Putins Vision: „Weißer Schwan“ soll auch zu zivilen Zwecken fliegen

Wissen und Technik
IGOR ROSIN
Nach dem ersten Demonstrationsflug des runderneuerten strategischen Schwenkflügel-Überschall-Bombers Tupolew Tu-160 schlug der russische Präsident Wladimir Putin vor, diese Technologie zum Bau eines zivilen Überschallverkehrsflugzeugs zu nutzen.

Mitte Januar präsentierten die russischen Militärs Präsident Wladimir Putin den modernisierten strategischen Bomber Tu-160. Jedoch wurde nicht der erste Flug des wegen seiner Form und seiner Farbe auch als „weißer Schwan“ bezeichneten größten Kampfflugzeugs der Welt zum wichtigsten Ereignis des Tages, sondern der „Wunsch“ des Präsidenten, auf dessen Basis ein ziviles Überschallflugzeug zu bauen.  

Als Reaktion darauf sagte der Leiter der „Vereinigten Flugzeugwerke“, Jurij Sljusar, dass sein Unternehmen bereits ein Projekt zu einem Linienflugzeug besitze und man in dieses die Technologien des erneuerten strategischen Bombers integrieren könne.

Die Frage der Journalisten, „wie das zivile, ‚einst nukleare‘, Linienflugzeug aussehen wird“, blieb jedoch bisher unbeantwortet oder, wie die Militärs und Konstrukteure gerne sagen, ein Dienstgeheimnis.

Der „weiße Schwan“

Der Tu-160 ist der stärkste Überschallbomber-Raketenträger in der Geschichte der russischen Militärluftfahrt. Die jetzt vorgestellte Tu-160M2 ist eine runderneuerte Version des 1987 bei den sowjetischen Luftstreitkräften eingeführten Überschallbombers. Mit 54 Metern Länge und einem Leergewicht von 110 Tonnen ist es das größte Kampfflugzeug der Welt.

Wie der russische Präsident Wladimir Putin mitteilte, beschloss die Führung des Landes den Kauf von zehn Tu-160-Flugzeugen im Wert von 15 Milliarden Rubel, also jeweils etwa 215 Millionen Euro.

Militärexperten zufolge wird der Tu-160 nicht nur zur Abschreckung, sondern auch zur Lösung anderer Aufgaben des Verteidigungsministeriums eingesetzt.

“Der Begriff ‚Raketenträger‘ betont die Möglichkeit dieses Bombers, sowohl nukleare als auch nicht nukleare Marschflugkörper einsetzen zu können. Unter ihnen befinden sich die Langstreckenraketen der neuen Generation X-101 und X-555“, erzählte der Militärexperte der Nachrichtenagentur TASS, Wiktor Litowkin, Russia Beyond.  

Wie er weiter ausführte, wird das Flugzeug außerdem fähig sein, die Marschflugkörper X-55SM mit vorprogrammierten Koordinaten für die Zerstörung von Bodenzielen an Bord zu tragen.  

„Der Tu-160 kann mit jeder Art von nuklearen und konventionellen Bomben ausgestattet werden: Mit Panzer-, Beton-, Kassettenbomben, Seeminen und so weiter. Das Gesamtgewicht dieser Sprengköpfe kann bei bis zu 40 Tonnen liegen“, hob der Experte hervor.

Der Tu-160 biete Platz für bis zu 150 Passagieren, wenn man aus dem Innenraum des Flugzeugs alle Militäraggregate entfernt. „In jedem Fall muss man auf die ersten Testmodelle dazu warten. Das wird die Konstrukteure ein paar Jahre in Anspruch nehmen“, fasste Litowkin zusammen.

Der „Zivilbomber“

In den Sowjetjahren hatte die Flugzeugflotte des Landes bereits ein ähnliches Modell eines Überschallflugzeugs im Bestand. Es war der Tu-144.

Wie der Professor der Akademie der Militärwissenschaften, Wadim Kosjulin, Russland Beyond erzählte, galt der strategische Bomber, der für den zivilen Markt umgewandelt wurde, als unbrauchbar und ist auch jetzt nicht für den Personenverkehr geeignet.

„Der Tu-144 war in der Wartung sehr teuer: Es war notwendig, für ihn spezielle Start- und Landebahnen zu bauen, auch seine Bedienung und der Kraftstoffverbrauch gingen für den Staat ins Geld. Diese Kosten mussten dann durch den Flugticketpreis wieder ausgeglichen werden, das ein Monatsgehalt eines sowjetischen Durchschnittbürgers betrug“, erinnert sich der Experte.

„Wir brauchen von diesen Flugzeugen nicht mehr als zehn bis 15 Stück. Zudem sind sie nur für Geschäftsleute geeignet, die ihre Zeit wie kein anderer im Auge behalten und schnell von einem Ende der Welt zum anderen fliegen müssen. Arabische Scheichs, Staatsoberhäupter und große multinationale Unternehmen wie Gasprom und Tatneft sind in dieser Flugzeugkategorie“, fügte Kosjulin hinzu.

Darüber hinaus wird die Erstellung eines Flugzeugs auf der Grundlage des Tu-160 sieben bis acht Jahre dauern. „Es ist, als würde man einen Panzer in einen Traktor verwandeln“, verglich er.

In diesem Fall ist es möglich, die einzelnen Elemente der Maschine beim Erstellen eines neuen Linienflugzeugs zu verwenden, den Flugzeugrumpf oder den Motor zum Beispiel. Das Innere des Flugzeugs muss jedoch völlig neu gestaltet werden.

"Die Leute beim Militär sind asketische Menschen. Für Raketen und Bomben braucht man keine komfortablen Bedingungen. Dies ist eine andere Art von Arbeit, anderes Geld, ein anderes Design und so weiter. Die strategischen Bomber stellen natürlich den Höhepunkt des Flugzeugbaus und des technologischen Niveaus eines Staates dar, sind jedoch völlig unökonomisch und für den zivilen Markt nicht zu gebrauchen“, resümiert Kosjulin.

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