Inbetriebnahme des „Turkish Stream“ auf den Gastransit durch die Ukraine verzichten zu wollen.

Iwan Kapitonow vermutet hinter Putins Anweisung, Verhandlungen über eine  Laufzeitverlängerung des Transitabkommens mit der Ukraine aufzunehmen, gleich mehrere Gründe. Erstens könnte damit das Ziel verfolgt werden, Druck auf die Verhandlungsparteien im „Turkish Stream“-Projekt auszuüben. Zweitens sei auch eine Annäherung an die ukrainische Seite vorstellbar. „Die kategorische und alternativlose Absage an den Gastransit durch die Ukraine war nicht konstruktiv“, meint der Generalsdirektor der East European Gas Analysis, Michail Kortschemkin. Ilja Balakirew schätzt, die potenziellen „Turkish Stream“-Partner Russlands würden nachlassende Kompromissbereitschaft zeigen, sodass dies als ein Zeichen in ihre Richtung gewertet werden könne. Die erste Etappe des Turkish Stream, die für die Gasversorgung der Türkei bestimmt ist, würde Gazprom in jedem Fall fertigstellen, meint Balakirew.

Außerdem hat Gazprom im Juni dieses Jahres im Rahmen des Internationalen Wirtschaftsforums von Sankt Petersbug beschlossen, die Kapazitäten der Pipeline „Nord Stream“ zu verdoppeln. Dafür unterzeichnete der russische Energieriese mit dem anglo-niederländischen Unternehmen Shell, der deutschen E.on und der österreichischen OMV Absichtserklärungen über den Bau zweier weiterer Stränge mit einer Gesamtkapazität von 55 Milliarden Kubikmetern, die auf dem Grund der Ostsee bis in die Bundesrepublik Deutschland verlegt werden sollen.

SPIEF 2015: Gazprom und Rosneft schließen Milliarden-Verträge

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