Nach dem Vierergipfel: Frieden in kleinen Schritten

Experte glauben, dass Poroschenko in Paris keine hundertprozentige Unterstützung von seinen westlichen Partnern erhalten hat.

Experte glauben, dass Poroschenko in Paris keine hundertprozentige Unterstützung von seinen westlichen Partnern erhalten hat.

Reuters
Kurz nach dem Pariser Gipfeltreffen zur Ukraine-Krise hat im Donbass der Abzug von leichten Waffen begonnen. Die Maßnahmen zur Deeskalation müssen allerdings gleichzeitig mit politischen Schritten durchgeführt werden, wie sie in den Minsker Vereinbarungen vom Februar verankert sind. Doch sind die Konfliktparteien dazu bereit?

Die Vertreter der selbst ernannten Volksrepublik Lugansk bestätigten am Montag, dass der Rückzug von Kriegsgeräten mit einem Kaliber von weniger als 100 Millimetern von der Frontlinie seitens der Ukraine begonnen hat. Die Aufständischen hatten den Rückzug ihrer Waffen bereits am vergangenen Samstag eingeleitet. Diese Maßnahmen waren im Rahmen des Vierertreffens in Paris vergangene Woche vereinbart worden, dessen Ergebnis sich in einem Satz zusammenfassen lässt: Es gibt keine Alternative zu den Minsker Vereinbarungen.

Die Pariser Absprachen sehen Zugeständnisse von beiden Seiten vor, wie die Teilnehmer des Treffens bekannt gaben. Das betrifft vor allem die angekündigten Kommunalwahlen, die die Donbass-Region unabhängig von Kiew durchführen will. Davon wurde den selbst ernannten Volksrepubliken jedoch abgeraten und empfohlen, die Wahlen nach dem ukrainischen Gesetz durchzuführen. Kiew solle seinerseits ein Wahlgesetz verabschieden, das die Interessen der Aufständischen berücksichtigt, einen Sonderstatus für den Donbass in der Verfassung verankern und eine Amnestie für alle Kriegsteilnehmer verkünden.  

Eine Frage der inneren Stabilität

Sind die Parteien aber bereit zur Umsetzung dieser Vereinbarungen, die eigentlich eine Wiederholung der Minsker Vereinbarungen darstellen? Experten bezweifeln das; vor allem die Bereitschaft der ukrainischen Regierung sehen viele skeptisch. Zugeständnisse seien für die Volksrepubliken leichter, insbesondere hinsichtlich der Fristen und des Charakters der Wahlen.

„Für den Donbass ist es einfacher, den politischen Teil der Vereinbarungen umzusetzen, etwa die Wahlen zu verschieben. Für Kiew ist es die Frage der Beständigkeit des politischen Systems und der inneren Stabilität“, erklärt Maksim Bratewski, Analyst am Zentrum für europäische Studien an der Higher School of Economics, im Gespräch mit RBTH. Jewgeni Mintschenko, Leiter des Internationalen Instituts für politische Expertise, hält jedoch einen Kompromiss in der Wahlen-Frage für möglich. Man könne die Wahlen im Donbass mit Wahlkreisen organisieren, ohne dabei ukrainische und lokale Politiker zu involvieren, schlägt er vor.

Verweigert der Westen Poroschenko seine Unterstützung?

Der ukrainische Präsident hat nicht mehr so viel Spielraum, was den Donbass angeht, meinen Experten. „Es heißt, Poroschenko hätte in Paris keine hundertprozentige Unterstützung von seinen westlichen Partnern erhalten. Man hätte ihm zu verstehen gegeben, dass er die Minsker Vereinbarungen nicht aufsplitten dürfe. Es geht nicht, einige Punkte umzusetzen und andere nicht, ohne dabei den politischen Teil zu gefährden“, sagt Bratewski.

Auch Mintschenko meint, dass die Europäer Kiew nicht voll unterstützten; sie betrachteten die Situation derzeit eher kritisch. Er glaubt, dass Europa auf Poroschenko Druck ausüben wolle, damit er sein Wort halte. Mintschenko sieht darin eine Änderung der westlichen Haltung, was für ihn nachvollziehbar ist: „Präsident Poroschenko verspricht nur, aber hält sein Wort nicht“, begründet der Experte.

Poroschenko in einer schwierigen Lage 

Andrej Ermolajew, Leiter des Instituts für strategische Studien Nowaja Ukraina (Neue Ukraine), teilt diese Ansicht. Europa zwinge Poroschenko zum Handeln, sagt er, selbst wenn das die Ukraine in ernsthafte Turbulenzen führen könnte. Zwar glaubt der ukrainische Politologe, dass die Umsetzung des Pariser Plans zu einer Waffenruhe führen und so die russische Militärpräsenz im Donbass reduzieren könnte. Doch die angestrebte Autonomie dieser Region sei damit noch nicht vom Tisch.

„Nicht alle Mitglieder der heutigen Regierungskoalition sind an einer friedlichen, aber schwierigen Beilegung des Konflikts interessiert, etwa die sogenannte Partei des Krieges oder die Vertreter einer kleineren Ukraine, ohne den Donbass“, gibt Ermolajew zu bedenken. Und auch Poroschenko stellt seiner Meinung nach ein Problem dar: „Der Präsident selbst ist in einer schwierigen Lage. Bedauerlicherweise ist er weder konsequent, noch hat er einen klaren Plan in der Donbass-Frage“, kritisiert der Politologe. Zumindest sind sich die Experten einig: Neue Kämpfe im Osten der Ukraine seien eher unwahrscheinlich.

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