USA vs. Deutschland: Rangelei um „Nord Stream 2“?

Russische Experten sind überzeugt, dass die EU in dem Nord-Stream-Ausbau eine Gefahr für die Ukraine sieht: Würde das Land nichts mehr durch den Transit verdienen, wäre die Zahlungsfähigkeit von Kiew eingeschränkt.

Russische Experten sind überzeugt, dass die EU in dem Nord-Stream-Ausbau eine Gefahr für die Ukraine sieht: Würde das Land nichts mehr durch den Transit verdienen, wäre die Zahlungsfähigkeit von Kiew eingeschränkt.

Reuters
Erneut regt sich Protest gegen den Ausbau der Gaspipeline „Nord Stream“. Das Machtwort liege jedoch nicht bei Brüssel, meinen russische Experten: Über das Schicksal der Pipeline entscheiden Deutschland und die USA.

In einem Brief an den Präsidenten der Europäischen Kommission sprachen sich acht Länder gegen einen Ausbau der russischen Nord-Stream-Gaspipeline aus, darunter die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Polen, die Slowakei, Rumänien sowie Litauen. Später schloss sich Kroatien den Projektgegnern an. Die Verfasser des Briefes sind der Meinung, dass der Ausbau der Pipeline einen „großen Einfluss auf die Entwicklungen im Gasmarkt und den Transit“, vor allem durch die Ukraine, haben werde.

Konflikt mit Brüssel

„Anlass für diesen Brief ist eine Ausschreibung über die Lieferung von Rohren für die Pipeline, die der russische Energiekonzern Gazprom ohne Erlaubnis durchgeführt hatte“, erklärt Alexej Kalatschow von der Holding Finam. Den Zuschlag vergab der Gasriese an das deutsche Unternehmen Europipe sowie an zwei russische Produzenten: die United Metallurgical Company und das Rohrwerk Tscheljabinsk.

Der deutsche Stahlhersteller, der bereits für den ersten und zweiten Strang der Pipeline Rohre produziert hatte, soll 40 Prozent der Lieferungen übernehmen. Nach Angaben der russischen Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ belaufen sich die Kosten des Vertrags auf insgesamt 2,2 Milliarden US-Dollar (1,9 Milliarden Euro).

Damit aber „Nord Stream 2“, wie die Erweiterung des Projekts genannt wird, gebaut und an das europäische Gaspipeline-Netz angeschlossen werden kann, benötige Gazprom die Zustimmung von Dänemark, Finnland, Deutschland, der Schweiz und der deutschen Regulierungsbehörde, mahnt Kalatschow. Außerdem könne die Europäische Kommission die Verordnungen des Dritten Energiepakets der EU geltend machen. In diesem Fall sei eine Erlaubnis von Brüssel erforderlich. Alternativ müsse die Konfiguration des Projekts geändert werden, erklärt Kalatschow.

Das Dritte Energiepaket untersagt es, gleichzeitig Lieferant und Eigentümer einer Pipeline sein. Aufgrund dieser Bedingung wurde bereits das South-Stream-Projekt im Jahr 2014 auf Eis gelegt, bei dem eine Gaspipeline über den Grund des Schwarzen Meeres aus Russland nach Bulgarien und in andere EU-Länder gebaut werden sollte.

Eine politische Frage

Russische Experten sind überzeugt, dass die jüngste Protestaktion der europäischen Länder in erster Linie einen politischen Hintergrund hat. Wie Alexander Gritschenkow glaubt, sehen sie in dem Nord-Stream-Ausbau eine Gefahr für die Ukraine: Würde das Land infolge von Nord Stream 2 nichts mehr durch den Transit von russischem Gas in die EU verdienen, wäre die Zahlungsfähigkeit von Kiew eingeschränkt, vor allem im Bereich der Verteidigung.

Ob die Pipeline nun ausgebaut wird oder nicht, hänge insbesondere von Deutschland und den USA ab, meint Ilja Balakirjow, Analyst bei der Investmentgesellschaft Premier. „Sollten die USA aus dem Vorgang ein politisches Problem machen, steigen die Risiken für Gazprom“, sagt Balakirjow. Würden hingegen die deutschen Unternehmen ihre kommerziellen Interessen verteidigen können, werde das Projekt sehr erfolgreich sein.

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