Wikipedia-Seite über Drogen alarmiert russische Aufsichtsbehörde

Wikipedia-Seite über Drogen löst in Russland einen Skandal aus.

Wikipedia-Seite über Drogen löst in Russland einen Skandal aus.

Shutter Stock/Legion Media
Die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadsor verlangt von Internetprovidern, eine Wikipedia-Seite über die Droge Charas zu blockieren. Medienexperten sehen darin die Gefahr der Blockade des gesamten Online-Nachschlagewerkes.

Die russische Aufsichtsbehörde für Massenmedien, Telekommunikation und Datenschutz Roskomnadsor hat russische Internetbetreiber verpflichtet, die russischsprachige Wikipedia-Seite über die Droge Charas zu blockieren.

„Das Verschieben des betroffenen Artikels auf eine andere URL, wie es durch die Verwaltung des russischsprachigen Wikipedia-Segments vorgenommen wurde, hat den Nutzerzugang zu der zuvor durch das Gericht für verboten erklärten Information nicht blockiert", heißt es in einer offiziellen Mitteilung von Roskomnadsor. Am vergangenen Freitag war die Adresse für den entsprechenden Artikel so geändert worden, dass man auf eine Begriffsauswahlliste für Charas gelangt. Auf diese Weise wurden die Forderungen des Gerichts formal erfüllt.

In der Meldung wird darauf verwiesen, dass der „rechtswidrige Charakter der bei Wikipedia veröffentlichten Information" durch ein Expertengutachten und eine Entscheidung des Föderalen Dienstes für Drogenkontrolle der Russischen Föderation (FSKN) bestätigt worden waren. Ende Juni entschied ein Gericht der Region Astrachan, dass Informationen über die Zubereitungsarten von Drogen in Russland verboten werden sollten.

Der Exekutivdirektor der russischen Wikipedia-Abteilung Wikimedia RU, Stanislaw Koslowskij, erklärte bereits, dass alle Informationen im Artikel über die Droge von offiziell zugänglichen UN-Seiten entnommen und alle Quellen akademischer Natur seien. "Wir haben die Situation diskutiert und beschlossen, den Artikel nicht zu entfernen", sagte er.

Experten befürchten, dass ein Blockieren einzelner Seiten zu einer Abschaltung der gesamten Wikipedia führen könnte, weil mit HTTPS ein Protokoll verwendet werde, das ein Blockieren einzelner Seiten nicht zulasse. Karen Kasarjan, Chefanalyst der Russischen Assoziation für E-Kommunikation, erklärte zudem gegenüber RBTH, dass die russische Regulierungsbehörde in diesem Fall ihre Kompetenzen überschreite. „Ich sehe, dass die Entscheidung des Gerichtes von Wikipedia befolgt wurde. Der Artikel ist unter der betreffenden URL nicht mehr auffindbar. Anscheinend will Roskomnadsor durch diese Eskalation den Betreiber einer Internetseite, der eine eigene Lösung gefunden hat, öffentlich bestrafen."

Nach Ansicht des Medienexperten und populären Bloggers Anton Nosik liege das Problem "im Bereich des bestehenden Gesetzes, das festlegt, mit welchen Ressourcen sich bestimmte Informationen blockieren lassen“. Roskomnadsor sei verpflichtet, das Gesetz einzuhalten. Das Gesetz aber sei von minderwertiger Qualität und erlaube eine Vielzahl von Möglichkeiten missbräuchlicher Auslegung, so Nosik weiter. Dabei erinnert er daran, dass das Gesetz nicht neu sei und ständig Seiten blockiert würden. Mittlerweile hätten zudem viele Menschen gelernt, die Blockierungen zu umgehen. Jetzt werde es noch mehr von ihnen geben. „Jeder, der in Russland weiterhin das Internet nutzen möchte, muss sich um ein Programm zur Umgehung kümmern", erklärt Nosik.

Wie jetzt bekannt wurde, wurden später in dem umstrittenen Artikel Korrekturen vorgenommen, wodurch er in Russland nicht mehr verboten ist. Roskomnadsor erklärt dazu auf seiner Internetseite: "Wie aus dem Expertengutachten hervorgeht, verstößt der Beitrag nicht mehr gegen das russische Recht und wurde daher aus der Liste der verbotenen Information gelöscht."

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