Die Übereinkommen, die zwischen der Sechsergruppe der internationalen Vermittler und Teheran zum iranischen Atomprogramm getroffen wurden, sind eines der positivsten Ereignisse der Weltpolitik der jüngsten Geschichte. Das System der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen wird dadurch gestärkt und es gibt nunmehr zusätzliche Möglichkeiten, um die Anstrengungen der Weltmächte im Nahen Osten und in anderen Krisenregionen zu bündeln.
Die Lösung des iranischen Problems ist nun endlich gefunden und sie verdient eine eingehende Analyse, um dieses Know-how auch bei anderen internationalen Problemen zu nutzen. Vor allem sollte herausgestellt werden, dass die Vereinbarung vor dem Hintergrund der äußerst ungünstigen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zustande gekommen ist. Den Unterhändlern ist es gelungen, dieses Verhältnis bei dem Verhandlungsprozess außen vor zu lassen und ein Auseinanderbrechen der Sechsergruppe nicht zuzulassen, indem die gemeinsame Verhandlungsposition bis zum erfolgreichen Abschluss beibehalten wurde. Aber auch deshalb, weil das gestellte Ziel klar und konkret formuliert war. Dies ließ keinerlei Raum für eigenmächtige Interpretationen und einseitige Auslegungen.
Der Sechsergruppe und dem Iran ist es zudem im Großen und Ganzen gelungen, den Verhandlungsprozess von den Intentionen der iranischen Innenpolitik abzukoppeln. Während der vielen Jahre, die die Verhandlungen andauerten, kamen und gingen in den beteiligten Staaten meist nicht nur einmal die Präsidenten und Premierminister und änderte sich mehrfach die Zusammensetzung des Unterhändler-Teams.
Letzten Endes siegten jedoch auf beiden Seiten der politische Wille und die Orientierung hin zu einer Lösung des Problems. Die Verhandlungen wurden zwar mit aller Härte geführt, aber dabei wurde der gegenseitige Respekt bewahrt und es war Verständnis für die Position des jeweiligen Verhandlungspartners zu spüren.
In diesem Zusammenhang beeindruckt, dass die Beteiligten ohne jedwede feindselige Rhetorik und Propagandaschlachten ausgekommen sind. Die Übereinkunft zum iranischen Atomprogramm demonstriert ein weiteres Mal die Bedeutung des russisch-amerikanischen Dialogs in der gegenwärtigen historischen Epoche. Es war vor allem das gemeinsame Vorgehen Russlands und der USA, das im Wesentlichen zu dieser Übereinkunft geführt hat.
Die iranische Lösung hat – wie auch das jüngste Beispiel der Vernichtung chemischer Waffen in Syrien – gezeigt, dass Russland und die USA immer noch die Garanten für den Ausbau des Systems der Nichtweiterverbreitung von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen darstellen. Es versteht sich von selbst, dass es noch zu früh ist, von einer endgültigen Lösung des iranischen Atomproblems zu sprechen. Aber die Hauptschlussfolgerung liegt auf der Hand: Der politische Wille, die ausgeprägte Professionalität der Beteiligten, ihr Streben nach einem Kompromiss sowie die Konsequenz und Kontinuität bei der Abarbeitung der Etappen des Verhandlungsprozesses – all diese Faktoren haben den Erfolg ungeachtet der angespannten internationalen Situation ermöglicht.
Die iranische Lösung verdient besondere Aufmerksamkeit auch in Bezug auf die andauernde Krise in der Ukraine und im Zusammenhang mit dieser. Leider muss konstatiert werden, dass das sich herausgebildete „Normandie-Format“ zur Lösung der Ukrainekrise in mehreren Punkten hinter dem Verhandlungsformat der Sechsergruppe und des Irans zurücksteht. Nicht alle Beteiligten des Minsker Abkommens beweisen ihren politischen Willen, den es zum Erreichen einer Übereinkunft bedarf. Nicht immer werden die Verhandlungsziele klar genug formuliert, außer vielleicht bei den kurzfristigen taktischen Zielen. Ebenso sind die Bereitschaft der Beteiligten zum Erreichen eines Kompromisses und die Berücksichtigung der jeweiligen Interessen nicht immer zu spüren.
Der einzige Ausweg aus der ukrainischen Sackgasse wäre die deutliche Verbesserung der Zusammenarbeit aller wesentlichen internationalen Player, die an einer schnellstmöglichen Überwindung der Krise interessiert sind. Das betrifft die Intensivierung des Verhandlungsprozesses als sol chen ebenso wie die Auswahl der zu erörternden Probleme und die Beteiligten des Minsker Abkommens. Und das betrifft das Erreichen eines breit angelegten internationalen Konsenses bezüglich der Zukunft der Ukraine im Rahmen eines neuen Systems der europäischen Sicherheit. Zudem mangelt es den Verhandlungspartnern an „Zuckerbrot und Peitsche“, sprich: an einer Auswahl positiver wie auch negativer Anreize, über die die internationale Gemeinschaft in ihrem Einwirken auf sämttliche Beteiligte des Konfliktes in der Ukraine verfügen müsste.
Der Autor ist Präsident des Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten und war von 1998 bis 2004 Außenminister Russlands.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Rossijskaja Gaseta.
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