Zum Minsker Abkommen gibt es für Merkel und Hollande keine Alternative.
ReutersAm Montag bat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den französischen Staatspräsidenten François Hollande und den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zum Gespräch nach Berlin. Merkel und Hollande bekräftigten erneut ihre Unterstützung für Kiew und übten Kritik an Russland und den Aufständischen im Donbass. Die Unterredung selbst könnte nach Einschätzung von Experten für Poroschenko jedoch durchaus weniger angenehm gewesen sein.
Das Problem besteht darin, dass Europa und Kiew zurzeit komplett unterschiedliche Positionen zur Lage im Donbass vertreten. „Europa ist bereit, sich mit einer weitgehenden Autonomie (des Donbass, Anm. d. Red.) und mit einer für alle akzeptablen Person an der Spitze (der selbst ernannten Volksrepubliken, Anm. d. Red.) zufriedenzugeben. Europa ist auch damit einverstanden, dass Russland direkt oder indirekt an diesem Prozess teilnimmt“, erklärt Alexander Gushschin, Dozent an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität, RBTH.
Für Kiew sei das jedoch keine Option. „Laut Poroschenko sind die derzeitigen Abänderungsanträge (für die ukrainische Verfassung, Anm. d. Red.) bereits ein großes Zugeständnis, mehr könne er nicht tun und würde dafür auch keine Unterstützung im Parlament bekommen“, sagt Gushschin. Gemäß der Minsker Vereinbarung müsse er aber mehr tun. „Doch selbst Poroschenko betrachtet das Abkommen nicht als Roadmap, sondern als Möglichkeit, Zeit zu gewinnen“, so Gushschin.
Den Umstand, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nicht zu dem Treffen in Berlin eingeladen worden war, erklärt Sergej Utkin, Leiter der Abteilung für strategische Einschätzungen des Zentrums für Situationsanalyse bei der Russischen Akademie der Wissenschaften, so: „Frankreich und Deutschland betrachten die russische Politik, was die ukrainische Frage angeht, offiziell kritisch. Im Rahmen eines Treffens mit russischer Beteiligung wäre es schwierig, auf die Ukraine Druck auszuüben oder zumindest ein gewisses Verständnis für die russische Position zuzugeben.“ Doch damit die Minsker Vereinbarungen nicht scheitern, sei es erforderlich, dass insbesondere die ukrainische Regierung ihre Hausaufgaben mache, meint Utkin: „Das betrifft vor allem die Abänderungsanträge und das Abstimmen des Wahlablaufs“, sagte er im Gespräch mit RBTH.
Paris und Berlin haben einige Möglichkeiten, Einfluss auf die Ukraine zu nehmen, wie Politologe Utkin ausführt: „Die Beziehungen mit der Europäischen Union stehen auf der Prioritätenliste der ukrainischen Regierung ganz oben und der erfolgreiche Aufbau dieser Beziehungen wird zum Gradmesser für sie. Für viele in der Ukraine gilt die Meinung der EU im Hinblick auf Reformen im Land als maßgebend. Also darf sich mit der EU nicht angelegt werden“, sagt er. Es werde sich zeigen, ob Europa genug Druck ausgeübt hat. Ebenso viel Bedeutung misst Utkin der Dynamik der Gespräche im Rahmen der Kontaktgruppe bei.
Ein wichtiges Ergebnis hat das Spitzentreffen von Berlin zweifelsohne gebracht: Auf der gemeinsamen Pressekonferenz bezeichneten Merkel und Hollande die Minsker Vereinbarungen und das Normandie-Format als „alternativlos“. Der ukrainische Präsident musste ihnen wohl oder übel zustimmen. „Das Treffen in Berlin hat bewiesen, dass niemand die Minsker Vereinbarungen aufgeben will, auch wenn eine strikte Befolgung mehr und mehr unrealistisch wird. Der Verhandlungsprozess an sich, so zeigt das Beispiel anderer Konflikte, trägt bereits dazu bei, Spannungen abzubauen, wenn er indes auch noch keine eindeutigen Ergebnisse mit sich bringt“, meint Utkin.
Beim nächsten regulären Treffen im Normandie-Format sei wohl damit zu rechnen, dass Merkel und Hollande von Russland eine Gegenleistung einfordern, weil sie in Berlin auf Poroschenko eingewirkt haben. „Europa erwartet einige Zugeständnisse von Russland, und zwar die Absage der Wahlen im Donbass und eventuell auch, dass die Führung der selbst ernannten Volksrepubliken ausgetauscht wird“, glaubt Gushschin.
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