Beziehungen zur Ukraine: Ein Ende der Eiszeit?

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit Nadija Sawtschenko.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit Nadija Sawtschenko.

Reuters
Der Tausch der ukrainischen Pilotin Nadeschda Sawtschenko gegen die beiden Russen Alexander Alexandrow und Jewgeni Jerofejew, die im bewaffneten Konflikt im Donbass aktiv waren, wird von vielen als Zeichen einer bevorstehenden Besserung in den Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine gewertet. RBTH geht dieser Vermutung auf den Grund: Wie könnten sich die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew nun entwickeln?

Nadeschda Sawtschenko, die fast zwei Jahre in russischer Haft war, kehrte am vergangenen Mittwoch als Nationalheldin in die Ukraine zurück. Am selben Tag durften die in der Ukraine verurteilten russischen Staatsbürger Alexander Alexandrow und Jewgeni Jerofejew in die Heimat ausreisen. Was bedeutet dieser Gefangenenaustausch für die russisch-ukrainischen Beziehungen und was passiert als nächstes? RBTH stellt verschiedene Szenarien vor:

Szenario 1: Verbesserte Beziehungen durch Frieden im Donbass

Einige jener Beobachter, die glauben, dass eine Besserung der russisch-ukrainischen Beziehungen in Sicht sei, vermuten hinter dem Gefangenenaustausch politisches Kalkül. Es könne Teil eines im Rahmen der Minsker Gespräche ausgehandelten Maßnahmenpakets zur Lösung des Konflikts im Donbass sein. Für Andrej Jermolajew, Kiewer Politologe und Direktor des Instituts für Strategische Forschungen Nowaja Ukraina, ist der Austausch ein Zeichen für die tatsächliche Umsetzung des Minsker Abkommens sowie einer inoffiziell getroffenen Vereinbarung zur Beendigung des Konflikts im Donbass.

Der Experte erwartet, dass nun Äußerungen beider Seiten über die Beilegung des Konflikts folgen. Bereits im Hintergrund getroffene Vereinbarungen könnten öffentlich verkündet werden. Zu diesen könnten zählen:

  • ein dauerhafter Waffenstillstand;
  • die Einrichtung von Grenzkontrollen zwischen dem Donbass und der Russischen Föderation unter Beteiligung der OSZE;
  • eine Erklärung über den Status des Donbass nach Beendigung des Konflikts;
  • die Organisation von Wahlen in den abtrünnigen Republiken;
  • die Schaffung eines Formats für einen dauerhaften Dialog zwischen Russland und der Ukraine

Diese Maßnahmen müssten jedoch vom ukrainischen Parlament genehmigt werden, selbst wenn die Staatschefs diese bereits vereinbart hätten. In der Rada gibt es viele Hardliner, die sich gegen jegliche Zugeständnisse an die abtrünnigen Republiken aussprechen. Jermolajew glaubt jedoch, dass man die Abgeordneten überzeugen könne. Dafür sei es nötig, dass sich alle Parteien des Friedensprozesses aktiv beteiligten und mit den Parlamentariern arbeiteten. Ein Fortschritt im Donbass würde die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew radikal ändern, glaubt Jermolajew.

Szenario 2: Alles bleibt beim Alten

Nicht alle Experten halten einen solchen Optimismus für gerechtfertigt. Kiew sei bezüglich des Donbass kaum kompromissbereit, glaubt Boris Schmeljow, Leiter des Zentrums für Politische Forschung am Wirtschaftsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Mit der Unterzeichnung der Minsker Abkommen habe sich Poroschenko in eine Sackgasse manövriert, weil eine Umsetzung für ihn extrem schwierig, eventuell gar unmöglich sei. Selbst wenn er es schaffe, die notwendigen Gesetze durch das Parlament zu bringen, würde dies eine neue politische Krise mit unabsehbaren Folgen auslösen. Es sei möglich, dass der Prozess in Neuwahlen enden und damit noch radikalere Politiker hervorbringen könnte.

Besonders schwer mache es Poroschenko, dass in der Ukraine nicht nur Parlamentarier antirussisch eingestellt seien, sondern auch der überwiegende Teil der Bevölkerung. Die Menschen im Land hätten sich eine entsprechende Meinung bilden können. Daher glaubt Schmeljow, dass der Austausch nicht zu einer Besserung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine führen werde.

Szenario 3: Abbruch aller Beziehungen

Das dritte Szenario geht ebenfalls davon aus, dass der Austausch von Gefangenen keine positiven Folgen mit sich bringen wird. Vielmehr sei eine weitere Verschlechterung der Stimmung zwischen Russland und der Ukraine bis hin zu einem vollständigen Abbruch der Beziehungen denkbar. Grund könnten laut Schmeljow wiederaufflammende Kämpfe im Donbass sein: Sollte Russland direkt oder indirekt tiefer in den bewaffneten Konflikt gezogen werden, dürften die Beziehungen nicht zu retten sein.

Juri Korgonjuk, liberaler Experte von der unabhängigen Stiftung Indem, ist der Meinung, dass die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew gar nicht schlechter werden können. Kiew sei nicht an einem kompletten Abbruch der Beziehungen interessiert, da die Ukraine immer noch stark von Russland abhängig sei. Dies gelte ebenfalls für den Konflikt im Südosten der Ukraine, weil ein Teil des Donbass unter russischer Kontrolle stünde. Der Experte bezweifelt die Unabhängigkeit der Republiken Donezk und Lugansk und glaubt, dass der Schlüssel zur Lösung des Konflikts in Moskaus Händen liege.

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