Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors Grigori Rodschenkow hat ausgepackt: In der „New York Times“ berichtete er über angeblich systematisches Doping im russischen Sport. Diese Anschuldigungen könnten schwerwiegende Folgen haben. Thomas Bach, Vorsitzender des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sieht sogar die Möglichkeit eines Ausschlusses aller russischen Athleten von den Olympischen Spielen in Rio. Die Entscheidung wird von den Ergebnissen der offiziellen Untersuchung der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada abhängen.
Rodschenkows Enthüllungen haben auch das Interesse der amerikanischen Justiz geweckt. Eine New Yorker Staatsanwaltschaft habe eigene Ermittlungen eingeleitet, schreibt die „New York Times“. Ziel sei es, herauszufinden, ob es das von Rodschenkow beschriebene staatliches Doping-Programm in Russland tatsächlich gegeben hat. Die Staatsanwaltschaft ist dieselbe, die in der jüngsten Vergangenheit die Anti-Korruptions-Ermittlungen gegen die FIFA initiiert hatte.
Alischer Aminow, russischer Jurist und Vizepräsident des Internationalen Fonds zur Unterstützung von Gesetzesinitiativen, ist der Meinung, dass der Kern des Problems nicht mit politischem Druck erklärt werden sollte. „Es besteht kein Zweifel daran, dass der Doping-Skandal von den westlichen Ländern für politische Zwecke genutzt wird. Aber das ist keine Entschuldigung für den Sportminister (Witali Mutko - Anm. d. Red.), der alle Probleme nur in diesem Licht präsentieren will. Wir haben tatsächlich große Probleme mit der Sport-Pharmakologie und den Sportmedizinern.“ Aminow berichtet von drei russischen Athletinnen, denen Konsequenzen angedroht worden seien, sollten sie sich weigern, zu dopen. Zudem kritisiert er die Vernichtung von mehr als eintausend Dopingproben. „Das war eine grobe Verletzung. Es verwundert nicht, dass der Sportminister die Rusada (Russische Anti-Doping-Agentur - Anm. d. Red.) abgeschafft hat“, so Aminow. Er fordert, dass die Probleme an der Wurzel gepackt werden. „Sonst wird es immer wieder Doping-Skandale geben“, meint Aminow.
Auch Witali Smirnow sind Ungereimtheiten in Rodschenkows Aussagen aufgefallen. So hat er Zweifel an der Existenz des „Cocktails“ aus Alkohol und Steroiden, den russische Sportler angeblich hätten einnehmen müssen. Eine solche Kombination wäre nach Expertenmeinung eher schädlich denn nützlich. „Rodschenkow hat in der Vergangenheit selbst Doping-Präparate ausprobiert. Er wurde nach Artikel 234 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation angeklagt: Unerlaubter Handel mit virulenten oder giftigen Stoffen mit dem Ziel des Vertriebs in großen Maßstäben“, erinnert Smirnow.
Rodschenkow wurde im Jahr 2011 angeklagt, nach einem Jahr erhielt er einen Zeugenstatus. Seine Schwester erhielt eine anderthalbjährige Freiheitsstrafe. In einem Revisionsprozess wurde die Strafe zur Bewährung ausgesprochen.
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