Gernot Erler: Auch in Krisenzeiten Dialog führen.
DPAMeinungsumfragen werden in Deutschland mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht. So legte das Heidelberger Sinus-Institut an diesem Dienstag eine Jugendstudie vor, die deutschlandweit große Aufmerksamkeit fand. Weniger mediales Aufsehen erregte die am gleichen Tag in Berlin vorgestellte Meinungsumfrage zu Russland, die von der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem polnischen Institut für öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych, ISP) im März durchgeführt worden war. Die Mehrheit (64 Prozent) der befragten 1 000 Deutschen halte „Russland unter Wladimir Putin“ nicht für einen zuverlässigen Partner, so ein Ergebnis. Die kritischere Haltung gegenüber Russland würde aber auch nicht zum Wunsch nach einer engeren Kooperation mit den USA führen. Drei Viertel der Befragten bewerten die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) sehen in Russland jedoch keine militärische Bedrohung. Insgesamt würden die Deutschen größtenteils positiv über die Russen denken.
In dem Bericht zur Studie ist zu lesen, „dass die Deutschen einerseits kritisch dem Russland unter Putin gegenüberstehen, sie aber andererseits in vielen relevanten Fragen der russischen Politik eher gespalten sind“. In manchen Antworten werde „ein deutlicher Unterschied“ in der Haltung der Befragten aus Ost- und Westdeutschland sichtbar. Die Ostdeutschen würden eher dazu neigen, „Putins Russland zu vertrauen“.
In der äußerst lebhaften Diskussion ging es zunächst noch um die Methodik und den Fokus der Meinungsumfrage, bald jedoch vor allem um die Zukunft der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Auf die Frage, warum gerade ein polnisches Institut Partner bei einer Umfrage unter Deutschen zu Russland sei, antwortete die Vertreterin der Bertelsmann Stiftung, das sei schon seit längerem so, das IPS wäre nun mal „ein natürlicher Partner“. Und welche Rolle spielten die deutschen Leitmedien mit ihrer Meinungsmache gegen Russland? Um das zu erfragen, habe es leider weder genug Geld noch Zeit gegeben, so die Mitarbeiterin der Stiftung.
Auch Erler bedauerte, dass die Anregung von Außenminister Steinmeier, Russland wieder in die G8 aufzunehmen, bisher nicht aufgegriffen wurde. Nun müsse es auch endlich zu Gesprächen zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion kommen. In Moskau stünden dafür alle Türen offen. Davon habe er sich bei seinem jüngsten Besuch überzeugen können.
Eine Erklärung, warum die Studie zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchgeführt und publiziert wurde, könnte sich in ihrer Einführung finden: In den letzten Monaten sei die Berichterstattung in den deutschen Medien über die Kämpfe im Donbass hinter die Nachrichten über die langsamen Reformfortschritte in Kiew zurückgetreten. „Russlands Rolle in der Ukraine“ stünde nun weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Möchte man die Diskussion neu entfachen?
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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