Die Europäische Union und die USA schließen neue Sanktionen gegen Russland nicht aus, sollten die selbsternannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine eigene Wahlen durchführen. Das berichtet die russische Tageszeitung „Kommersant“.
In der Ukraine finden am 25. Oktober Kommunalwahlen statt. Die Regierungen der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk wollen am 18. Oktober beziehungsweise 1. November eigene Wahlen durchführen. Nach dem Minsker Abkommen sind Wahlen in den abtrünnigen Gebieten vorgesehen, jedoch müssten zuvor Gespräche mit Kiew geführt werden. Dies ist bislang nicht geschehen.
Russland könnte zwar durchaus versuchen, Einfluss auf die Durchführung der Wahlen in den selbsternannten Volksrepubliken zu nehmen, meinen einige russische Politikexperten, doch ein Erfolg sei unwahrscheinlich.
Dmitrij Danilow vom Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften meint, dass sowohl die prinzipiellen Aspekte wie Verfassungsreform und Sonderstatus für die ostukrainischen Regionen, als auch Fragen, in denen sich Moskau flexibel geben kann, entscheidende Bedeutung für die russische Stellung in der Beilegung des Konfliktes hätten.
Für Moskau sei jedoch entscheidend, dass das Minsker Abkommen umgesetzt werde. Wenn eine Verschiebung der Wahlen und ihre Durchführung nach ukrainischen Gesetzen dazu beitrügen, so könne man davon ausgehen, dass sich Moskau dafür einsetze, vermutet Danilow.
Danilow betont, dass die von Präsidenten Poroschenko vorgeschlagenen Gesetzesänderungen über eine Dezentralisierung und einen Sonderstatus für den Donbass mit der Führung der selbsternannten Volksrepubliken hätten diskutiert werden müssen. Doch das lehne Kiew strikt ab.
Welchen Status der Donbass in der ukrainischen Verfassung erhalte, sei entscheidend für die Regierungen der selbsternannten Volksrepubliken. Danach würde entschieden, ob Kommunalwahlen gemäß den ukrainischen Gesetzen durchgeführt werden.
Für Maksim Braterskij, Experte des Zentrums für europäische Forschung an der Higher School of Economics in Moskau, stellen massive Verletzungen der Abfolge einzelner Schritte in der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ein ernstes Problem dar. Die Vereinbarungen schrieben vor, dass den selbsternannten Volksrepubliken zunächst ein Sonderstatus gewährt werden müsse, bevor in der Ukraine Kommunalwahlen abgehalten werden. Die ukrainische Regierung würde sich an diese Abfolge jedoch nicht halten und genau umgekehrt vorgehen.
Sie wolle die Wahlen auf der Grundlage von Bedingungen abhalten, die für die Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken nicht akzeptabel seien, wie diese mehrfach betont hätten. Unter anderem sollten die Wahlen erst nach dem Abzug von Truppen und Militärtechnik stattfinden. Die Zulassung von ukrainischen politischen Parteien sollte zudem garantiert werden.
Experten bezweifeln, dass sich die selbsternannten Volksrepubliken viel von Russland sagen ließen. „Moskau hat zwar einen starken Einfluss und in einigen Fragen ist die Meinung auch maßgeblich, aber besonders in letzter Zeit kam ein neues Problem zum Vorschein: die gestiegene Autonomie der Region“, so Danilow. Davon zeuge auch der Weg zu den Minsker Vereinbarungen, deren Unterzeichnung die Vertreter der Ostukraine ziemlich lange verweigert hätten. Für die selbsternannten Volksrepubliken gebe es Grenzen für Zugeständnisse, die auch von Moskau respektiert werden müssten.
Zudem stehe Moskau ohnehin auf verlorenem Posten, glaubt Braterskij. Denn selbst wenn Russland in der Frage der Wahlen erfolgreich Druck auf die selbsternannten Volksrepubliken ausüben würde, „dann wird doch bestimmt ein anderer Grund für die Sanktionen gefunden werden und dann noch einer - bis in alle Ewigkeit“. Die Wahlen seien nur ein weiterer Vorwand der USA und der EU, Druck auf Moskau auszuüben.
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