UN-Tribunal zu MH17: Moskau befürchtet politische Show

MH17-Absturz: Moskau lehnt UN-Tribunal ab.

MH17-Absturz: Moskau lehnt UN-Tribunal ab.

Reuters
Einige Länder, darunter Malaysia und die Ukraine, wollen ein internationales Tribunal der Vereinten Nationen zur Aufklärung der Tragödie um den Absturz von Flug MH17 vor einem Jahr einsetzen. Russland hält dagegen – aus gutem Grund.

Wie es zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine von Flug MH17 vor einem Jahr in der Ostukraine kam, soll ein internationales Tribunal der Vereinten Nationen klären. Das zumindest fordern die Ukraine, Malaysia, Australien, die Niederlande und Belgien, die einen Vorschlag für eine entsprechende Resolution in den UN-Sicherheitsrat eingebracht haben. Am heutigen Montag steht die Resolution auf der Agenda des Gremiums, am Mittwoch soll darüber abgestimmt werden.

Doch Russland spricht sich gegen eine Verabschiedung dieser Resolution aus. „Wenn sie zur Abstimmung vorgelegt wird, sehe ich keine Chance, dass dieser Entwurf angenommen wird“, erklärte bereits Russlands ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen Witalij Tschurkin. Die Position Moskaus rief scharfe Kritik hervor – bis hin zu dem Vorwurf, Russland würde sich seiner Verantwortung entziehen.

 

UN-Tribunal würde Kompetenzen überschreiten

Dabei ist Moskau mitnichten gegen ein Gerichtsverfahren zur Ermittlung und Verurteilung der Schuldigen. So hat Russland vor einem Jahr die sogenannte Resolution „2166“ unterstützt, die eine umfassende und unabhängige Untersuchung der Tragödie forderte. Hinter dem jüngsten Resolutionsentwurf sieht Moskau vielmehr ein „politisches Propagandaspiel“, in das der UN-Sicherheitsrat hineingezogen werde.

Deshalb besteht der Kreml darauf, den mutmaßlichen Abschuss wie jedes andere Verbrechen auch zu behandeln, zu dessen Untersuchung kein internationales Tribunal unter Verweis auf die „Gefahr für den Weltfrieden und die globale Sicherheit“ eingesetzt wird. „Malaysia und andere Länder selbst erklären, dass eine kriminelle Straftat vorliegt. Der UN-Sicherheitsrat hat aber noch nie Beschlüsse zur Untersuchung krimineller Delikte verabschiedet“, erläuterte Witalij Tschurkin.

Nicht zum ersten Mal sei ein Passagierflugzeug abgeschossen worden und nie habe die Uno ein Sondertribunal zu deren Untersuchung eingerichtet, erinnert ein anderer russischer Politiker. „Würde ein internationales Tribunal geschaffen, so müssten von diesem sämtliche Fälle untersucht werden, bei denen Passagierflugzeuge abgeschossen wurden“, betont Alexej Puschkow, Vorsitzender des Staatsduma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten. Im Jahr 1988 wurde ein iranisches Passagierflugzeug durch US-amerikanische Streitkräfte und im Jahr 2001 eine russische Maschine durch ukrainische Militärs abgeschossen.

Die Untersuchung des MH17-Absturzes werde außerordentlich politisiert, merken einige Experten an. „Ein Flugzeugunglück und der Abschuss einer Passagiermaschine bedrohen weder den Weltfrieden noch die internationale Sicherheit. Sie fallen also nicht unter die Paragraphen der UN-Charta, nach denen ein entsprechendes Tribunal eingerichtet werden kann“, meint Kyrill Koktysch, Dozent am Lehrstuhl für politische Theorie des Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen.

 

Zweifel an der Objektivität

Vor dem Hintergrund eines allgemein schlechten Verhältnisses zu Russland hat Moskau zudem allen Grund, an der Objektivität einer solchen Untersuchung zu zweifeln. „Russischen Fachleuten wurde de facto der gleichberechtigte und umfassende Zugang zum Untersuchungsmaterial der internationalen Ermittlungsgruppe verwehrt“, erklärte das russische Außenministerium.

Und da sei die Beweislage momentan noch dürftig, wie der Politologe Dmitrij Ofizerow-Belskij, Dozent an der Higher School of Economics, bemerkt: „Die unmittelbaren Täter wurden nicht ermittelt, bei Weitem nicht alle Hauptzeugen sind befragt worden und es liegen lediglich indirekte Indizien vor, deren vollständige Liste aber geheim gehalten wird“, sagt er.

Der russischen Seite seien alle Informationen zur Verfügung zu stellen, forderte unlängst Außenminister Sergej Lawrow. „Erst danach wird eine vorläufige Beurteilung zur Verantwortung der Schuldigen erfolgen können. Und wir werden uns darauf verständigen können, in welcher Form das am besten erfolgen kann, um die Funktion, die Vorrechte und die Autorität des UN-Sicherheitsrats nicht zu missbrauchen“, sagte er.

Ohne eine Beteiligung Russlands an der Untersuchung wäre das Ergebnis der Ermittlungen aber zweifelhaft angesichts des offenkundig negativen Verhältnisses des Westens gegenüber der Russischen Föderation und seiner ungebrochenen Sympathie für die Kiewer Regierung: „Man kann sich in der gegenwärtigen Situation nur schwer vorstellen, dass die europäischen Politiker bereit wären, Kiew anzuklagen“, meint Politologe Ofizerow-Belskij und fügt hinzu: „Die Wahrscheinlichkeit, dass das Tribunal in eine politische Show verwandelt wird, ist relativ groß. Und das Ziel einer solchen Show besteht darin, den internationalen Druck auf Moskau zu erhöhen.“

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