Mit dieser Aktion möchten die Protestierenden sich mit dem Thema Krim in der internationalen Politik wieder mehr Gehör zu verschaffen, meinen Politologen.
APDie Staatsanwältin der Krim Natalja Poklonskaja sprach im Einvernehmen mit dem Informationsministerium der Halbinsel die „eindringliche Empfehlung“ an die Medien aus, in ihren Veröffentlichungen auf das Wort „Medschlis“ und die Phrase „Medschlis des krimtatarischen Volkes“ zu verzichten. Eine solche Organisation sei auf dem Territorium der Krim nicht registriert und somit nicht existent, heißt es in einem Schreiben des Informationsministeriums an die Redaktionen der Medien auf der Krim und in Sewastopol. Der Medschlis versteht sich selbst als offizielle Vertretung der Krimtataren.
Die Empfehlung der Staatsanwaltschaft ist im Zusammenhang mit der aktuellen Aktion der Krimtataren an den Grenzübergängen zwischen der Halbinsel und ukrainischem Territorium zu sehen. Sie begann am Montag der vergangenen Woche, einen Tag, nachdem der ehemalige und der aktuelle Vorsitzende des Medschlis, Mustafa Dschemiljew und Refat Tschubarow, für die beide ein Einreiseverbot in die Russische Föderation und damit auch auf die Krim gilt, eine Blockade der Grenzübergänge zwischen der Ukraine und der Krim organisiert hatten. Die Durchfahrt von Lastkraftwagen mit ukrainischer Ware auf russisches Territorium war somit nicht mehr möglich. Unterstützung der Blockade erfahren die Initiatoren der Aktion durch Abgeordnete des ukrainischen Parlaments, durch die in Russland verbotene Vereinigung Rechter Sektor, durch zivilgesellschaftliche Aktivisten und Angehörige des Sondereinsatzkommandos. Vor den Grenzübergängen hat sich eine LKW-Schlange gebildet. Andere LKW sind umgekehrt, um verderbliche Ware zu retten. Wartende haben ein Zeltlager aufgebaut.
Der erste stellvertretende Vorsitzende des Medschlis Nariman Dscheljalow erklärte, die Aktion sei unbefristet. Die Ziele fasste er in fünf Forderungen an Moskau zusammen: Freilassung ukrainischer politischer Gefangener in der Russischen Föderation, Beseitigung rechtswidriger Hindernisse für die Arbeit krimtatarischer und ukrainischer Medien auf der Krim, Einstellung unbegründeter Verfolgung von Krimtataren, die Änderung des Gesetzes über die freie Wirtschaftszone Krim sowie einen transparenten Handel. „Der Handel muss anders werden als heute üblich, wo Ware überwiegend über Schwarzmarktkanäle eingeführt wird, an denen Beamte und Unternehmer in der Ukraine wie auf der Krim verdienen“, so Dscheljalow. Er fügte hinzu, die Blockade sei kein offizieller Beschluss des Medschlis, dem aktuell 30 Personen angehörten. Bewohner der Krim hätten mit dieser Aktion überhaupt nichts zu tun. Hinter ihr stünden vielmehr Akteure, die sich „gezwungenermaßen oder freiwillig auf dem ukrainischen Festland“ aufhielten, so Dscheljalow.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko unterstützt die Aktion. Sie fördere, wie er sagte, eine baldige Wiederherstellung der staatlichen Souveränität der Ukraine über die Halbinsel. Ukrainische Grenzbeamte und das Innenministerium seien angewiesen, für die Einhaltung der Rechtsordnung zu sorgen und Provokationen zu unterbinden.
Der Vize-Premier der Krim Ruslan Balbek gibt sich im Gespräch mit RBTH gelassen. Unternehmen werde man nichts gegen die Blockade. Man werde lediglich versuchen, die Waren aus der Ukraine zügig durch Lieferungen aus Russland zu ersetzen. „Die Krim ist nicht abhängig von Importen aus der Ukraine, nur fünf bis sechs Prozent der Lebensmittel werden von dort eingeführt“, betonte er. Die Auswirkungen auf die Ukraine seien dagegen weitaus größer. Das gelte vor allem für das Gebiet Cherson. Dort sei der Absatzmarkt eng mit der Krim verflochten, vor allem bei Gemüsesorten wie Tomaten oder Gurken.
Der Leiter des Instituts für Wirtschaft der RAW Ruslan Grinberg teilt den Optimismus der offiziellen Vertreter auf der Halbinsel nicht: „Eine Substitution von Waren wird bereits vorangetrieben, jede beliebige Blockade führt eine weitere Inflation herbei, der Zusammenhang ist hier offensichtlich. Die Preise werden steigen.“
Doch lange wird die Blockade wohl nicht mehr dauern. „Daran sind weder die ukrainischen, noch die russischen Behörden und umso weniger die Regierung der Krim interessiert. In der Ukraine selbst stößt diese Aktion auf keine eindeutige Resonanz“, so der Leiter des ukrainischen Instituts für globale Strategien Wadim Karassew gegenüber RBTH. Das Hauptanliegen der Krimtataren, so seine Überzeugung, sei es gewesen, sich mit dem Thema Krim in der internationalen Politik wieder mehr Gehör zu verschaffen und Kiew zu einem entschlossenen Handeln zu bewegen.
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