Zähne, Babys, Brüste: Russland zieht mehr Medizintouristen an

Die Anzahl ausländischer Patienten ist 2016 um 24 Prozent gestiegen.

Die Anzahl ausländischer Patienten ist 2016 um 24 Prozent gestiegen.

Valery Sharifulin/TASS
Immer mehr ausländische Patienten lassen sich in Russland behandeln. Ausschlaggebend sind die vergleichsweise niedrigen Kosten. Der russische Verband für Medizintourismus hat untersucht, welche Dienstleistungen besonders häufig in Anspruch genommen werden.

Ob Zahnbehandlungen, künstliche Befruchtung oder Schönheitsoperationen – viele medizinische Dienstleistungen sind in Russland weit günstiger als im Ausland. Jedes Jahr zieht es deshalb Tausende Touristen nicht nur zu Russlands Sehenswürdigkeiten, sondern auch in russische Arztpraxen und Kliniken.

Nach Angaben des Verbands für Medizintourismus ist die Anzahl der ausländischen Patienten in russischen Kliniken im vergangenen Jahr um 24 Prozent gestiegen. Nach einem Ranking, das der Verband kürzlich vorgestellt hat, werden insbesondere Zahnbehandlungen in Anspruch genommen – 44 Prozent aller ausländischen Patienten kommen deshalb nach Russland.

Die Patienten stammen vor allem aus den ehemaligen Sowjetrepubliken wie Usbekistan, Kasachstan, Belarus oder die Ukraine. Aber auch EU-Bürger kämen zur medizinischen Behandlung nach Russland. Im Fernen Osten des Landes würden sich vor allem Patienten aus China behandeln lassen. So legten die Chinesen zwischen ihren Ausflügen häufig einen Stopp beim Zahnarzt ein, sagt Konstantin Onischtschenko, Vorsitzender des russischen Verbands für Medizintourismus, im Gespräch mit RBTH.

Patienten mit schweren Diagnosen schauten zunächst nach Israel und Europa, bevor sie feststellten, dass alles genauso gut für weniger Geld in Russland zu machen sei, stellt Onischtschenko fest. „Die Kosten für Herzoperationen in Russland sind zehnmal niedriger als in den USA“, führt er als Beispiel an.

Hohe Nachfrage nach künstlicher Befruchtung

Aber auch die künstliche Befruchtung ist im Vergleich zu Europa und den USA nur halb so teuer. Sie liegt im Ranking des Medizintourismus-Verbands auf Platz zwei. Experten führen die Nachfrage auf die flexible russische Gesetzgebung zurück. „In Italien zum Beispiel war die katholische Kirche stets gegen Eizellspenden und Leihmutterschaft. Vor etwa zwei Jahren wurde die Eizellspende legalisiert, aber das Ganze entwickelt sich sehr langsam“, erklärt Alexander Obydennow, Chefarzt der Karmenta-Klinik, im Gespräch mit RBTH.

„Im Vereinigten Königreich sind Eizellspenden verboten. In Israel gibt es strenge Altersgrenzen für eine künstliche Befruchtung. Deshalb entscheiden sich viele für Russland. Eine Eizellspende sowie das Verfahren der künstlichen Befruchtung kosten bei uns etwa 2 500 bis 5 500 Euro. Die Preise sind für russische als auch für ausländische Bürger gleich“, ergänzt Obydennow.

Die Kosten für eine Leihmutterschaft werden in Russland auf 16 000 bis 20 000 Euro geschätzt. In Spanien ebenfalls. In Thailand sei eine Leihmutterschaft 20 bis 30 Prozent günstiger, doch dafür gebe es Abzüge bei der Qualität der Behandlung, betonen die Experten. Günstige Eizellspenden in Europa kämen aus Bulgarien, Montenegro, Mazedonien und der Ukraine.

Trotz der Konkurrenz glauben die Ärzte, dass die Aussichten beim Verfahren der künstlichen Befruchtung für ausländische Patienten in Russland besser seien. „Nach Angaben der European Society of Human Reproduction and Embryology gehört Russland zu den sieben produktivsten Ländern im Bereich der assistierten Reproduktion“, sagt Jelena Kalinina, Leiterin der Klinik Art-Eko für reproduktive Gesundheit.

Schönheitschirurgie und Krebstherapien

Auf dem dritten Platz folgt die plastische Chirurgie. Aus den Nachbarländern sowie aus Israel, den USA und den baltischen Staaten kommen Patienten nach Russland, um ein Facelifting, Nasenkorrekturen oder eine Brustvergrößerung durchführen zu lassen.

Gefragt sind auch Behandlungen in den Bereichen Onkologie für Tumorerkrankungen, Phlebologie zur Bekämpfung von Gefäßerkrankungen und die Orthopädie. Krebspatienten beispielsweise reisen nach Russland, um sich von weltbekannten Spezialisten behandeln zu lassen. „Vor Kurzem kam ein Patient aus dem Iran, um an einer experimentellen Therapie teilzunehmen. Die Behandlung im Rahmen eines Forschungsprogramms ist für den Patienten kostenlos, weil die Erforschung von Krebstherapien in Russland staatlich gefördert wird“, sagt Konstantin Onischtschenko vom Medizintourismus-Verband.

Operationen zur Entfernung von Krampfadern an den Beinen seien in der Phlebologie besonders gefragt. Auch hier sind die niedrigen Kosten ausschlaggebend. Laut Anton Solomachin, Leiter des Zentrums für innovative Phlebologie, betragen diese in Russland etwa 1 000 Euro. In Europa oder den USA würden solche Operationen das Vier- bis Fünffache kosten.

Visum für Medizintouristen

Um den Medizintourismus in Russland weiter zu entwickeln, müsste Fachleuten zufolge eine Reihe von Problemen gelöst werden. Dazu gehört beispielsweise die Einführung eines medizinischen Visums. Der russische Verband für Medizintourismus diskutiert diese Möglichkeit seit dem vergangenen Oktober. Bisher reisen ausländische Patienten mit einem Touristenvisum zur Behandlung in Russland ein.

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