Leonid Breschnew: Kalauer eines Politiker-Lebens

Der Staatschef erblickte am 19. Dezember das Licht der Welt.

Der Staatschef erblickte am 19. Dezember das Licht der Welt.

Vladimir Musaelyan / TASS
Leonid Breschnew war 18 Jahre lang Staatschef der UdSSR. Zeitzeugen erinnern sich gern an ihn – doch weniger als erfolgreicher Politiker denn als populäre Witzfigur. Am 19. Dezember wäre der Generalsekretär der KPdSU 110 Jahre alt geworden. Ein guter Anlass, an Leonid Iljitsch zu erinnern. Schmunzeln erlaubt!

Als Leonid Breschnew regierte, florierte der Politwitz: Ob Begrüßungsküsse mit hochrangigen Politikern, absurde Eitelkeit oder ein überaltertes Politbüro – Vorlagen für Witze und mitunter Spott lieferte die oberste Sowjetführung mehr als genug. Und so machten allerlei „Anekdoten“ über Breschnew und sein „Kabinett“ in der ganzen Sowjetunion die Runde, zumindest hinter vorgehaltener Hand.

Humor ist sträflich

Denn die Sowjetführung hätte den Landesbürgern wegen politischer Scherze auch in der Stagnationsepoche, wie die Siebzigerjahre in der Sowjetunion genannt wurden, große Probleme bereiten können. Doch die Menschen ließen es sich nicht nehmen, Witzchen über die Allmacht der Kommunistischen Partei und ihres Generalsekretärs Breschnew – „unseres werten Leonid Iljitsch“ – zu reißen. Zum Beispiel so:

Ein Mann macht den Fernseher an – im Ersten spricht Leonid Iljitsch. Er schaltet um – im Zweiten spricht Leonid Iljitsch. Er schaltet weiter – im Dritten ist auch Leonid Iljitsch. Er schaltet noch mal um – im Vierten droht ein KGB-Offizier mit der Faust: „Pass nur auf! Irgendwann ist mit dem Umschalten auch Schluss!“

Man scherzte auch über Strafen, die angeblich fürs Scherzen drohten:

Leonid Iljitsch, welches Hobby haben Sie?
 – Ich sammle Witze über mich selbst.
Und haben Sie schon viele gesammelt?
– Zweieinhalb Straflager voll.

Schlimmer geht nimmer

Manchmal wurde Breschnew in den Witzen mit seinen Vorgängern verglichen: mit Lenin, dem Ideologen und Gründer des sozialistischen Staates, mit dem grausamen Diktator Stalin oder mit Chruschtschow, der oft mit bizarren Sprüchen in der Öffentlichkeit polterte. Breschnew war um seine Rolle in dieser Reihe nicht zu beneiden: Ihm wurde nachgesagt, er habe das Land sich selbst überlassen.

Lenin hat gezeigt, dass selbst Küchenpersonal das Land regieren kann.
Stalin hat gezeigt, dass ein Mensch allein das Land regieren kann.
Chruschtschow hat gezeigt, dass ein Dummkopf das Land regieren kann.
Breschnew hat gezeigt, dass man aufs Regieren auch ganz verzichten kann.

Zur Zeit Lenins war es wie in einem Tunnel: Ringsum finster, in weiter Ferne Licht.
Zur Zeit Stalins war es wie einem Bus: Einer lenkt, die Hälfte sitzt, die anderen stehen wie gelähmt da.
Zur Zeit Chruschtschows war es wie in einem Zirkus: Einer spricht, alle lachen.
Zur Zeit Breschnews war es wie in einem schlechten Film: Das Ende können alle kaum abwarten.

Held der Nation

Lange bevor er zum Generalsekretär der KPdSU wurde, hatte Breschnew im Großen Vaterländischen Krieg gekämpft. Er war als Oberst an der Verteidigung eines Abschnitts nahe der Stadt Noworossijsk am Schwarzen Meer beteiligt. Wie unbedeutend dieser Abschnitt für den Kriegsverlauf auch war, in Breschnews ersten Memoiren – erschienen 1978 nach zwölf Jahren Regierungszeit – spielte diese Kriegsepisode eine überwältigende Rolle. „Das Ziel war, es so aussehen zu lassen, als hätte Oberst Breschnew den Großen Vaterländischen Krieg gewonnen“, schrieb der Literaturkritiker Konstantin Miltschin.

Der Schuss ging nach hinten los: Die eitle Autobiografie des Generalsekretärs war ein Ladenhüter. Dafür machten Scherze über Breschnews Rolle im Vaterländischen Krieg schnell die Runde:

Treffen sich zwei Veteranen. Sagt einer zum anderen: Als ich bei Noworossijsk den Kriegsverlauf entschied, warst du wohl auf Freizeitfahrt in Stalingrad.

Die Schlacht um Stalingrad von Juli 1942 bis Februar 1943 war eine der größten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Damals gelang es den Sowjettruppen, den Vormarsch Nazideutschlands zu stoppen. Rund eine Million sowjetische Soldaten fielen in der Schlacht.

Stalin an Marschall Schukow kurz vor dem Sturm auf Berlin im Mai 1945: „Ihr Plan ist gut, Genosse Schukow. Aber ich muss ihn erst mit Oberst Breschnew abstimmen.“

Schmatzer der Freundschaft

Eine der berühmtesten Marotten Breschnews war es, Staats- und Regierungschefs anderer Länder bei offiziellen Besuchen zur Begrüßung zu küssen: Zwei Küsse auf die Wangen, einer auf die Lippen. Sein Schmatzer mit dem SED-Genossen Erich Honecker ist gar in die Geschichte eingegangen – verewigt durch das Graffiti von Dmitri Wrubel auf der Berliner Mauer.

Außer Honecker fielen unter anderem der US-Präsident Jimmy Carter, der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito und die indische Premierministerin Indira Gandhi Breschnews Lippen zum Opfer. Margaret Thatcher und Fidel Castro hingegen nicht: Der kubanische Revolutionär soll sich einer Legende zufolge eigens eine Zigarre angesteckt haben, um dem peinlichen Begrüßungsritual zu entgehen. Der rumänische Kommunist Nicolae Ceaușescu war da ehrlicher: Er ekle sich und habe Angst vor Bakterien, antwortete der Staatschef auf Breschnews brüderliche Geste und küsste den KPdSU-Generalsekretär nicht. Daraus entstand selbstverständlich ein Witz:

Leonid Iljitsch war auf Ceaușescu nicht gut zu sprechen: „Er ist ein erwachsener Mann, kann aber immer noch nicht küssen.“

Je oller, je doller

Zum Ende der Regierungszeit Breschnews bestand das Zentralkomitee der KPdSU fast ausschließlich aus – wohlwollend formuliert – sehr erfahrenen Technokraten: Der Altersdurchschnitt des Politbüros betrug 70 Jahre. Auch das war natürlich ein guter Grund für einen Witz:

Was hat vier Beine und 40 Zähne? Ein Krokodil.
Was hat 40 Beine und vier Zähne? Breschnews Politbüro.

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