Die fiktive Dokumentation „Dritter Weltkrieg: In der Kommandozentrale“ des britischen Fernsehsenders BBC beginnt so: Menschen, die „Russland! Russland!“ skandieren, nehmen das Verwaltungsgebäude der lettischen Stadt Daugavpils ein und fordern ein Referendum über den Status von Lettgallen. In der Region im Osten Lettlands lebt eine russischsprachige Minderheit.
Eine Parallele zur Ostukraine ist mehr als offensichtlich. Erinnerungen an die Bilder aus Donezk und Lugansk Anfang des Jahres 2014 werden wach. Der Film stellt die hypothetische Frage, was passieren würde, wenn sich das Donbass-Szenario in einem Nato-Mitgliedsland wiederholte. Denn dann müsste die Nato vertragsgemäß eingreifen.
Russische Experten sind sich einig: Im Vergleich zum Donbass gibt es in Lettgallen niemanden, der die lettische Flagge vom Rathaus reißen und mit der lettischen Polizei kämpfen würde.
„In Lettland gibt es nicht so viele prorussische Kräfte wie auf der Krim oder im Donbass. Die dortige Bevölkerung hat sich, wie auch in den anderen baltischen Ländern, für Europa entschieden“, kommentiert der Militärexperte Konstantin Siwkow.
Wladimir Kolossow, Präsident der Internationalen Geographischen Union und Experte für politische Geographie, teilt diese Meinung. Er vertritt die Auffassung, dass die ethnischen Russen in Lettland, Litauen und Estland ihren Regierungen gegenüber loyal seien.
„Weder in Lettland noch in den anderen baltischen Ländern gab es jemals ausgeprägte prorussische Parteien und Bewegungen. Alle Russen, die zurück nach Russland wollten, sind noch in den 1990er-Jahren dorthin umgezogen. Diejenigen, die blieben, sind mit ihrem Leben zufrieden“, erklärte Kolossow gegenüber RBTH. Der Experte spricht von einem Phänomen. Die „baltischen Russen“ möchten zwar einerseits ihre russische Identität bewahren, würden sich aber andererseits gleichzeitig als Bürger eines anderen Landes wohlfühlen und wollten nicht unbedingt in Russland leben.
Im Laufe des BBC-Films müssen beide Seiten, Russland und die Nato, den Druck in diesem gefährlichen Spiel erhöhen. Der britische Militärrat versucht den Nato-Prinzipien der kollektiven Verteidigung treu zu bleiben und einen Atomkrieg zu verhindern. Aufgrund der gegenseitigen Eskalation kommt es zum Schlimmsten und die Filmhelden erwarten einen Raketenangriff auf London.
Militärexperte Siwkow schätzt ein, dass die Allianz Russland abgesehen vom nuklearen Potenzial militärisch überlegen sei. Bei einer direkten Konfrontation mit konventionellen Waffen würde sein Land den Kürzeren ziehen. „Aber was kommt danach? Stellen Sie sich vor, die Nato-Truppen zerschlagen die russische Armee und ziehen ins Innere des Landes. Natürlich würde der Kreml Atomwaffen einsetzen“, gibt der Experte zu bedenken. Insofern sei es den Nato-Staaten durchaus bewusst, dass eine Konfrontation mit Russland sinnlos ist, versichert Siwkow.
"World War Three: Inside the War Room" / BBC.
Ein russischer Angriff auf die Nato würde das Land in eine Katastrophe führen, setzt Siwkow seine Überlegungen fort. Auf einen theoretischen Atomschlag Russlands würde eine Antwort folgen, die auch nuklear wäre. Die Handlung des Films ist seiner Meinung nach unglaubwürdig, weil die Russen im Gegensatz zu den Briten als rücksichtslos dargestellt würden. Dabei sei dem Kreml durchaus bewusst, dass es unmöglich ist, einen Krieg gegen die Nato zu gewinnen. Schon deshalb würde man einen solchen Konflikt nicht eskalieren lassen.
Derselben Meinung ist der Präsident der Akademie für geopolitische Probleme Leonid Iwaschow: „Der gegenseitige Atomangriff ist der unglaubwürdigste Teil des Films. So weit gehen weder Moskau noch der Westen. Zudem, so Iwaschow, sei der Nahe Osten aufgrund des herrschenden Bürgerkriegs in Syrien und der angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Türkei viel gefährlicher als das Baltikum.
Der Kreml bezeichnete die Dokumentation als eine „Produktion von niedriger Qualität“. Es sei „vertane Zeit, sich den Film anzusehen”, kommentierte Präsidentensprecher Dmitri Peskow.
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