„Innovationen 2.0“: Russland strebt IT-Unabhängigkeit an

Russland stellt ein Konzept zur technologischen Unabhängigkeit vor. Foto: Pressebild

Russland stellt ein Konzept zur technologischen Unabhängigkeit vor. Foto: Pressebild

Russland setzt in den nächsten Jahren einen Fokus auf die Entwicklung eigener Technologien, um so unabhängig von westlicher IT zu werden. Ohne ausländische Hilfe geht es dabei noch nicht – mit europäischen Partnern soll auch weiterhin geforscht werden.

Russland erklimmt eine neue technische Entwicklungsetappe, die auf den Importersatz und die Entwicklung eigener Technologien in den meisten Bereichen abzielt. Der Fokus soll dabei unter anderem auf die Förderung von Start-ups gesetzt werden. Das neue Konzept nennt sich „Innovationen 2.0" und wurde bei dem Forum „Offene Innovationen", das von Dienstag bis Donnerstag in Moskau stattfand, vorgestellt. China soll bei der Entwicklung von Technologien und neuen Lösungen die Rolle des Hauptpartners übernehmen, doch mit der Europäischen Union soll weiterhin gemeinsam Forschung betrieben werden. Mit dem Konzept strebt Russland eine volle nationale Unabhängigkeit im IT-Bereich an.

 

Das neue Konzept setzt auf Start-ups

Laut dem russischen Minister für Verbindung zur „Offenen Regierung" Michail Abysow geht die erste Etappe der technologischen Entwicklung Russlands gerade erfolgreich zu Ende. Das Land müsse nun ein neues Niveau erreichen. Für die nächste Etappe sehe das Konzept „Innovationen 2.0" nun die Schaffung eines Importersatzes durch die Entwicklung eigener Technologien vor. Dafür müssten Start-ups aktiv in das Geschäft von großen Unternehmen einbezogen werden, wie dies bei Apple, Microsoft und anderen der Fall gewesen sei, erklärte der Minister.

In den vergangenen drei Jahren sicherte sich Russland im Ranking von Dow Jones VentureSource einen Platz unter den Top-5-Ländern in Bezug auf Venture-Capital-Investitionen. Wie der Generaldirektor des Russischen Venture-Unternehmens Igor Agamirsajan anmerkte, habe man für diesen Durchbruch nur einige Jahre gebraucht. Allerdings werde die Arbeit von den größten russischen Staatsunternehmen, besonders im Energiesektor, zu streng kontrolliert, sodass die Einbeziehung von Entwicklungen von Start-ups in ihre Arbeit unmöglich sei, kritisierte Agamirsajan.

Nichtsdestoweniger werde die Isolierung Russlands vom Technologieimport die Entwicklung eigener Technologien im Land fördern, ist Abysow überzeugt. Die Öl- und Gasunternehmen greifen seinen Angaben nach bereits jetzt verstärkt zu russischen Entwicklungen. Der Staat will außerdem mit der Schaffung von Anreizen dafür sorgen, dass Privatunternehmen verstärkt Start-ups zur Entwicklung neuer, innovativer Produkte und Lösungen beauftragen. Staatliche Unternehmen würden dazu verpflichtet, kündigte der Minister an.

 

IT und Mikroelektronik: Ist der Importersatz möglich?

Wie Nikolaj Nikiforow, der russische Minister für Fernmeldeangelegenheiten und Massenkommunikation, mitteilte, erschließen momentan die chinesischen Unternehmen aktiv den russischen Markt. Die Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen soll in verschiedenen Bereichen ausgebaut werden, unter anderem bei der Entwicklung und Herstellung von Supercomputern.

Im Jahr 2015 werden in Ufa der SOZ-Gipfel sowie das Treffen der Staatsoberhäupter der BRICS-Länder stattfinden. „Für die russische IT-Industrie bedeutet dies eine Chance, einen eigenen Plan im Kontext des globalen Marktes zu erarbeiten und sich in Richtung einer multipolaren Welt zu bewegen", sagte Nikiforow.

Die Teilnehmer des Forums diskutierten unter anderem Möglichkeiten, auf US-amerikanische Software zu verzichten und stattdessen eigene Entwicklungen in Computersysteme zu integrieren. „Die nationale Unabhängigkeit ist ohne Basiskomponenten der IT-Industrie wie Datenbankverwaltungssysteme und Software nicht möglich", erklärte der Generaldirektor des russischen Softwareentwicklers Relex Igor Bojtschenko. „Die vom Ausland geschaffenen Grundlagen werden uns zum Verhängnis", fügte er hinzu. Seiner Ansicht nach braucht Russland eigene Technologien, weil die Entwicklung russischer Pendants von amerikanischen Produkten eher „quälend" verlaufe. Laut Natalija Kasperskaja, der Leiterin des Unternehmens InfoWatch, erklärten russische Entwickler sich bereit, eigene Technologien zu entwickeln und so den Importersatz voranzutreiben Bei vielem müsse aber von null begonnen werden, was sich auf Auftraggeber, die bis zuletzt die Produkte aus den USA bevorzugten, nachteilig auswirken werde, merkte Kasperskaja weiter an.

Insbesondere private Raumfahrtunternehmen werden die Schwierigkeiten, die es im Bereich der Mikroelektronik gibt, zu spüren bekommen. So arbeitete der Satellitenhersteller Dauria Aerospace bis zuletzt mit ausländischen Komponenten. Die russischen Komponenten sind auf Geräte mit einem Gewicht von mindestens 100 Kilogramm ausgelegt – das macht einen Einsatz in kleineren Geräten unmöglich. Allerdings würden seit Kurzem bereits einige Komponenten in Russland hergestellt, sagte Nikolaj Wedenkin, Direktor für Projektmanagement bei Dauria Aerospace.

 

Russland und EU betreiben weiterhin gemeinsam Forschung

Trotz der Sanktionen können Russland und die EU-Länder auf dem Gebiet der Forschung weiter zusammenarbeiten, was ein gutes Fundament für die Zukunft bildet. Diese Meinung vertritt auch der Leiter der Wirtschafts- und Wissenschaftsabteilung der deutschen Botschaft in Russland Wolfgang Dik.

Seinen Angaben nach laufen momentan 100 russisch-deutsche Programme an Universitäten und Hochschulen beider Länder. Diese „sanktionsfreie" Zone und die Partnerschaft in diesem Bereich sollten weiter ausgebaut werden.

Sergej Tschernyschew, der Exekutivdirektor des Zentralen Aerohydrodynamischen Schukowskij-Instituts (ZAGI), das sich mit der Entwicklung neuer Technologien im Bereich der Luftfahrt beschäftigt, bestätigte, dass Russland und die EU weiterhin Informationen austauschen werden. Forschungsinstitute würden auch weiterhin zusammenarbeiten und Daten austauschen, noch bevor Technologien kommerzialisiert werden und auf den Markt kommen.

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