Korruption: Ist Ex-Oppositionspolitiker Belych in eine Falle getappt?

Reuters
Nikita Belych, Gouverneur der russischen Oblast Kirow, steht unter Korruptionsverdacht. Der Mann soll 400 000 Euro von einem deutschen Unternehmer angenommen haben. Der Spitzenbeamte beteuert seine Unschuld. Und die Tatumstände werfen Fragen auf.

Am vergangenen Freitag reiste Nikita Belych zu einem vertraulichen Treffen nach Moskau. Eigentlich wollte er noch am selben Tag die Heimreise antreten – zurück nach Kirow, 790 Kilometer nordöstlich der russischen Hauptstadt. Doch es kam anders. Beim Abendessen in einem Restaurant wurde der Gouverneur festgenommen. Der Vorwurf: Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von 400 000 Euro. Schnell machten in den russischen Medien Fotos von Belychs verdutztem Gesicht neben gebündelten Euro-Scheinen auf dem Tisch die Runde. Das russische Ermittlungskomitee (SKR) hat unverzüglich Strafermittlungen aufgenommen.

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Der deutsche Geschäftsmann und Eigentümer der Skifabrik NLK, Juri Sudheimer, habe dem Gouverneur die Geldbündel im Moskauer Restaurant überreicht, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax. Im Gegenzug sollte Nikita Belych laut Ermittlern dem Unternehmen „allgemeine Protektion“ erweisen. Der SKR-Sprecher Wladimir Markin erklärte, der Gouverneur der Oblast Kirow habe die Geldsumme im Gegenzug für die Protektion zweier in der Region ansässiger Unternehmen erhalten. Das Gericht hat eine zweimonatige Untersuchungshaft für den Tatverdächtigen angeordnet. Eine acht- bis fünfzigjährige Freiheitsstrafe droht Belych, sollte das Gericht ihn für schuldig befinden.

Fragliche Umstände

Belych beteuert indes seine Unschuld. Gleichwohl bestreitet er nicht, den Betrag tatsächlich erhalten zu haben. Das Geld sei für die Belange der Stadt Kirow bestimmt gewesen, sagte er den Ermittlern. Noch nie habe er Bestechungsgelder angenommen, betonte der Gouverneur, der beabsichtigt, dies auch gerichtlich zu beweisen.

Wozu hätte ein derart hoher Spitzenbeamter auch persönlich bei der Geldübergabe anwesend sein müssen, sollte es sich wirklich um Bestechung handeln? Das fragt sich unter anderem der Politologe Waleri Chomjakow, Leiter des Rats für Nationale Strategie, einer Vereinigung von Wissenschaftlern. Nikita Belych kennt er persönlich. „Er ist ein gebildeter Mensch. Auf eine solche Dummheit hätte er sich nicht eingelassen, wäre es wirklich Bestechung“, ist der Experte überzeugt.

Belychs Aussage, wonach das Geld angeblich für die Erfordernisse der Stadt bestimmt gewesen sei, erwecke jedoch auch Verdacht, betont Jewgeni Mintschenko, Vorsitzender des Ausschusses für Polittechnologie. „Belychs Erklärung, das Geld sei ihm angeblich für die Stadtbelange überreicht worden – in einem Moskauer Restaurant, eine riesige Summe in Bar – klingt noch weniger plausibel als die Version der Ermittler. In solchen Fällen werden Stiftungen gegründet und die Beträge überwiesen“, erklärt Mintschenko RBTH.

Ehemaliger Oppositioneller

Nicht zuletzt seiner politischen Karriere wegen sorgte die Festnahme des Gouverneurs für öffentliche Aufregung. Im Unterschied zu anderen Regionalchefs ist Belych kein Spross der Regierungspartei Einiges Russland. Im Gegenteil: Zwischen 2005 und 2008 war er Vorsitzender der Union rechter Kräfte, einer liberalen Oppositionspartei, der auch Boris Nemzow und – damals noch unbedeutend – Alexej Nawalny angehörten. Dieser beriet Belych sogar in dessen Amt als Gouverneur.

Doch 2008 trat Nikita Belych aus der Oppositionspartei aus und wurde vom damaligen russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew zum Gouverneur der Oblast Kirow ernannt. In diesem Amt erwies er sich als loyaler Politiker – durch Unterstützung Medwedjews und später von dessen Amtsnachfolger Putin.

Der Fall um Nikita Belych wirft Fragen auf. Foto: ReutersDer Fall um Nikita Belych wirft Fragen auf. Foto: Reuters

Einige Analysten meinen, der Schlag gegen Nikita Belych sei politisch motiviert und hänge mit seiner Vergangenheit zusammen. „Als ein Liberaler an der Macht war Belych ein bequemes Opfer. Er hatte zwar ein hohes Amt inne, war im politischen System jedoch fremd“, schrieb der Journalist Andrei Perzew für das Moskauer Carnegie Center. Mit Belychs Festnahme wolle die Führung ihre Entschlossenheit im Korruptionskampf demonstrieren, ohne jedoch die Mitglieder des Einigen Russland unter den Gouverneuren anzutasten, meint der Beobachter.

Chomjakow vom Rat für Nationale Strategie sieht das anders. Belych sei absolut loyal gewesen, im Kreml habe es keine Pläne gegeben, ihn aus dem Weg zu schaffen. „Man kann nicht sagen, dass Belych ein Liberaler unter den Gouverneuren war“, sagte der Ratsdirektor RBTH. Er habe aufgehört, ein Liberaler zu sein, nachdem er an die Macht gekommen sei. „Er hat alle Initiativen des Kremls mitgetragen, war einer der ersten Regionalchefs, die die Krim nach der Angliederung besuchten. Er stand niemandem im Weg. Feinde hatte er auf föderaler Ebene keine“, glaubt Chomjakow.

Nun hänge sein Schicksal an den Reaktionen aus dem Kreml, fährt der Experte fort. „Ein wichtiger Indikator: ob Wladimir Putin Belych absetzt und wie schnell das geschieht“, erklärt er. Noch sei unklar, wie die Geschichte endet. Noch habe Belych eine Chance auf Freilassung – „wenn auch eine sehr geringe“, resümiert Chomjakow.

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