Private Investoren erobern das Weltall

Nach Angaben von Roskosmos hat der Markt für kosmische Dienstleistungen ein Potenzial von etwa 201 bis 241 Milliarden Euro. Foto: NASA.org

Nach Angaben von Roskosmos hat der Markt für kosmische Dienstleistungen ein Potenzial von etwa 201 bis 241 Milliarden Euro. Foto: NASA.org

Privatunternehmen drängen ins Weltall. Die russische Regierung unterstützt das, denn sie erhofft sich durch die kommerzielle Nutzung von Weltraumtechnologien Mehreinnahmen. Damit soll dann die Eroberung des Alls vorangetrieben werden.

Michail Kokoritsch, Chef des privaten russischen Raumfahrtunternehmens Dauria Aerospace, das sich auf die Herstellung von Satelliten spezialisiert hat, verkündete Ende November ehrgeizige Pläne: Er will mit einer Trägerrakete zukünftig auch Nanosatelliten kommerzieller Betreiber zur Internationalen Raumstation ISS bringen. Die Satelliten sollen von dort aus auf ihre Umlaufbahn gesetzt werden. Kokoritsch geht davon aus, dass dadurch zusätzliche Einnahmen für die russische Raumfahrtindustrie erzielt werden könnten. Das Projekt soll 2019 starten, jedoch nur, wenn Russland bis dahin über die Zukunft der russischen Anteile der ISS entschieden hat. Bisher will die russische Regierung bis zum Jahr 2020 aus der ISS aussteigen.  

Die russische Raumfahrt wird wohl weiterhin überwiegend ein Privileg des Staates sein, doch es gibt auch kommerzielle Anbieter, die auf den Markt drängen. Sie bieten Dienstleistungen auf der Basis von Weltraumtechnologien an. Neben Kokoritschs Unternehmen Dauria Aerospace handelt es sich dabei zum Beispiel um Scanex, eine Firma, die mit Satellitenfotografie von Landkarten für Yandex oder die russische Katasterbehörde Rosreestr ihr Geld verdient. Der russische Staat trägt

dieser Entwicklung Rechnung und plant, Umlaufbahnen Privatunternehmen zugänglich zu machen, teilte Denis Lyskow, stellvertretender Leiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos mit. Er glaubt jedoch nicht, dass die Erforschung des Weltalls in absehbarer Zeit vollständig privatisiert werden könnte. „Wir stecken heutzutage enorme Mittel in die Entwicklung kosmischer Technologien. Die Beteiligung von Privatunternehmen kann eine Unterstützung sein, wenn es um die kommerzielle Nutzung geht. Die föderalen Behörden müssen sich aber weiter der Erforschung des Mondes oder der Asteroiden widmen oder eine Marsmission starten“, so Lyskow.

In den nächsten Wochen wird Roskosmos der Regierung den Entwurf eines Föderalen Raumfahrtprogrammes von 2016 bis 2025 vorlegen. Privatunternehmen könnten daraus erkennen, in welche Richtung sich die russische Raumfahrt entwickeln wird, und passende Produkte entwickeln. „Für uns ist jede Art von Ambitionen, Ideen und Projekte von kommerziellen Anbietern interessant“, betont Lyskow.  „Wir sind bereit, Privatunternehmen  zu unterstützen, damit sie in  Zukunft im Kosmos mit dem Staat konkurrieren können“, führt er weiter aus. Besonders aussichtsreich könnten für die Privatunternehmen Entwicklungen in den Bereichen Satellitennavigation, Nachrichten- und Telekommunikationstechnik, Robotik und  Aufnahmetechnik sein. Auf dem Roboter-Forum, das vom 21. bis 23. November in Sotschi stattfand, gab Lyskow bekannt, dass in absehbarer Zeit ferngesteuerte humanoide Roboter einen Teil der Arbeiten auf der ISS übernehmen könnten, ganz so wie in dem Film „Avatar“. Die ersten Schritte seien bereits gemacht: Der Roboter SAR-401, eine Entwicklung der Wissenschafts- und Produktionsgesellschaft Android-Technik aus dem Jahre 2013 ist in der Lage, menschliche Bewegungen nachzuahmen, und könnte so per Fernsteuerung eine erhebliche Anzahl von Arbeiten auf der ISS verrichten.  

 

Ein milliardenschweres Geschäft

Nach Angaben von Roskosmos hat der Markt für kosmische Dienstleistungen ein Potenzial von etwa 201 bis 241 Milliarden Euro. „Wir sprechen bei dieser Summe nur von Dienstleistungen, nicht vom Bau

kosmischer Gerätschaften oder Raketen“, so Lyskow. Die Kundschaft wird wohl weiterhin vornehmlich aus öffentlichen Auftraggebern bestehen. Private Unternehmen, die Interesse an solchen Angeboten haben könnten, seien in Russland rar gesät. Wassili Below, Senior-Vizepräsident für Innovation der Stiftung Skolkovo, hält es aber auch für möglich, dass ausländische Unternehmen solche kosmischen Dienstleistungen russischer Anbieter nachfragen könnten. „Großprojekte von Unternehmen wie Google  stimulieren die Marktentwicklung“, meint Below. Mittlerweile hat Skolkovo rund 100 Unternehmen in der Datenbank, die entsprechende Dienstleistungen anbieten.

Google ist einer der großen Investoren in private Entwicklungen von Weltraumtechnologien.  Der Suchmaschinenanbieter hat 20 Millionen US-Dollar (etwa 16 Millionen Euro) für das private Unternehmen in Aussicht gestellt, das bis 2015 in der Lage sein will, einen Roboter auf den Mond zu schicken. 2011 machte Google Schlagzeilen mit dem Plan eines Weltraumlifts, mit dem Menschen einfacher ins Weltall befördert werden sollen. Im November mietete eine Tochterfirma von Google den Nasa-Flugplatz Moffet Airfield nur wenige Kilometer vom Google-Hauptquartier entfernt. Auch dort soll unter anderem Forschung für die Luft- und Raumfahrt betrieben werden. Der Internet-Riese lässt sich das einiges kosten. In den kommenden 60 Jahren wird Google 1,6 Milliarden US-Dollar (1,28 Milliarden Euro) Miete an die Nasa zahlen.

Wassili Below sieht interessante Einsatzmöglichkeiten für kosmische Technologien in der Agrarwirtschaft. Die Plattform „Exact Farming“ basiert beispielsweise auf Weltraumaufnahmen, die eine Analyse von Erdschichten in bis zu mehreren Metern Tiefe möglich macht. Das erlaube einen punktgenauen Einsatz von Düngungsmitteln, die in der Landwirtschaft einen großen Kostenfaktor darstellen. Nach Angaben von Below könnten so 40

Prozent der Düngermenge eingespart werden. Auch mithilfe des russischen Navigationssystems Glonass könnten weitere Dienstleistungen angeboten werden, ist Below überzeugt. „Glonass wurde vom russischen Staat aufgebaut, es gibt bereits Satelliten, Plattformen, Daten. Es könnte als Basis für die Entwicklung kommerzieller Anwendungen genutzt werden“, erklärt er. Glonass sei für die Entwicklung neuer Weltraumdienstleistungen von ebenso großer Bedeutung wie der AppStore für die App-Entwicklung, so Below. Below denkt bei den Anwendungsmöglichkeiten unter anderem an Voraussagen über Preisentwicklungen oder die Kontrolle der Erzlieferungen in Häfen. „Es wäre zu begrüßen, wenn viele Erfinder sich auf den Weg machen, neue Anwendungen zu entwickeln“, meint Below.

 

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