Die Nato breitet sich nach Osten aus: Was bedeutet das für Russland?

Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa Philip Breedlove.

Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa Philip Breedlove.

Reuters
Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Philip Breedlove, hat angekündigt, dass die Nato in sechs osteuropäischen Ländern ihre Präsenz verstärken wird. Welche Folgen hat das für die Beziehungen zwischen Russland und der Nato? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Worum geht es?

Die Nato plant, ihre Präsenz entlang der Grenze zu Russland zu verstärken. Das US-Verteidigungsministerium will dazu ab Februar 2017 eine komplette Panzerbrigade nach Osteuropa verlegen. 4 500 Soldaten, 250 Panzer, Haubitzen, Kampffahrzeuge in großer Zahl und andere moderne Militärtechnologien sollen nach Angaben des Pentagon die Grenze zu Russland sichern.

2. Was sagt Russland zu den Plänen der Nato?

Russland äußert Sicherheitsbedenken, weil der Westen militärisch näher an die Landesgrenzen heranrückt. In den Erweiterungsplänen sieht die Russische Föderation eine Verschiebung des Kräftegleichgewichts in der Region.

3. Sind diese Bedenken neu?

Nein. Bereits im Oktober vergangenen Jahres reagierte die russische Regierung auf Tests des neuen US-amerikanischen Luftabwehrsystems in Europa. „Das soll keine Bedrohung für uns darstellen?“, kommentierte Russlands Präsident Putin damals spöttisch und gab gleich selbst die Antwort: „Natürlich tut es das. Das stellt die internationale Sicherheit auf den Kopf.“ Russland hat wiederholt angekündigt, auf Erweiterungspläne der Nato im europäischen Osten entsprechend zu antworten.

4. Wie könnte eine russische Antwort ausfallen?

Als Antwort auf Pläne, ein US-amerikanisches Raketenabwehrsystem in Europa einzurichten, gab Russland bekannt, das eigene Abwehrsystem Iskander M in das Verwaltungsgebiet Kaliningrad, eine russische Enklave zwischen den Nato-Mitgliedstaaten Polen und Litauen, zu verlegen. Seit 2010 modernisiert Russland seine Streitkräfte. Bis 2022 sollen dafür trotz Krise mehr als 260 Milliarden Euro investiert werden.

Im vergangenen Jahr trat Russland aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) aus. Das Abkommen, das von 16 Nato-Mitgliedstaaten sowie sechs Ländern des Warschauer Vertrages unterzeichnet wurde, regelt die Obergrenzen für die Anzahl konventioneller Waffen. Bereits seit 2007 hatte sich Moskau jedoch bereits aus dem Vertrag zurückgezogen und seither militärische Informationen kaum noch öffentlich gemacht.

5. Gibt es konkrete Pläne?

Russlands Nato-Botschafter Alexander Gruschko sagte, Russland ergreife regelmäßig militärische Maßnahmen, um die „durch nichts gerechtfertigte“ verstärkte Präsenz des Bündnisses in Osteuropa auszugleichen. Er wies zudem darauf hin, dass die Allianz Verteidigungsausgaben in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar habe, was 51 Prozent der weltweiten Verteidigungsausgaben entspreche.

Sollte der US-Raketenschild mit SM-3-Raketen in Europa stationiert werden, werde auch Iskander M dauerhaft in Kaliningrad stehen, betont Alexej Arbatow, Leiter des Zentrums für internationale Sicherheit am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen und Experte am Moskauer Carnegie-Zentrum.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu kündigte darüber hinaus bereits an, im russischen Westen zwei neue Divisionen mit einer Truppenstärke von bis zu 13 000 Soldaten in Friedenszeiten und eine Panzerarmee aus 500 Kampffahrzeugen und 300 Schützenpanzern aufzubauen. 

6. Wo könnte das hinführen?

Laut Arbatow wollen die USA ab 2020 ein Modernisierungsprogramm für taktische und nukleare Waffen starten. Im selben Jahr würde der New-Start-Vertrag über die Begrenzung von strategischen Angriffswaffen enden. Über ein neues Abkommen werde wohl nicht verhandelt, weshalb man ein unkontrolliertes Wettrüsten erwarten könne, meint der Experte.

Indien und Pakistan rüsten mittlerweile ebenfalls auf. Auch China verstärkt sein Arsenal in allen Bereichen. Und Nordkorea soll bereits mehr als zehn nukleare Munitionseinheiten gebaut haben und Tests durchführen, wie Ziele in Washington und Moskau erreicht werden könnten.

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