Wahlen im Donbass: Ein Risiko für den Konflikt in der Ukraine

Am 18. Oktober und 1. November werden Kommunalwahlen in Donezk und Lugansk stattfinden.

Am 18. Oktober und 1. November werden Kommunalwahlen in Donezk und Lugansk stattfinden.

EPA
Die Anführer der selbsternannten Volksrepubliken im Südosten der Ukraine haben angeordnet, Kommunalwahlen durchzuführen und sich dabei nicht an den Wahlen in der Ukraine zu orientieren. Laut Experten könnten diese Wahlen in einem eingefrorenen Konflikt und der Verlängerung der Sanktionen gegen Russland münden.

Die Anführer der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk haben einen Erlass verabschiedet, nach dem in den Republiken am 18. Oktober und 1. November Kommunalwahlen stattfinden werden. Die Vertreter der Volkswehr behaupten, diese würden nicht gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen.

Die Wahlen sollen in mehreren Etappen durchgeführt und 2016 abgeschlossen werden. Die Durchführung von Wahlen in den abtrünnigen Gebieten gehört zu den wichtigsten Punkten der Minsker Vereinbarungen, die auf eine friedliche Beilegung des Konflikts abzielen. Die Details müssen allerdings vorab von den Parteien im Rahmen eines Verhandlungsprozesses geklärt werden. Dies war bisher noch nicht der Fall. Die Wahlen müssen außerdem entsprechend den ukrainischen Gesetzen und den Bestimmungen einer Sonderregelung über den Status des Donbasses durchgeführt werden.

Kiew jedoch beschloss, dass diese Sonderregelung nicht vor – wie es die Minsker Vereinbarungen vorsehen –, sondern erst nach den Wahlen in Kraft treten werde. Und das auch nur, wenn die Wahlen die Bedingungen der ukrainischen Seite erfüllten. Die Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken zeigen sich damit nicht einverstanden, weil ihre Autorität in diesem Szenario untergraben werde. Laut Medienkonzern RBK bestehen sie auf der in den Minsker Vereinbarungen vorgesehenen Abfolge: Kiew muss zuerst das neue Wahlgesetz verabschieden und danach müssen die neuen Regelungen über den Sonderstatus der Region, die Verfassungsreform und eine Amnestie in Kraft treten. Auf dieser Basis seien die Vertreter bereit, einen Kompromiss über die Wahlen auszuhandeln, die die von Kiew gestellten Bedingungen erfüllen.

Beitrag zum Staatsaufbau

In einem Kommentar zur von den Anführern der selbsternannten Volksrepubliken getroffenen Entscheidung drohte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, und verglich die bevorstehenden Wahlen mit den „Pseudowahlen“, die am 2. November 2014 abgehalten worden waren. Darin sehe er die Ursache für die Eskalation des Konflikts im vergangenen Jahr und das Scheitern der Minsk-I-Vereinbarungen vom September 2014.

Alexander Sachartschenko, Anführer der selbsternannten Volksrepublik Donezk, betonte die hohe Bedeutung der Kommunalwahlen für die Formierung eines Staates. „Diese Wahlen bedeuten die letzte Etappe beim Staatsaufbau. Sie symbolisieren die Grundsteinlegung und jetzt werden wir die Wände und ein Dach bauen. Indem wir diese Wahlen durchführen, werden wir zeigen, dass wir ein erfolgreicher und selbständiger Staat sind“, sagte Sachartschenko. Er betonte, dass die Wahlen fair und demokratisch sowie in Anwesenheit von Beobachtern stattfinden würden.

Wahlen sind möglicher Verhandlungsgegenstand

Obwohl das Datum der Wahlen bereits bekanntgegeben wurde, scheint ein Kompromiss zwischen den selbsternannten Volksrepubliken und Kiew dennoch weiterhin möglich. Experten legen große Hoffnungen in das am 2. Oktober stattfindende Treffen im Normandie-Format in Paris, an dem die Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Ukraine sowie die deutsche Bundeskanzlerin teilnehmen werden. Andrej Susdalzew, stellvertretender Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und -politik an der Higher School of Economics, bezeichnet die Wahlen als einen Verhandlungsgenstand für die Vierergruppe. Diese Frage sei für Kiew besonders wichtig und könne eventuell neue Sanktionen gegen Russland verursachen. Wenn man sich bezüglich der Wahlen verständigen könne, dann würde das den Konflikt langfristig entschärfen und einen Abzug der Truppen befördern. Aber auch wenn man sich nicht einigen könne, sei keine neue Eskalation zu erwarten, denn diese wäre sowohl für die Ukraine als auch für Russland verheerend. Dann aber werde der Konflikt auf jeden Fall eingefroren, genauso wie der Konflikt in Transnistrien. Dort existiert schon seit mehr als 20 Jahre ein nicht anerkanntes Staatsgebilde.

Verlängerung der Sanktionen möglich

Wadim Karasew, ukrainischer Politikwissenschaftler und Leiter des ukrainischen Instituts für globale Strategien, meint in Bezug auf das bevorstehende Treffen in Paris, dass es noch möglich sei, die Wahlen gemäß dem ukrainischen Gesetz durchzuführen. Sollte das Gegenteil eintreten, prognostiziert der Experte eine Wiederholung des Transnistrien-Szenarios: „Wenn die Vertreter der Volksrepubliken die Wahlen doch selbst organisieren werden, bedeutet dies das Scheitern der Minsker Vereinbarungen und ein Einfrieren des Konfliktes. Was der Verstoß gegen die Vereinbarungen bedeutet, ist eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland Ende Januar. Die Ukraine wird die Kontrolle über die Grenze nicht aufgeben und es wird eine Demarkationslinie entstehen. Es ist eine exakte Kopie des Transnistrien-Szenarios.“

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