Der liberale Alexander Van der Bellen wird neuer Präsident Österreichs.
DPA / Vostock-photoÖsterreich, ein Land, das dazu beigetragen hat, dass der Rechtspopulismus in Europa wieder salonfähig geworden ist, ließ am Sonntag die Liberalen und traditionellen Konservativen ganz Europas erleichtert aufatmen. Norbert Hofer, 45-jähriger Kandidat der rechtspopulistischen Freiheitspartei (FPÖ), unterlag dem 72-jährigen Wirtschaftsprofessor und ehemaligen Vorsitzenden der österreichischen Grünen Alexander Van der Bellen.
Obwohl die offizielle Stimmenauszählung erst in ein paar Tage abgeschlossen sein wird, räumte Hofer seine Niederlage bereits ein und gratulierte Van der Bellen am Sonntag kurz nach 17 Uhr zu dessen Sieg. Laut einer vom Sender „ORF“ am Sonntagsabend vermeldeten Hochrechnung gewann Van der Bellen mit 53,3 Prozent der Stimmen, während Hofer 46,7 Prozent erhielt. Die Wahlbeteiligung lag bei 74 Prozent.
Wie auch überall sonst im Westen, war Russland ein hervorstechendes Thema im Wahlkampf, weil es die Kräfte, die sich gegen das Establishment positionieren, gerne aufgreifen, um sich von den herrschenden Eliten abzuheben. Die gegen Russland verhängten Sanktionen erfreuen sich in der Bevölkerung schließlich keiner besonderen Unterstützung.
Hofer sprach sich mehrfach für eine zukünftige Anerkennung der Krim als Teil Russlands aus. Er erklärte, dass die Sanktionen der Europäischen Union aufgehoben werden müssten, und versprach, Russland auf einer seiner ersten Auslandsreisen zu besuchen. Van der Bellen, dessen Familie einst Teil des russischen Adels war, unterschied sich in Bezug auf Russland nur im Ton und in den Details von Hofer. Das Problem der Krim müsse durch einen Vertrag zwischen Moskau und Kiew gelöst werden, sagte er. Währenddessen betonte er, wie wichtig es für Österreich sei, gleichwertige Beziehungen zu Russland und den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten. Auch wenn er sich bezüglich der Sanktionen prinzipiell ebenso kritisch äußerte, kleidete er diese Kritik doch in viel vorsichtigere Worte und betonte, dass es bei einer Lösung auch Fortschritte in der Beseitigung der Ukraine-Krise bedürfe.„Van der Bellen gehört zu jenen Menschen, die Russlands Bedeutung für das moderne Europa sehr gut bewerten können, und so wird er auch versuchen, gute Beziehungen zu diesem Land aufzubauen“, erzählte der ÖVP-Politiker Franz Fischler, bis 2004 EU-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei und heute Präsident des Europäischen Forums Alpbach, gegenüber Journalisten im Pressezentrum der Wahlleitung.
Der Sieg Alexander Van der Bellens sei international betrachtet von zweifacher Bedeutung, sagte Fischler. „Es ist, besonders für Europa, ein klares Zeichen, dass der Einfluss der rechtsgerichteten Parteien beschränkt ist und wir uns nicht automatisch auf eine Situation hinentwickeln, in der wir immer mehr rechtsgerichtete Regierungen sehen“, so der Politiker. „Das zweite, auch sehr wichtige Signal, ist, dass Österreich in vielen Teilen der Welt immer noch als ein Land angesehen wird, das mit seiner Nazivergangenheit noch nicht ganz abgeschlossen hat. Jetzt aber, würde ich sagen, ist dieses Ergebnis ein klares Signal dafür, dass sich diese Hypothese als falsch erwiesen hat.“
Trotz des Sieges Alexander Van der Bellens, der als der Kandidat des Establishments angesehen wurde, hatten doch fast die Hälfte der Österreicher für den FPÖ-Kandidaten gestimmt. Das sei ein bedeutender Faktor für die europäische Politik, sagten Kommentatoren. Wie die Kandidaten selbst, sprachen auch sie am Sonntagsabend vor allem von der Einigung der gespaltenen österreichischen Gesellschaft.
Hofer äußerte sich noch am Abend gegenüber der Presse: „Ich beabsichtige nicht, das Land zu spalten. Jetzt liegt es an mir und Herrn Van der Bellen, den Menschen, die uns unterstützt haben, zu erzählen, dass es wichtig ist, zu erkennen, dass wir ein Land sind, dass wir alle Österreicher sind und wir zusammenarbeiten müssen.“ Van der Bellen erklärte, sein Ziel für die sechsjährige Präsidentschaft sei es, sicherzustellen, dass an deren Ende, oder besser noch früher, die Menschen „nicht mehr sagen, das ist der Präsident – sondern unser Präsident“.
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