FIFA-Präsident Joseph Blatter während der Eröffnungszeremonie des 65. Fifa-Kongresses in Zürich. Foto: Reuters
Am Mittwoch wurden in Zürich sieben hochrangige Fifa-Beamte, darunter die zwei Vizepräsidenten der Organisation, Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo, verhaftet. Den Auftrag dazu gaben US-Behörden. Die US-Staatsanwaltschaft verdächtigt die Funktionäre, 24 Jahre lang Erpressung, Gaunerei und Geldwäsche betrieben zu haben.
Unter Korruptionsverdacht stehen zudem Vertreter von Sportmedien und Marketingfirmen, die den Fifa-Funktionären Schmiergelder von insgesamt über 100 Mio. US-Dollar gezahlt haben sollen. Den Ermittlern zufolge erhielten sie im Gegenzug Marketing- und Sponsoring-Rechte für Turniere in Lateinamerika. Alle Pläne seien in den USA vorbereitet und durchgeführt worden, die Schmiergeldzahlungen seien über US-Banken gelaufen.
Bemerkenswert ist, dass die Verhaftungen kurz vor den Fifa-Präsidentschaftswahlen stattfanden, die für den heutigen Freitag angesetzt sind. Der aktuelle Fifa-Präsident, der 79-jährige Joseph Blatter tritt bei den Wahlen für seine fünfte Amtszeit an. Blatter galt im Vorfeld als unbestrittener Favorit für die Wahlen, sein Konkurrent ist der 39-jährige jordanische Kronprinz Ali bin al-Hussein.
Der renommierte Fußballexperte und Präsidentschaftskandidat der Russischen Fußballunion Alischer Aminow sieht in den Ermittlungen eine Bedrohung für Blatters Position. Denn die könnten Sponsoren vergraulen.
„Die Stabilität der Führung Blatters basiert auf seiner Freigiebigkeit gegenüber Dutzenden Drittweltländern. Er verteilt einen wesentlichen Teil der ständig wachsenden Sponsorenzugänge an die nationalen Fußballverbände, die ihn dafür unterstützen", erklärt Aminow. „Um Korruption machen sich die Länder der Dritten Welt kaum Gedanken. Und solange Blatter sich dem Druck vonseiten der USA erfolgreich widersetzen kann, kann er sicher sein, dass Afrika ihm zur Seite steht." Er fügt hinzu, dass die Stimme Malis heute einem Stimmgewicht Englands entsprechen würde.
Die Sponsoren der Fifa spielten eine Schlüsselrolle, sagt Aminow. „Kehren große Sponsoren der Fifa den Rücken, wird die Situation eine völlig andere sein. Ohne die gewohnt großzügigen Transaktionen könnten die Gefühle der Afrikaner gegenüber Blatter stark nachlassen. Und ohne ihre Unterstützung wird er große Schwierigkeiten mit den Amerikanern und Europäern bekommen, die ihm schon lange ein Grab schaufeln. Deshalb versteht er die Dringlichkeit, den Leuten zu beweisen, dass alles beim Alten bleibt."
Auch die Uefa hat den Druck auf Blatter verstärkt: Der Chef des europäischen Fußballverbands Michel Platini forderte unlängst einen Neustart der Arbeit der Fifa und rief Blatter auf, seinen Posten zu verlassen.
Viele hochrangige Funktionäre äußerten ihre Unzufriedenheit, dass keine Personen aus Russland und Katar verhaftet wurden. In diesen Ländern finden 2018 und 2022 die nächsten Weltmeisterschaften statt. Viele fordern daher eine Ausdehnung der Ermittlungen gegen Russland und Katar, darunter beispielsweise der britische Premier David Cameron, der neue Präsident der Fußballföderation der Ukraine Andrij Pawelko sowie der Ex-Präsident der Uefa Lennart Johansson. Walter de Gregorio, PR-Direktor der Fifa, sagte aber bereits, dass vorerst alles beim Alten bleibe: Die Weltmeisterschaft werde 2018 in Russland stattfinden, 2022 in Katar.
Der russische Präsident Wladimir Putin ließ die Anklagen gegen Russland nicht unkommentiert. Er betonte, die Verhaftungen der Fifa-Funktionäre stünden in keinem Zusammenhang mit Russland. Stattdessen, so lautet sein Vorwurf, wollten die USA eine Wiederwahl Blatters verhindern. Der Vertreter des US-Außenministeriums Jeff Ratke beteuerte daraufhin, die Klagen gegen die Fifa-Funktionäre – unter denen auch US-Bürger seien – dienten ausschließlich dem Kampf gegen die Kriminalität.
Walerij Tschuchrij, früherer Leiter des Moskauer Fifa-Büros, beschwichtigt, Russland habe nichts zu befürchten. „Die aktuellen Korruptionsermittlungen gegen die Fifa sind nicht die ersten ihrer Art. In den USA gab es ähnliche Strafverfahren gegen eine Reihe von Organisatoren der Olympischen Spiele in Salt Lake City 2002 und Atlanta 1996, wo ebenfalls Korruptionsfälle aufgedeckt wurden. Doch bis vor einem Richter hat es keiner dieser Fälle geschafft", erinnert sich der Experte in einem Gespräch mit RBTH.
Die Fifa werde auch diesen Korruptionsskandal ohne große Erschütterungen überstehen, ist Tschuchrij sicher. Es sei noch niemandem das Recht genommen worden, eine große Sportveranstaltung durchzuführen. „Ich denke, dass es auch diesmal dabei bleibt. In der Fifa wird es eine kleinere Säuberung in der Führungsetage geben, Blatter wird seinen Posten behalten und Russland und Katar werden sich ruhig weiter auf ihre Weltmeisterschaften vorbereiten können", meint Tschuchrij.
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