„[Parapsychologie] ermöglicht es, einen Gegner ohne Kontaktaufnahme zu besiegen", beginnt ein Artikel (rus) des pensionierten Oberst Nikolai Poroskow, der in der offiziellen Zeitschrift des russischen Verteidigungsministeriums, „Armejskij Sbornik“, veröffentlicht wurde. Poroskow behauptet, dass das Militär bereits seit den 1980er Jahren an der Technik des Metakontakts forsche. Diese Technik könne zu einem echten Game Changer im militärischen Nachrichtendienst werden. „Wer sich mit Metakontakt auskennt, kann nonverbale Verhörtechniken anwenden”, schreibt Poroskow und meint damit, dass es dadurch möglich sei, Gedanken zu lesen. „Der gefangene Soldat ist ein offenes Buch, er kann sich dem Verhör nicht entziehen oder etwas verheimlichen…”, schreibt Poroskow, der nur wenige Zeilen weiter aber auch betont, dass „Soldaten von Sondereinheiten, Diplomaten und hochrangige Industrielle und Bankiers” mit solchen Verhörtechniken vertraut und daher nicht so leicht zu durchschauen seien.
Erfahrung mit Delfinen
Es wird noch besser. Laut Poroskow könnten parapsychologische Fähigkeiten genutzt werden, um Fremdsprachen zu lernen, Schmerzen besser auszuhalten und feindliche Hinterhalte oder Lager zu finden. Es soll möglich sein, Computerprogramme zu hacken und tagelang ohne Nahrung oder Schlaf zu überleben. Als Parapsychologe haben Sie übermenschliche Kräfte wie ein Jedi oder Professor Xavier aus „X-Men“. Wie ist es den Sowjets gelungen, diese Technik zu entwickeln? Dabei habe Mutter Natur geholfen. Bei Versuchen mit Delphinen hätten russische Forscher telepathischen Kontakt zu Delfinen herstellen können. Nonverbal übermittelte Befehle wurden von den Tieren ausgeführt. „Solche Methoden lassen sich auch beim Menschen anwenden”, schreibt Poroskow. Ob es den Delfinen gelungen ist, ein Computerprogramm zu hacken oder Fremdsprachen zu lernen, diese Frage beantwortet er jedoch nicht.
Umstrittener Artikel
Es wäre durchaus nachvollziehbar, wenn jemand Poroskows Artikel für das Drehbuch eines SciFi-Films hielte. Es war für einige befremdlich, einen solchen Beitrag in der Zeitschrift des Verteidigungsministeriums zu lesen. Auf dem Gebiet der militärischen Parapsychologie wird aber tatsächlich geforscht. „In den 60er und 80er Jahren hat sich die sowjetische Akademie der Wissenschaften mit phänomenalen menschlichen Kräften beschäftigt und einen Durchbruch erzielt. Es gibt Bestrebungen, diese Forschungen weiterzuführen”, sagt Anatoly Matwijtschuk, von der Analyseabteilung der Zeitschrift „Soldaty Rossii” ["Soldaten Russlands"].
Viele Wissenschaftler stehen diesen Behauptungen jedoch skeptisch gegenüber. Jewgeni Alexandrow, Leiter der Kommission für Pseudowissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften, lehnt (rus) Parapsychologie ab: „Es gibt Arbeiten zur militärischen Parapsychologie, die unter Verschluss gehalten wurden. Aber in Russland, wie in vielen anderen Ländern, gelten solche Forschungen als nicht wissenschaftlich. Sie sind Müll." Alexandrow verweist die Parapsychologie ins Märchenreich und stellt klar, dass es keinerlei Beweise gebe, dass sie funktioniere. „Es [Die gesamte Forschung zur Parapsychologie] ist nur ein Weg, um staatliche Fördergelder abzugreifen. Russland hat dem Anfang der 2000er Jahre ein Ende gesetzt, als es die Militäreinheit №10003 entlassen hat, in der verschiedene anti-wissenschaftliche Projekte betreut wurden”, fügt er hinzu.
Auf der Suche nach Außerirdischen
Die von Alexandrow erwähnte Militäreinheit №10003 wurde Ende der 1980er Jahre vom Verteidigungsministerium eigerichtet. Sie wurde von der Regierung finanziell und politisch stark unterstützt. „Unser Ziel war es, die Programme der US-amerikanischen und anderer NATO-Länder zur psychologischen Kriegsführung zu analysieren, neue Methoden zur psychischen Beeinflussung des Feindes zu entwickeln und gleichzeitig unsere Führer davor zu schützen”, berichtet General Alexej Sawin, der ehemalige Leiter der Militäreinheit № 10003. Zu diesem Zweck untersuchten sie verschiedene psychologischer Techniken und paranormale menschliche Fähigkeiten auf der ganzen Welt. Sawin behauptet, dass Michail Gorbatschow 1991 sogar psychologisch speziell geschulte Soldaten beauftragt hätte, Kontakt zu Außerirdischen aufzunehmen. „Ein berühmtes Medium namens Mark Milchiker schrieb an Gorbatschow und behauptete, eines Tages würde ein Raumschiff in der Kysylkum-Wüste (zwischen Kasachstan und Usbekistan) landen, um uns zu kontaktieren", erinnert sich Sawin. „Wir sind mit unseren Jungs dorthin gefahren ... haben die ganze Nacht am Lagerfeuer gesessen und gewartet, aber es kam kein UFO.”
Angeblich hätten sie noch viel mehr Aufträge erfüllt, so zum Beispiel während des Tschetschenienkrieges (1994-1996) Terroristen aufgespürt, Minenfelder entdeckt und die Serben während des Jugoslawienkrieges unterstützt, indem NATO-Angriffe vorhergesagt wurden. „Wir dürfen jedoch noch immer nicht über alles sprechen”, so Sawin.
Skepsis
Echte Wissenschaftler kann das dennoch nicht überzeugen. Sie halten die Aktivitäten der Militäreinheit №10003 für eine riesige Verschwendung von Regierungsgeldern. 1999 forderte (rus) die Kommission für Pseudowissenschaften den Staat auf, die „Anwendung der grundlegenden Gesetze der Natur, die der traditionellen Wissenschaft nicht bekannt sind, einschließlich der Projekte, an denen die Militäreinheit №10003 arbeitet, zu untersuchen." Kurze Zeit später, 2003, wurde die Einheit aufgelöst.
Es gibt in Russland durchaus Menschen, die davon überzeugt sind, dass es in Russland geheime Labore gibt, in denen Soldaten mit übernatürlichen Fähigkeiten sitzen und das Land beschützen. Das zeigt der Artikel von Poroskow.
Die traditionelle Wissenschaft lehnt jedoch Außerirdische und Gedankenleser ab. Für sie ist das Scharlatanerie.