Russland ernennt neuen Fußball-Nationaltrainer

Der russische Fußballverband wird Sluzkij kein Gehalt, sondern nur Boni auszahlen, wenn es das Team in die Finalrunde der EM 2016 schafft.

Der russische Fußballverband wird Sluzkij kein Gehalt, sondern nur Boni auszahlen, wenn es das Team in die Finalrunde der EM 2016 schafft.

Alexei Filippov/TASS
Der Cheftrainer von ZSKA Moskau Leonid Sluzkij wurde zum Trainer der russischen Fußball-Nationalmannschaft ernannt. Eine Überraschung ist diese Entscheidung nicht: Seit der Entlassung von Fabio Capello ist Sluzkijs Name häufig gefallen.

Der Russische Fußballbund (RFS) hat den Posten des Nationaltrainers neu besetzt. Die Stelle erhielt Leonid Sluzkij, Cheftrainer von ZSKA Moskau. „Sluzkijs Vertrag läuft bis zum Ende der Qualifikationsrunde für die Europameisterschaft 2016. Neben der Betreuung der Nationalmannschaft wird Sluzkij weiterhin den Posten des Cheftrainers bei ZSKA Moskau innehaben“, heißt es in einer Pressemitteilung des RFS. „Wir sind der Leitung von ZSKA sehr dankbar, dass sie die Interessen der Nationalmannschaft berücksichtigt hat“, betont die Leitung des russischen Fußballbunds.

Der 44-jährige Trainer machte sich mit seiner Arbeit für ZSKA einen Namen in Russland. In den Saisons 2012/13 und 2013/14 wurde er mit dem Armeeklub jeweils russischer Meister. 2011 und 2013 konnte die Mannschaft zudem den russischen Pokal für sich entscheiden. Seit 2009 ist Sluzkij bei ZSKA. Der Verein schaffte in dieser Zeit, ohne große finanzielle Ressourcen, stets eine Platzierung unter den ersten drei Top-Mannschaften der Premier Liga. 2009/10 erreichte der Klub zudem das Viertelfinale der Champions League. 2011/12 überstand das Team ebenfalls die Gruppenphase, unterlag im Achtelfinale jedoch Real Madrid.

 

Ein russischer Mourinho

Leonid Sluzkij wurde seit seinen ersten Jahren in der russischen Premier Liga als russischer Mourinho bezeichnet. Und obwohl Sluzkij diesem Vergleich eher skeptisch gegenübersteht, weisen die Lebenswege der beiden Trainer tatsächlich Ähnlichkeiten auf. Wie der berühmte Portugiese war auch Sluzkij früher Torwart – bei dem Club „Swesda“ in seiner Heimat Wolgograd. Ähnlich wie Mourinho schaffte er es als Spieler jedoch nicht ganz nach oben.

Schon mit 19 Jahren erlitt er eine schwere Verletzung: Bei dem Versuch, die Nachbarskatze von einem Baum herunterzuholen, stürzte er unglücklich. „Der Ast brach ab und ich fiel aus drei Metern Höhe auf den Asphalt. Dabei habe ich mich am Knie und dem Gesicht schwer verletzt. Die Diagnosen der Ärzte: Offener, multipler Splitterbruch der linken Kniescheibe, Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung“. Diese Verletzungen waren zu der damaligen Zeit nicht mit einer Karriere als Profifußballer vereinbar. „Ein Jahr habe ich im Krankenhaus verbracht. Man sagte mir, ich würde das Bein nie wieder beugen können. Trotzdem schaffte ich es, das Gelenk langsam wieder in Form zu bringen. Später habe ich sogar versucht, wieder Fußball zu spielen, aber es hat nicht geklappt“, erzählte Sluzkij der Zeitung „Sowetski Sport“.

Doch die unglücklichen Umstände konnten Sluzkij nicht in die Knie zwingen: Mit 22 Jahren begann er, als Trainer zu arbeiten, mit 33 leitete er bereits einen Erstligisten und mit 38 Jahren erhielt er den Cheftrainer-Posten bei ZSKA, einer der besten Mannschaften des Landes. Bereits in seinem zweiten Spiel als Trainer des Armeeklubs musste Sluzkij mit ZSKA im Old Trafford antreten, wo er in einem fantastischen Spiel ein Unentschieden gegen die Manchester United (3:3) feiern konnte.

Zwischen Sluzkij und Mourinho gibt es aber auch weitere berufliche Überschneidungen: Sluzkij absolvierte seinerzeit ein Trainerpraktikum bei Inter Mailand und Chelsea London, wo er die Trainermethoden von José Mourinho kennenlernen durfte.

 

Bewusstes Risiko

Der russische Trainer Alexander Tarchanow, der in seiner 25-järigen Karriere viele russische Top-Klubs coachte, ist überzeugt, dass Leonid Sluzkij die ideale Besetzung für die russische Nationalmannschaft ist. „Capello ist ein großer Trainer, der hervorragende Mannschaften zum Erfolg geführt hat. Aber Erfahrung mit Spielern unseres Niveaus hat er nicht. Sluzkij hingegen kennt die Realität in Russland und kann auch aus mittelmäßigen Fußballern eine gute Mannschaft formen“, sagte Tarchanow im Gespräch mit dem Portal championat.com.

Der bekannte Fußballjournalist Denis Romanzow dagegen kritisiert die Entscheidung des RFS. Er findet, man hätte den Kandidatenpool für den Posten des Nationaltrainers auch um Ausländer erweitern müssen. „Die Entscheidung für Sluzkij ist deshalb schlecht, weil sie politisch und nicht sportlich ist. Stellen Sie sich einmal die Frage, warum wir von 2006 bis 2012 ausschließlich Ausländer als Trainer der Nationalmannschaft eingestellt haben? Warum also begrenzen wir die Auswahl heute nur auf Russen?“, fragt Romanzow in seinem Blog auf der Webseite sports.ru.

Der Pressesprecher der russischen Nationalmannschaft Ilja Kasakow denkt, dass Sluzkij mit dem Antreten des neuen Jobs kein Risiko eingegangen ist. „Er ist einer der selbstkritischsten Menschen, die ich je getroffen habe. Wenn er sich entscheidet, die Nationalmannschaft zu übernehmen, heißt es auch, dass er seine Möglichkeiten wirklich klar überblickt“, erklärte der Funktionär. Für Kasakow ist Sluzkij der einzige russische Trainer, der in den kommenden zehn Jahren Erfolg haben wird. „Ich bin sicher, dass er in Zukunft eine Fülle an Angeboten von den unterschiedlichsten Mannschaften erhalten wird“, sagte Kasakow dem Portal championat.com.

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