Sein neuer Posten als Duma-Vorsitzender könnte die Bewährungsprobe sein.
Ria NovostiDie Gerüchte, dass Wjatscheslaw Wolodin in die Duma wechseln würde, sickerten vor Langem schon durch, wenngleich sein Vorgänger auf dem Duma-Vorsitz, Sergej Naryschkin, bis zuletzt signalisierte, an seinem Mandat festhalten zu wollen. Zwei Tage vor dessen Ernennung zum Chef des Auslandsgeheimdienstes SWR spekulierte er im staatlichen Fernsehen über künftige Duma-Debatten und Ausschüsse. Nun ist Naryschkin per Präsidentenerlass Chef der Auslandsspionage.
Das russische Unterhaus hat unter dem Vorsitz seiner beiden letzten Präsidenten an politischem Gewicht eingebüßt: Im Grunde bestätigte die Duma die Gesetzentwürfe von Präsident und Ministerkabinett. 2003 übernahm Boris Gryslow den Vorsitz. Sein Verständnis von Parlamentsarbeit brachte er unverblümt auf den Punkt: „Die Duma ist kein Ort für Diskussionen“, stellte er damals klar. Und seit dem Vorsitz von Sergej Naryschkin haftet dem russischen Parlament zudem das Image eines „durchgeknallten Papierdruckers“ an, weil die Abgeordneten hastig viele restriktive Gesetze verabschiedeten.
Wolodin sei direkt und unnachgiebig, heißt es. Vielleicht könnte das helfen, den ramponierten Ruf der Duma wieder aufzupolieren. Vielleicht aber dient das neue Amt nur Wolodins persönlichem Ansehen, weil Machtkämpfe angesichts der jüngst erworbenen absoluten Mehrheit der Regierungspartei Einiges Russland nicht sonderlich notwendig sind.
2010 wechselte er in die Regierung, wurde Vize-Premier und Leiter des Regierungsamts. 2011 ging er ins Präsidialamt, wo er den ersten Vize-Chef Wladislaw Surkow ablöste. Surkow blieb der Präsidialverwaltung als technokratischer Virtuose in Erinnerung – Wolodin positionierte sich von Anfang an als direkter Pragmatiker.
Als erster Vize-Chef des Präsidialamts verantwortete er die Innenpolitik des Präsidenten – ein keineswegs populäres Amt, von dem jedoch direkt die Staatsrhetorik ausgeht.
Wolodins Arbeit lässt sich an den jüngsten Duma-Wahlen messen. Die Parlamentswahlen von 2011 wurden vom Erstarken der Bolotnaja-Bewegung begleitet – bei den diesjährigen Duma-Wahlen holte keine der Oppositionsparteien mehr als zwei Prozent. Unter Wolodins Kuratorium wurde die Verfassung zwei Mal geändert, der Verleumdungs-Paragraph wurde wieder ins Strafgesetzbuch aufgenommen und die Strafen für die Verletzung von Versammlungsgesetzen drei Mal verschärft. Zudem wurden NGOs, die Gelder aus dem Ausland erhalten, dazu verpflichtet, sich als Auslandsagent registrieren zu lassen und zusätzliche Steuern abzuführen. Außerdem hat die Zahl orthodoxer Aktivisten im Staatsapparat zugenommen, traditionelle Werte wurden zur Staatsräson.
Angesichts der Vita von Wjatscheslaw Wolodin drängt sich die Frage auf: Wozu braucht man in der Duma einen solchen Hardliner?
Eine mögliche und recht banale Erklärung: Die Duma muss den Ruf des „durchgeknallten Papierdruckers“ loswerden. „Wenn die Duma erstarkt, wird ihre Medienpräsenz zunehmen“, sagt der Politologe Konstantin Kalatschew. Für den Experten bedeutet die niedrige Wahlbeteiligung bei den jüngsten Wahlen nichts anderes, als dass die Wähler nicht wüssten, wozu sie neue Abgeordnete bräuchten. Daher sei es wichtig, den Wählern die Duma-Arbeit näherzubringen – besonders im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2018. Zahlreiche andere Beobachter sind sich sicher, dass das Amt des Duma-Vorsitzenden eine Art Casting für die Rolle des künftigen Präsidenten sei.Putin gab bislang keine klare Antwort, ob er noch einmal kandidieren wird. In einem Bloomberg-Interview sagte er, sein Nachfolger müsse jung, aber erfahren sein. Jüngste Ernennungen lassen darauf schließen, dass die Suche nach dem Nachfolger läuft. Dmitrij Medwedjew hat seine Chancen darauf offensichtlich verspielt, weil er sich in seiner Amtszeit als Präsident in der Außenpolitik übermäßig souverän zeigte und als Premier nur mäßig punktete. Wenn Wolodin also Ambitionen für das Amt des Präsidenten hegt, dann steht ihm jetzt die entscheidende Bewährungsprobe bevor. Als Technokrat sucht er seinesgleichen – ein Staatsoberhaupt muss aber auch Volk und Medien überzeugen können.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Russia Direct. Jekaterina Grobman ist Journalistin der russischen Tageszeitung „Kommersant“.
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