Wissenschaft: Russische Forscher drucken Organe

Russische Forscher drucken eine künstliche Schilddrüse im 3D-Drucker. Foto: Bioprinting Solutions

Russische Forscher drucken eine künstliche Schilddrüse im 3D-Drucker. Foto: Bioprinting Solutions

Ein neues Organ aus dem 3D-Drucker? Was wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film klingt, könnte bald Alltag werden. Russische Forscher haben eine Schilddrüse gedruckt. Diese wird zurzeit an Mäusen erprobt. In einigen Jahren sollen dann auch andere Organe maschinell hergestellt werden können.

Im März dieses Jahres ist es dem russischen Forschungslabor 3D-Bioprinting Solutions gelungen, eine Schilddrüse mit einem 3D-Drucker herzustellen. Nun soll sie erprobt werden. Dazu wird sie zunächst Mäusen eingepflanzt. Ziel der Forscher ist es, in Zukunft Schilddrüsen für den Menschen drucken zu können.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden heute weltweit 665 Millionen Menschen an Erkrankungen der Schilddrüse. In Russland sind etwa 140 000 Menschen betroffen. Pro Jahr muss dort etwa 10 000 Menschen die Schilddrüse operativ entfernt werden. Insbesondere bei Schilddrüsenkrebs führt daran kein Weg vorbei. Anschließend sind die Betroffenen auf die lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormonen in medikamentöser Form angewiesen. Dagegen könnte die Transplantation des Organs helfen. Doch damit das fremde Organ nicht vom Körper abgestoßen wird, müssen sogenannte Immunsuppressiva eingenommen werden, also Medikamente, die das körpereigene Abwehrsystem unterdrücken. Gerade bei Krebserkrankungen können diese jedoch die Entstehung von Tumoren begünstigen, sagt Andrej Poljakow, Leiter der mikrochirurgischen Abteilung am Moskauer Peter-Gerzen-Institut für Krebsforschung. Die Abstoßungsgefahr bei der Schilddrüse oder anderen Organen und Gewebe aus dem 3D-Drucker sei hingegen gering, heißt es bei 3D-Bioprinting Solutions.

Russische Wissenschaftler bezeichnen die Schilddrüse aus dem 3D-Drucker nicht als Organ, sondern als Organkonstrukt. Das hängt mit der allgemeingültigen Klassifizierung von Organen zusammen, der sogenannten „Hierarchie von allem Lebenden". Die umfasst nur Moleküle, Gewebe, Organe, Organsysteme und den Organismus. Die Entwicklung des Wissenschaftlerteams von 3D-Bioprinting Solutions passt nicht in dieses Klassifizierungssystem. „Ein Gewebe ist eine Gruppe gleichartiger Zellen. Eine Gewebegruppe ist ein Organ. Die Konstruktion, die wir erzeugt haben, kommt einem Organ sehr nahe, denn sie besteht aus einigen Arten von Gewebe, hat Gefäße und weist eine Funktion im Organismus auf", erklärt der Chef des Laboratoriums Wladimir Mironow.

 

3D-Drucktechnologie für den medizinischen Einsatz optimiert

Die Schilddrüse eignete sich besonders gut als Forschungsobjekt für den 3D-Druck, weil sie ein Organ mit relativ einfachem Aufbau ist. Zudem war sie das erste Organ, das bei einem Menschen transplantiert wurde. Mironow geht davon aus, dass in den nächsten drei Jahren auch Blutgefäße, Haut- und Fettgewebe, Haare, Knorpel und Knochen gedruckt werden können.

Für die Schilddrüsenreproduktion passten die Wissenschaftler die übliche 3D-Drucktechnologie, die auch in der Herstellung von Plastik, Keramik und Metallen zum Einsatz kommt, an biologisches Material, nämlich an Zellen, an. Bei dem Prozess selbst handelt es sich um eine schichtweise Herstellung. Der von den Wissenschaftlern entworfene Drucker besteht aus drei Hauptkomponenten: einem mechanischen Positioniergerät, einem Verteiler und einem Kontrollblock. Der Druckprozess läuft wie folgt ab: Zunächst wird gelförmiges Fibrineiweiß in einer dünnen Schicht zerstreut. Darin wird Miniaturgewebe in einem Rotationsellipsoid eingesetzt, das anschließend zu einer dreidimensionalen Struktur verschmilzt.

Ende April wurde die Schilddrüse aus dem 3D-Drucker erstmals Mäusen eingepflanzt. Das Verfahren ist ähnlich einer Organtransplantation beim Menschen. Die Schilddrüse der Nager wurde zuvor durch den Einsatz von radioaktivem Iod ausgeschaltet. Dadurch veränderten sich die Schilddrüsenhormone. Nun wollen die Forscher beobachten, wie sich der Hormonspiegel nach der Transplantation verändert.

 

Wird Russland zum Vorreiter?

Gedruckte Organstrukturen fänden in pharmakologischen Unternehmen bereits rege Verwendung bei der Erforschung der toxikologischen Wirkung

medizinischer Präparate, erklärt der geschäftsführende Direktor von 3D-Bioprinting Solutions, Jusef Chesuani, gegenüber RBTH. Das kalifornische Unternehmen Organovo hat zum Beispiel in Kooperation mit dem weltweit agierenden Pharmaunternehmen Roche ein Präparat getestet, dessen Bezeichnung bislang geheim gehalten wird. „Bekannt ist, dass das getestete Präparat auf einer Monoschicht keine toxischen Eigenschaften aufwies. Die Tests auf einem dreidimensionalen Leberkonstrukt führten aber zu gänzlich anderen Resultaten", weiß Chesuani.

Nach Einschätzung Mironows könnten notwendige Einrichtungen für die Transplantation von Organen aus dem 3D-Drucker in Russland geschaffen werden. „Eine Grundvoraussetzung dafür ist allerdings die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und Privatunternehmen. Zwar wären dabei Investitionen in Millionenhöhe notwendig, doch später könnte unser Land im Gesundheitssystem viel Geld einsparen."

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