Scharapowa unter Dopingverdacht: Was wurde ihr zum Verhängnis?

Harmloses Medikament oder bewusste Täuschung? Maria Scharapowa des Dopings überführt

Harmloses Medikament oder bewusste Täuschung? Maria Scharapowa des Dopings überführt

Reuters
Der russischen Tennisspielerin Maria Scharapowa droht eine lange Sperre: Sie gab zu, das Präparat Meldronat eingenommen zu haben. Der darin enthaltene Wirkstoff Meldonium ist seit Beginn des Jahres verboten. Aber wirkt dieser überhaupt leistungsfördernd? RBTH hat sich umgehört.

Bei den Australian Open sei sie positiv auf den Wirkstoff Meldonium getestet worden, gab Maria Scharapowa heute bekannt. Sie habe das Präparat Meldronat eingenommen. Dessen Wirkstoff, das sogenannte Meldonium, wurde von der Wada auf die Liste der für Sportler verbotenen Präparate gesetzt und ist seit dem 1. Januar 2016 nicht mehr erlaubt. Die russische Tennisspielerin nahm das Mittel seit zehn Jahren ein.

Am Montag wurde ebenfalls bekannt, dass eine weitere russische Sportlerin positiv auf Meldonium getestet wurde – der Wirkstoff wurde im Körper der Eiskunstläuferin Jekaterina Bobrowa nachgewiesen, die gemeinsam mit ihrem Partner Dmitrij Solowjow nun wohl auf die vom 28. März bis 3. April in Boston stattfindende Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft verzichten muss. Bereits im Februar wurde Meldonium bei Eduard Worganow, einem Fahrer des russischen Radsportteams Katjuscha, nachgewiesen.

Der russische Sportminister Witalij Mutko bezeichnete Meldonium voreilig als „wertlos“ und „wirkungslos“.

Die Wada hingegen ordnet den Wirkstoff der Gruppe S4 „Hormone und metabolische Modulatoren“ zu. Sperren für die Einnahme eines solchen Mittels können bis zu vier Jahren betragen.

Herz-Kreislauf-Präparat mit starken Nebenwirkungen

Meldonium, das für russische Sportler gerade zu einem Fluch wird, wurde Mitte der 1970er-Jahre am Institut für organische Synthesen der Akademie der Wissenschaften der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik, dem heutigen Lettland, entwickelt. Seit 1984 wurde es zu medizinischen Zwecken eingesetzt und war seitdem für sowjetische Profisportler praktisch unverzichtbar.

Meldonium war ursprünglich als Präparat zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gedacht. Es verzögert in erster Linie die Ausbreitung abgestorbener Zellen während eines Herzinfarkts. Zudem verbessert es die Blutzirkulation bei Durchblutungsstörungen und senkt das Risiko einer Brustenge.

Seine Beliebtheit bei Sportlern ist jedoch auf einen anderen Grund zurückzuführen: Meldonium regt unter anderem den innerzellulären Stoffwechsel an und verbessert dadurch die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegenüber sehr hohen physischen Belastungen während des Trainings und dem enormen psychischen Druck bei Wettkämpfen. Aus eben diesem Grund entschloss sich die Wada nun, Meldonium als Dopingmittel zu klassifizieren.

Ist es ein günstiges Placebo?

Meldonium war ursprünglich als Präparat zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gedacht. Foto: AP

Allerdings zweifeln Ärzte mittlerweile an der Wirksamkeit von Meldronat. „Das Medikament kam häufig zum Einsatz, vor allem in zyklischen Sportarten, aber auch hin und wieder in Spielsportarten. Die Wirksamkeit lässt sich nur schwer bestimmen, da es meistens zusammen mit anderen Präparaten eingenommen wurde“, sagt zum Beispiel der Arzt der russischen Fußballnationalmannschaft Eduard Besuglow. „Ich habe es nicht verabreicht, weil ich der Meinung war, dass es nicht besonders viel bringt. Sein theoretisch erzielbarer Effekt ist genauso gut durch ausreichend viel Schlaf und eine gute Ernährung zu erreichen.“

In den 1990er-Jahren sorgte der niedrige Preis des Wirkstoffes für große Beliebtheit unter russischen Sportlern. Zudem war es in dieser Zeit eines der ganz wenigen Präparate, die den Sportlern in der Krise zugänglich waren. „Wir haben es während der härtesten Trainingswochen eingesetzt. Ich habe die Wirkung gespürt. Es war tatsächlich leichter, große Belastungen zu ertragen, die Ausdauerfähigkeit hat deutlich zugenommen“, erzählt die russische Schwimmerin Galina Schipowalowa in einem Interview mit der Internetseite championat.com.

Fahrlässigkeit ist nicht erlaubt

Maria Scharapowa erklärte, dass sie die Einnahme des verbotenen Präparats aus reiner Unachtsamkeit nicht eingestellt habe. Das Schreiben mit den aktualisierten Antidopingregeln sei von ihr nicht zur Kenntnis genommen worden. Bei Fachleuten sorgt eine solch gravierende Fahrlässigkeit für Unverständnis. So empfiehlt zum Beispiel Michail Wartapedow, leitender Mediziner beim Fußballverein Spartak Moskau, die Informationen der Wada etwas ernster zu nehmen: „Warum hat unser Team bereits im Herbst gewusst, dass Meldronat verboten werden wird? Sind wir etwa schlauer als andere? Nein, wir verfolgen nur sehr aufmerksam die Mitteilungen der Wada“, schrieb der Arzt in einem Tweet.

Recht brüsk reagierte auch Jewgenij Kafelnikow, ehemalige Nummer Eins der Tennis-Weltrangliste sowie Gewinner des Grand-Slam-Turnieres von Roland Garros im Jahr 1996 und heutiger Vizepräsident des Russischen Tennisverbandes Russlands. „Dieses Verbot wirkt sich vor allem auf Scharapowa aus. Das ist das Schicksal eines Menschen, der sich mithilfe irgendwelcher Zusatzpräparate einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen will. Sie hat sich diese Suppe eingebrockt, nun muss sie sie halt auch selbst auslöffeln“, wird Kafelnikow von „R-Sport“ zitiert.

Noch fünf russische Sportler, die innerhalb von 24 Stunden beim Doping erwischt wurden:

1. Die Eiskunstläuferin Jekaterina Bobrowa, die gemeinsam mit Dmitrij Solowjew als erste Nummer der russischen Sbornaja im Eistanz galten.

2. Der auf der WM im Eisschnelllauf in Kolomna frisch gekürte Weltrekordträger Pawel Kulischnikow.

3. Sein Kollege und Olympia-Sieger im Shorttrack von Sotschi 2014 Semjon Jelistratow.

4. Alexander Markin, Mitglied des russischen Volleyball-Teams.

5. Alexej Lowtschew, russischer Weltrekord-Gewichtheber.

Maria Scharapowa: „Ich liebe den Erfolg“

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