Walentina Tereschkowa: „Ich würde gerne zum Mars fliegen!“

Walentina Tereschkowa: „Jeder Weltraumflug ist ein Test.“ Foto: Olsessja Kurpjajewa/Rossijskaja Gaseta

Walentina Tereschkowa: „Jeder Weltraumflug ist ein Test.“ Foto: Olsessja Kurpjajewa/Rossijskaja Gaseta

Walentina Tereschkowa hat 1963 als erste Frau den Weltraum erobert. Die Vorbereitungen auf den Flug waren hart, Juri Gagarin höchstpersönlich überwachte die Ausbildung. Noch heute trifft sich Tereschkowa mit ihren früheren Weggefährten. Die Faszination fürs All hat sie nie losgelassen.

Die Kosmonautin Walentina Tereschkowa war die erste Frau, die das Weltall eroberte. Am 16. Juni 1963 flog sie mit dem Raumschiff „Wostok-6" zu den Sternen. Heute ist sie Abgeordnete in der Staatsduma, dem russischen Parlament. Die „Rossijskaja gaseta" traf die ehemalige Kosmonautin zum Interview an ihrem Arbeitsplatz.

 

„Rossijskaja gaseta": Gehen Sie gerne an Ihre Grenzen?

Walentina Tereschkowa: So habe ich das nie gesehen. Jeder verfolgt seine Ziele, stößt dabei auf Schwierigkeiten und versucht, sie zu überwinden. Zu jener Zeit wollten viele ins Weltall fliegen, vor allem nach Gagarin, der der erste Mensch im Weltall war. Damals waren jedoch vor allem Flugsportler von dieser Idee begeistert. (...) Ende 1961 wurde ich eingeladen, mich einer Kommission vorzustellen. Dabei wurden von insgesamt 1 000 jungen Frauen nur fünf ausgewählt. (...) Wir erhielten das Angebot, neue Technologien auszuprobieren. Dabei wurde alles getestet – sowohl die physische Kondition als auch die psychische Verfassung.

Die Vorbereitungen begannen schon Anfang des Jahres 1962. Unser Teamleiter Juri Gagarin war sehr charmant, aber auch sehr anspruchsvoll. Bei unseren Trainings wurden wir mehr in psychischer Hinsicht als in physischer ausgebildet. Wir waren damals alle Fallschirmspringerinnen – wir sprangen sowohl bei Tag als auch bei Nacht, auf Land und ins Meer. (...) Doch jedes Mal, wenn wir trainierten, war alles neu für uns, sogar das Gefühl der Schwerelosigkeit. Damals gab es keine speziellen Simulatoren wie Hydrolabore. So wurde uns bei Parabelflügen, bei denen für kurze Zeit im Flugzeug Schwerelosigkeit entsteht, dieses Gefühl der Schwerelosigkeit nähergebracht, damit wir uns daran gewöhnen konnten. Ein anderes Training bestand darin, dass wir uns auf Rotationsstühle setzen und uns dabei nach vorne beugen mussten. Außerdem mussten wir in leichten Overalls in einer Thermokammer bei plus 70 Grad Celsius ausharren. Und dann mussten wir noch zehn Tage lang in einer Isolierkammer verbringen, die völlig schalldicht war.

Was half Ihnen dabei, die Einsamkeit in der Isolierkammer durchzustehen?

Ich leide glücklicherweise nicht an Klaustrophobie. Zudem wurden in der Isolierkammer die psychische Belastbarkeit getestet, der Herzrhythmus überwacht und eine Reihe anderer Tests durchgeführt, wie beispielsweise Sehtests. Auf den Weltraumflug durften wir dann ein Buch mitnehmen, ich las zu dieser Zeit sehr gerne Gedichte.

Man glaubt immer, dass die Astronauten im Weltraum sich selbst überlassen seien und daher stark an Einsamkeit litten. Doch in Wirklichkeit muss man dort oben eine ganze Liste an Aufgaben abarbeiten: Zunächst muss man täglich Sport machen, stündlich den Blutdruck überprüfen und Blutproben entnehmen. Man muss sich zudem bis ins Detail mit dem Raumschiff vertraut machen und die Bedienung der Apparatur und Geräte, die sich an Bord des Shuttles befinden, erlernen.

Jeder Weltraumflug ist eine Herausforderung und ein Test, doch er bringt der Raumfahrt jedes Mal neue Erkenntnisse. (...) Frauen in der Raumfahrt haben eine aussichtsreiche Zukunft vor sich. Derzeit werden nämlich auch im Juri-Gagarin-Kosmonauten-Trainingszentrum Frauen für die Weltraummissionen ausgebildet.

Walentina Tereschkowa hat 1963 als erste Frau den Weltraum erobert. Foto: RIA Novosti

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz etwas zu den aktuellen Diskussionen über die Sanktionen sagen. US-amerikanische Astronauten trainieren gemeinsam mit russischen Weltraumfahrern und fliegen in russischen Spaceshuttles mit. Für sie wäre es also nicht von Vorteil, wenn die USA gegen Russland Sanktionen verhängen. Wir arbeiten mit ihnen zusammen: Die Astronauten kommen zu uns ins Trainingszentrum und lernen, wie man mit russischen Spaceshuttles fliegt, und russische Kosmonauten fahren nach Houston, wo sich das Zentrum der Nasa befindet. Doch jetzt auf einmal heißt es, wir würden gegen die Bedingungen der Zusammenarbeit verstoßen. Wir haben die Amerikaner gewarnt: Wenn sie Sanktionen verhängen, werden wir das auch tun. (...)

Würden Sie gerne noch einmal ins Weltall fliegen?

Ja, natürlich! Leider erlaubt es mir mein Alter nicht mehr. Ich würde sonst gerne zum Mars fliegen. Mit diesem Planeten habe ich mich sehr beschäftigt. Ich habe praktisch alles gelesen und gelernt, was über ihn geschrieben wurde.

Im Juni 1963 haben Sie unter dem Funkrufnamen „Tschaika" (zu Deutsch „Möwe") 48 Mal die Erde umkreist. Während des Starts haben Sie damals folgende Worte gesagt, die in die Geschichte eingingen: „Hey, Himmel, nimm den Hut ab, ich bin auf dem Weg!" Feiern Sie diesen Tag?

Wir haben bis heute die Tradition aufrechterhalten, die Juri Gagarin zu seiner Zeit eingeführt hat. Dann treffen wir uns alle, erinnern uns an alte Zeiten, sprechen über Berufliches sowie über Neues und Interessantes. Wir tauschen auch unsere kleinen, irdischen Neuigkeiten aus. (...) Einige meiner

Freundinnen sind Amerikanerinnen, eine ist Französin und eine kommt aus Großbritannien. Unser Beruf verbindet uns und (dieses Treffen) zeigt uns, dass es uns wirklich gibt. Die Politik spielt dabei keine Rolle, hier kommt es allein auf die Fähigkeiten des Raumfahrers an.

Sie waren im Weltraum. Glauben Sie, dass es dort noch weitere Lebensformen gibt?

Bisher blieben alle Versuche von Wissenschaftlern, intelligente Lebensformen im Weltraum zu finden, ohne Erfolg. Doch das Weltall ist riesig. Daher kann man nicht ausschließen, dass es irgendwo Planeten gibt, auf denen Leben existiert. Lebende Organismen, wenn es sie überhaupt gibt, werden aber sehr weit von uns entfernt sein. Denn wir haben bis heute keine Antwort auf unsere Nachrichten erhalten, die wir ständig in den Weltraum schicken. Wir senden nämlich Daten über die Erde und auch über die Menschheit ins Weltall. Doch eine Rückmeldung darauf haben wir bis heute nicht bekommen, obwohl wir das Universum schon seit einigen Jahrzehnten sondieren.

Die nächste Russin ist startbereit für eine Reise ins Weltall: Am 26. September 2014 wird Elena Serowa auf ihre Mission gehen. Sie wird einige Monate auf der Internationalen Raumstation ISS verbringen und dort Forschungsarbeit leisten. Serowa ist die erste Frau, die nach zwanzig Jahren, in denen es ausschließlich männliche Kosmonauten gab, in den Weltraum aufbricht.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Rossijskaja Gaseta.

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