Zurzeit lernen im Zentrum Kinder aus Syrien, Afghanistan, aus dem Kongo und einigen ehemaligen Sowjetrepubliken.
PressebildAminat aus Grosnij kam im Jahr 2000 ins Zentrum, am Höhepunkt des Zweiten Tschetschenienkrieges. Als ihre Familie nach Moskau zog, stellte sich heraus, dass die Kinder nicht über alle notwendigen Unterlagen zur Aufnahme in eine Schule verfügten. Die benötigen Papiere erhielt Aminats Familie mithilfe des Komitees für Bürgerbeteiligung, wo man ihr auch über das Zentrum für Flüchtlingskinder erzählte.
„Zuerst besuchten meine Brüder und meine Schwester das Zentrum. Meine Schwester lernte Englisch und ich bin einfach so mitgegangen. Nicht wegen des Kurses, sondern weil es im Zen-trum interessant und herzlich war: Dort konnte man angenehm die Zeit verbringen, es gab viele nette Leute, mit einigen von ihnen stehen wir immer noch im Kontakt. Zum Beispiel mit der Englischlehrerin. Sie war früher Punkerin, in der Antifa engagiert und erzählte uns viel über ihr Leben in der russischen Hauptstadt und über politische Zusammenhänge. Sie gab uns ihre Lieblingsmusik zu hören“, erzählt Aminat im Gespräch mit RBTH. Nach der Schule studierte sie an der Fakultät für Geisteswissenschaften und kehrte nach dem Abschluss ins Zentrum zurück, um hier als Empfangschefin zu arbeiten.
Langer Weg der Integration
Das Zentrum entstand 1996 aus dem Komitee für Bürgerbeteiligung, der ersten nichtstaatlichen und gemeinnützigen Flüchtlingshilfsorganisation in Russland. Es hilft Kindern und deren Eltern bei den spezifischen Problemen, auf die Flüchtlinge in einem fremden Land stoßen. Für viele ist das Zentrum die einzige Chance, eine Ausbildung zu erhalten. „Wir haben hier eine Familie aus Afghanistan. Der Vater, Charun, flüchtete nach Russland, nachdem die Taliban seinen Vater ermordet hatten und die restliche Familie bedrohten. Charun befindet sich bereits seit drei Jahren in Moskau und hat immer noch keinen offiziellen Status, weshalb seine neun Kinder nicht in einer russischen Schule lernen dürfen“, erläutert die Leiterin des Zen-trums, Olga Nikolajenko.
Das Problem mit den Unterlagen ist meist nicht einmal die größte Hürde: Viele Kinder können schon deshalb keine Schule besuchen, weil sie kein Russisch sprechen. Deshalb beginnt die Ausbildung im Zentrum bereits im Vorschulalter. Seine Gründer sind überzeugt: Je früher die Migrantenkinder beginnen,Russisch zu lernen, desto größer ist die Chance, die Sprache bis zur Einschulung zu beherrschen. „Iksen aus dem Kongo ist gerade einmal vier Jahre alt und spricht bereits ohne Probleme unsere Sprache – er sagt sogar, dass er in unsere Volontärin Lena verliebt sei“, erzählt Olga schmunzelnd. „Ein großes Problem ist auch die pädagogische Vernachlässigung. Die Migranten hinken beim Lernen hinterher, weil der Lehrplan sich unterscheidet oder sie zu Hause nicht die Schule besuchen konnten“, bemerkt Olga. Deshalb pauken die Kinder außer Russisch auch Mathe und erhalten Nachhilfe in anderen Fächern.
Das Zentrum hilft auch bei psychologischen Problemen weiter. „Oft kommen die Kinder erst einige Jahre nach ihrer Ankunft in Russland zu uns. Anfangs akzeptieren die Eltern es häufig nicht, so bald nicht in die Heimat zurückkehren zu können“, erläutert Olga. Deshalb arbeitet im Zentrum ein Psychologe, der den Kindern hilft, ihr Trauma zu überwinden und sich einzugewöhnen. „Bei uns sind auch der fünfjährige Moris und der siebenjährige Jad aus Syrien. Ihre Mutter René floh mit ihnen vor anderthalb Jahren vor den Feuergefechten aus ihrer Heimat. Die Kinder waren traumatisiert und sehr verschlossen. Dank unseres Psychologen öffnen sie sich nun ganz allmählich“, sagt Olga. Leider würden die Migrantenkinder auf Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in der Gesellschaft stoßen – auch hier hilft ihnen der Psychologe weiter.
Im Moment sind 73 Kinder im Zen-trum aufgenommen. „Sie kommen vor allem aus Syrien, Afghanistan, dem Kongo und einigen mittelasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken. Auch haben wir einige Kinder aus der Ukraine und dem Jemen“, sagt Olga.
Erfolgsgeschichten
Aminats Geschichte ist eine von vielen mit einem glücklichen Ausgang. „Meine Schwester studierte nach ihrer Zeit im Zentrum an einem kanadischen College, nach ihrer Rückkehr immatrikulierte sie sich wie ihre Englischlehrerin in der Fakultät für Geisteswissenschaften“, erzählt Aminat. „Ein Junge aus Tschetschenien, Amirchan, nahm über das Zentrum ein Studium in den USA auf und arbeitet jetzt im Bankensektor. Ein Mädchen aus Tadschikistan wurde im Zentrum in Physik unterrichtet und studierte am Bauman-Institut.“
Am 1. September gab es im Zentrum eine freudige Nachricht: Marichal aus dem Kongo und Jad aus Syrien besuchen nun eine russische Schule. „Wir hatten großes Glück“, erzählt Olga. „Es ist eine gute Privatschule mit kleinen Klassen. Wir konnten einen Rabatt aushandeln, da der Direktor Verständnis für die Kinder hatte. Das Schulgeld haben unsere Volontäre gesammelt. Zuvor hatte Jad in 16 Schulen eine Absage erhalten, deshalb sind er und seine Mutter jetzt so glücklich.“
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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