Das Treffen in Genf wurde unter anderem deshalb verschoben, weil keine Einigung darüber erzielt werden konnte, wer die syrische Opposition vertreten soll. Die nicht-islamistischen, aber radikalen Oppositionellen aus der Nationalen Koalition der Oppositions- und Revolutionskräfte Syriens, hinter denen Saudi-Arabien und Katar stehen, sind gegen eine Beteiligung der gemäßigten Opposition an den Gesprächen. Die Letztgenannte repräsentiert die Nationale Front für den Umbruch und die Befreiung. Dass deren Führer Qadri Dschamil ein Oppositioneller ist, bezweifeln seine Gegner jedoch, da Dschamil einst der Regierung Baschar al-Assads angehörte. Bei den Gesprächen werden daher aller Wahrscheinlichkeit nach beide Oppositionsgruppen – sowohl die „äußere“ als auch die „innere“ Opposition – als separate Delegationen vertreten sein. Sie werden während der Verhandlungen in getrennten Räumlichkeiten untergebracht. Mit einem Dialog dieser beiden Gruppierungen untereinander rechnet niemand. In diesem Fall aber droht das ganze Szenario der syrischen Regelung, das durch die Vereinten Nationen vereinbart wurde, zu kippen.
Ein weiteres Problem, das unbedingt gelöst werden muss und das im engen Zusammenhang mit dem vorhergehenden Punkt steht, ist die Bildung einer Koalitionsregierung, wie dies durch die Resolution des UN-Sicherheitsrats vorgesehen ist. Russische Experten weisen darauf hin, dass die Opposition aus der Nationalen Koalition keinen Rückhalt in der syrischen Gesellschaft hat. Die von den Saudis, Katar und dem Westen unterstützten Oppositionellen seien, so sehen es die Analysten, zwar dialogbereit, könnten aber keine politischen Entscheidungen treffen.
Die Frage über die Zukunft Assads spielt eine zentrale Rolle bei der Regelung der Syrienkrise. Der Westen und eine Reihe regionaler Akteure bestehen auch weiterhin auf dessen Rücktritt. Russland und der Iran hingegen setzen sich dafür ein, dass Assad vorerst in seinem Amt bleiben und das syrische Volk über die Zukunft seines Präsidenten entscheiden soll. Theoretisch wäre die Variante eines „kosmetischen“ Rücktritts des Machthabers möglich, bei der die Regierung durch einen anderen Vertreter der alawitischen Minderheit angeführt wird. Aber außer Assad gibt es derzeit keine akzeptable Führungspersönlichkeit in deren Reihen, die diesen ersetzen könnte.
Neben den Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und den USA in der Syrienfrage spielt auch das Verhältnis zum Iran eine wichtige Rolle. Selbst wenn Moskau und Washington sich über Assads Rücktritt einigen, heißt das noch lange nicht, dass diese Lösung auch vom Iran unterstützt werden wird. Teheran beabsichtigt nicht, Assad fallen zu lassen – in den vergangenen Jahren hat das Land sehr viel in Syrien investiert, da dies sein einziger regionaler Verbündeter ist. Gleichzeitig lehnt Riad das Assad-Regime auch weiterhin ab, wodurch eine Pattsituation entsteht.
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