Frank-Walter Steinmeier hatte es als deutscher Außenminister hauptsächlich mit vier großen Krisen zu tun: Russland und die Krim; Russland und die Ukraine; Russland und Syrien und Russland und der Iran.
Eine der Kerneigenschaften von Steinmeier zeigte sich in allen Krisen: Er war sehr zäh im Verhandeln, sehr aufgeschlossen gegenüber allen Argumenten und daher auch sehr anpassungsfähig. Als Jurist betonte er immer das Prinzip: Der Stärkere darf nie über das Recht herrschen, das Recht muss immer auch über dem Stärkeren stehen. Das war die praktische Rechtsanwendung der rechtsstaatlichen Prinzipen, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland gelebt und gehandhabt wurden. Dabei war es ihm immer wichtig, im Dialog auch mit dem Stärkeren zu bleiben, der das Recht in seiner Politik beugen wollte oder gebeugt hatte. So ging er auch die Krisen mit Russland an.
Gerade die andauernde Krimkrise, als Russland im März 2014 die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim besetzte und dann annektierte, bewies die Zähigkeit von Steinmeier. Er war überzeugt, dass hier der Stärkere, Russland, das Recht der internationalen Gemeinschaft gebeugt, ja stark verletzt hatte. Eine Veränderung der Grenzen mit Gewalt, wie es Russland angewandt hatte, konnte nicht hingenommen werden. Das Recht musste wieder durchgesetzt werden. Es gelang ihm nicht, aber er brach die Beziehungen und Gespräche auch nicht ab. Sondern hier bewies der deutsche Außenminister seine große Geduld zum Dialog. Frieden schaffen heißt immer Kompromisse schließen.
Das zeigt sich auch in der Krise um die Ostukraine. Hier wird wieder geschossen. Doch Steinmeier zeigt sich auch hier als zäher Verhandler.
Mit Steinmeier geht ein deutscher Aussenminister, der den Mut hatte, die Wahrheit auszusprechen, offen Positionen zu beziehen in einem sehr diplomatischen Ton und mit großem diplomatischem Geschick.
Mit Russland gelang es ihm dabei nicht, eine einvernehmliche Lösung der Konflikte um die Ukraine zu erreichen. Aber es gelang ihm, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Die deutsch-russischen Beziehungen sind intakt, wenn auch gespannt. Steinmeier suchte ständig nach Kompromissen. Dies war sein wahres Können. An den Frieden glauben, mit dem Unrecht leben, aber immer miteinander reden, nach friedlicheren Lösungen suchen. Das galt insbesondere im Konflikt mit Russland um die Ukraine.
Den Russen gefiel es dabei nicht, dass Steinmeier nach der politischen Vorgabe durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso an der Embargo-Politik gegenüber Moskau festhielt. Sein Prinzip des Handelns bestand aus zwei Prinzipien: Abschreckung und Dialog. Über das schwierige Verhältnis zu Russland sagt er: „All das ist kein Grund, einander den Rücken zuzukehren.“
Das galt auch für die Bemühungen um eine Waffenruhe in Syrien. Ohne Russland geht nichts im Bürgerkriegsland in Nahost. Steinmeier war sich immer der relativ kleinen Rolle Deutschlands in diesem Konflikt bewusst. Dennoch hat er Deutschland eingebracht und hinter den Kulissen um Lösungen gerungen.Das gleiche gilt für das Verhältnis zwischen Iran und Amerika. Auch hier hat er sich eingemischt. Mit leisen Worten, aber beharrlich. Das war seine große Stärke. Zäh sein, bissig sein, aber nie laut kläffen. Dabei nie bluffen, sondern ehrlich bleiben.
Steinmeier wird auch als Bundespräsident diese Eigenschaften einsetzen. Weil er Außenminister war, kennt er die Befindlichkeiten im Kreml. Es ist davon auszugehen, dass er geschickt und leise aus dem Schloss Bellevue, seinem Amtssitz, auf die Politik gegenüber Russland einwirken wird. Auch wenn ihm dies nicht erlaubt ist als Präsident, aber gegen gute Ratschläge hat auch im Kanzleramt respektive im Außenamt kaum einer etwas einzuwenden.
Russland allerdings sollte sich auch bemühen, weiter über Kompromisslösungen im Ukraine- Konflikt und in Syrien nachzudenken. Frieden kann in beiden Ländern nur einkehren, wenn beide Seiten willens sind, Kompromisse einzugehen. Das war immer das Prinzip von Frank-Walter Steinmeier: verhandeln, verhandeln und noch einmal verhandeln, bis ein Kompromiss steht. Krieg ist nie die Lösung. Auch wenn es im Fall der Krim danach aussieht, als hätte Moskau „gewonnen“. Die Folgeschäden sind deutlich spürbar für Russland.
Und war es das wert? So würde Steinmeier wahrscheinlich gefragt haben. Seine Antwort hätte geheißen: Nein. Lasst uns daher über Lösungen reden, damit die beiden Länder Deutschland und Russland wieder friedlich zueinander finden können. Denn das war auch das Ziel des deutschen Außenministers: Russland als Partner behalten und zurückzugewinnen. Er war kein Russland-„Versteher“, er war ein guter Freund Russlands. Und das wird er als Präsident sicherlich auch bleiben.
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