Jeder der insgesamt vier Gudonov-Pelzmäntel in der neuen Aufführung ist mit rund 5 000 Edelsteine geschmückt.
Damir Jusupow/bolshoiteatr.comWie erweckt man Kostüme zum Leben?
„Es kommt vor, dass Details eines Kostüms in den hinteren Reihen des Saals nicht mehr erkannt werden können“, sagt die Leiterin der Kostümschneiderei für Damen, Natalya Aldoschina. Ein allzu minimalistisches Design wird dann überarbeitet. „Mit einer speziellen Farbe werden Falten hervorgehoben und Schatten gemalt. So wird das Kostüm ‚belebt‘. Das ist ein üblicher Arbeitsvorgang“, erzählt Aldoschina.
Die Kostüme sind urheberrechtlich geschützt. Daher werden sie vor der Premiere nicht öffentlich gezeigt. Und einem alten Aberglauben folgend verwahren die Kostümbildner die Stoffe mindestens bis zur Premiere bei sich. Vor der Übergabe an die Schauspieler werden die verwendeten Stecknadeln weggeworfen, damit das Kostüm nicht zurückkommt.
Was macht Tutus so besonders?
Eine Geschichte für sich sind die Tutus, die mehrschichtigen Röcke der Balletttänzerinnen. Früher wurden sie aus Musselin und Tarlatan gefertigt und vor jeder Aufführung gestärkt. Die berühmte, inzwischen verstorbene, Balletttänzerin Maja Plissezkaja sagte einmal über ihr erstes Tutu: Es habe einige Kilogramm gewogen, „war grob und abstehend und roch irgendwie nach Kerosin“. Auch die Verschlusshäkchen in der Taille waren schwer und erinnerten an Angelhaken.
Später wurden die Tutus in Russland jahrelang aus Nylon hergestellt. Ein Durchhängen wurde mithilfe eines Rings aus dünnem Stahl verhindert. Das erste Kostüm dieser Art brachte Primaballerina Plissezkaja von einem Gastspiel in England mit.
Foto: Ria Nowosti/Wladimir Wjatkin
2007 ereignete sich die sogenannte „Tutu-Revolution“. Für die Inszenierung des Balletts „Le Corsaire“ sollten Entwürfe des späten 19. Jahrhunderts verwendet werden, mit längeren Rocksäumen. Für das Ballett „Juwelen“ wurde dann eine neue Technik zur Tutu-Herstellung verwendet. Ein heutiges Tutu gleicht beinahe einem architektonischen Meisterwerk.
Jede Schneiderin des Theaterateliers beherrscht die Technik der Tutu-Fertigung. Ein mehrschichtiges Tutu wird innerhalb eines Tages fertiggestellt. Es sind jeweils individuelle Entwürfe für die Tänzerinnen. „Mehrere Schichten werden zugeschnitten und gefältelt. Dann wird alles zusammengenäht. Ein Schlüpfer bildet die Grundlage“, erzählt die Schneiderin Tatjana Romanenko. 15 bis 28 Meter Stoff sind nötig für ein Tutu. „Bei längeren Röcken wie in ‚Le Corsaire‘ brauchen wir noch mehr Stoff“, sagt Romanenko.
Ein Tutu zu nähen ist eine Herausforderung. Ein Ballettkostüm muss wie eine zweite Haut sitzen, denn jeder Zentimeter unnötigen Stoffs bedeutet mehr Gewicht, und das wirkt sich auf den Tanz aus.
Wie verwandelt man schwere Kostüme in leichte?
Die Oper „Boris Godunov“ ist die Aufführung mit den meisten Schauspielern im Bolschoi-Theater. Dafür wurden mehr als 900 Kostüme mit einem Gesamtwert von rund einer Million Euro gefertigt. Auf einem Kleiderbügel hängt ein Pelzmantel ohne Ärmel. Er ist mit dem Hinweis „Boris Godunov. Bühnenkünstler des Chors Dmitriy Nekrasov“ gekennzeichnet und wiegt gefühlte sieben bis acht Kilogramm.
„In Fedor Fedorovskiys Aufführung aus dem Jahre 1948 wog der Pelzmantel noch 20 Kilogramm“, berichten die Kostümbildnerinnen. Das geringere Gewicht ist neuartigen Stoffen des Designers Pavel Kaplewitsch zu verdanken. Er hat in verschiedene Stoffe goldene und silberne Fäden eingewebt und ihnen so einen Vintage-Look verliehen. Die Stoffe sehen wie Brokat aus, wiegen aber deutlich weniger. Auch Webpelz wird verwendet, um das Kostüm leichter zu machen.
Das ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass die Kostüme in der neuen „Boris Godunov“-Aufführung zusätzlich mit Edelsteinen verziert sind. Die drei Kostüme der Maryna Mniszech schmücken rund 1 000, jeden der insgesamt vier Gudonov-Pelzmäntel sogar rund 5 000 Edelsteine.
Wie entsteht das perfekt sitzende Kostüm?
In der Schneiderei drängeln sich viele Ankleidepuppen. Die Puppen mit breiter Brust gehören den Opernsängern. Andere haben luftige Bekleidung an. Sie gehören den Ballettkünstlern.
Viele Solosänger und -tänzer haben ihre persönlichen Ankleidepuppen, die ihre Figur genau nachbilden. An der Wand steht beispielsweise die Puppe der Balletttänzerin Svetlana Zakharova. Die zarte und zierliche Puppe trägt das Kostüm der Fürstin Mary aus der Aufführung „Ein Held unserer Zeit“. Es wird zurzeit aufgearbeitet.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Moskowskij Komsomolets.
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