Machtkampf in Kiew: Frieden nicht in Sicht

Der ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk.

Der ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk.

Reuters
Angesichts der Regierungskrise in der Ukraine bleibt es ungewiss, ob und wie die Machthaber in Kiew die Minsker Abkommen umsetzen und den Osten des Landes befrieden wollen. Es drohen gar neue Eskalationen.

Am Dienstag muss sich der ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk vor dem Parlament für die Arbeit seines Kabinetts verantworten – der Beginn einer neuen Phase der Regierungskrise in der Ukraine. Als mögliche Konsequenzen sind Jazenjuks Rücktritt, der Zerfall der Regierungskoalition und Neuwahlen im Gespräch. Auch für die russisch-ukrainischen Beziehungen und die Interessen Russlands werde eine Intensivierung der politischen Krise in Kiew nicht ohne Folge bleiben, meinen Experten.

Die Beziehungen beider Länder sind ohnehin bereits schwer angeschlagen. Kürzlich haben ukrainische Extreme die Straßen für russische Lastwagen blockiert, die die Ukraine als Transitstrecke nutzen. Russlands Verkehrsministerium antwortete mit einem Verbot für ukrainische Lkw, russisches Territorium zu befahren, woraufhin Kiew eine zeitweise Aufhebung der Transitrechte für in Russland zugelassene Lastwagen verkündete. Die durch die Sanktionen allemal geschwächten Wirtschaftsbeziehungen Russlands und Europas werden so zusätzlich belastet.

Und dennoch könnte sich das Verhältnis Russlands und der Ukraine mit dem zuspitzenden Machtkampf in Kiew noch weiter verschlechtern – „bis hin zu einem kompletten Abbruch aller Wirtschaftsbeziehungen“, mahnt Wladimir Jewseew vom Institut der GUS-Länder. Dann käme auf Russland – trotz der vorherrschenden russophoben Stimmung in der Ukraine – eine weitere Welle ukrainischer Arbeitsmigranten zu.

Die Sanktionen-Sackgasse

Der Direktor des Kiewer Instituts für Politik- und Konfliktforschung, Michail Pogrebinskij, stimmt dem zu: „Wenn sich vor dem Hintergrund heutiger politischer Wirren die sozio-wirtschaftliche Situation der Ukrainer weiter verschlechtert, könnte Russland von einer Flüchtlingswelle überschwemmt werden. Aufgrund eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten würde das Land schwer an dieser Last zu tragen haben“, sagte der ukrainische Experte im Gespräch mit RBTH.

Kiews politische Instabilität droht zudem die Umsetzung der Minsker Abkommen zu erschweren, wenn nicht gänzlich zu verhindern – die Regulierung des Konflikts im Donbass durch die ukrainische Regierung würde dadurch in noch weitere Ferne rücken.

Bekanntlich hat der Westen die Aufhebung der gegen Moskau verhängten Sanktionen an die Erfüllung der Minsker Abkommen geknüpft. Doch auch in einer günstigeren politischen Konjunktur habe es Kiew nicht geschafft, bei der Umsetzung der Vereinbarungen entscheidend voranzukommen, betonen Experten. Die im Friedensabkommen vorgesehenen Verfassungsänderungen seien erst in erster Lesung angenommen worden und steckten seit August auf halber Strecke fest. Daran werde sich so schnell nichts ändern, sind Experten überzeugt: „Um mit der Erfüllung der Abkommen zu beginnen, muss Kiew anfangen, direkt mit Donezk und Lugansk zu sprechen“, betont Jewseew. Vor diesem Hintergrund sei eine Aufhebung der Sanktionen nicht zu erwarten.

Flammen die Kämpfe wieder auf?   

Es sei auch nicht auszuschließen, dass im Donbass wieder gekämpft werde, wenn national-radikale Kräfte in Kiew an die Macht kämen, sagt Pograbinskij. Für Russland zögen die neuen Kämpfe erhöhten Druck seitens des Westens und höhere Ausgaben für die humanitäre Hilfe an die Zivilbevölkerung in den aufständischen ukrainischen Regionen nach sich.

Jedoch halten die meisten Experten eine solche Entwicklung für unwahrscheinlich – vielmehr würden die Ereignisse ohne spürbare Veränderungen weiterlaufen, lautet die allgemeine Einschätzung.

Die Koalition im Parlament werde bestehen bleiben – ganz gleich ob Jazenjuk seinen Posten abgeben müsse oder nicht, sagt Pawel Swjatenko vom unabhängigen Institut für nationale Strategie. Und vorgezogene Neuwahlen? Selbst wenn sie stattfänden, so bleibe unklar wann. „Und ganz gleich wer dem ukrainischen Kabinett vorsitzen wird, es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die neue ukrainische Regierung gegenüber Russland gut gestimmt sein wird“, fügt Swjatenko hinzu. Für den Experten ist klar: In einer solchen Lage wird die Ukraine auch ohne massive Einbrüche ihrem östlichen Nachbarn ständige Probleme bereiten.

Russland zieht den Stecker

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