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Darauf scheinen die Russen nur gewartet zu haben. Kaum flatterte Erdoğans viel diskutiertes Entschuldigungsschreiben im Kreml ein, schon war es vorbei mit der Urlaubssperre für Pauschalreisen, die Russland nach dem Abschuss seiner Militärmaschine im Grenzland zwischen der Türkei und Syrien verhängt hatte. Moskau hatte diese Entschuldigung zur Bedingung gemacht, um Sanktionen, die es gegen die Türkei verhängt hatte, wieder aufzuheben. Und als die halbe Welt noch diskutierte, bei wem sich der türkische Präsident nun eigentlich entschuldigt hat – bei Putin oder doch nur bei den Angehörigen des toten Piloten –, machten sich die Urlaubshungrigen schon auf die Suche nach neuen Türkei-Angeboten im Internet.
Ist es also vorbei mit dem patriotischen Sommerurlaub an der Schwarzmeerküste, für den in Russland allseits Werbung gemacht wird? Eigentlich hatte die Regionalregierung der Krim in diesem Jahr mit sechs oder sogar sieben Millionen Touristen gerechnet, die meisten vom russischen Festland. Das wären sogar etwas mehr als vor der Maidan-Revolution in Kiew und der anschließenden Angliederung der Halbinsel an Russland.
Doch während sich die Verantwortlichen auf der Krim in Gelassenheit üben, geben sich auch türkische Hotelbetreiber bescheiden. „Wir erwarten, dass nach Putins Äußerungen (über die Aufhebung des Reiseverbots) die Anzahl russischer Touristen steigen wird“, erklärt Ismail Tasdemir, Geschäftsführer des türkischen Hotelverbandes Türob. Dafür sei jedoch noch eine ganze Menge Arbeit notwendig. „Wir müssen Werbung machen und attraktive Angebote für die Reiseveranstalter schnüren. Das ist aber alles machbar, und ich hoffe, dass die russischen Touristen bald wiederkommen“, betont Tasdemir.
Für die Türkei dürfte die Versöhnung mit Russland gerade rechtzeitig kommen, denn der Tourismus im Land steckt in einer handfesten Krise. Im Laufe der vergangenen drei Jahre sank die Zahl der Touristen im Mai von 3,9 auf 2,4 Millionen Touristen. Ein Rückgang, den die sonnenverwöhnten türkischen Urlaubsorte so noch nicht erlebt haben. Mit etwa 94 Prozent war der Einbruch bei den russischen Gästen zwar am kräftigsten. Doch auch die Deutschen bleiben weg. Im Mai kamen nur noch 400 000 Touristen aus der Bundesrepublik, etwa ein Drittel weniger als im Vorjahr. Insbesondere nach einem Anschlag in Istanbul im Januar, bei dem elf Deutsche ums Leben kamen, war die Verunsicherung bei Urlaubern groß.
Noch im Frühling hofften nicht nur deutsche Reiseveranstalter, sondern auch die Verantwortlichen in der Türkei, dass sich das Minus bei den Buchungen zum Sommer hin wieder ausgleicht. „Wir werden keinen extremen Rückgang haben“, sagte der Tourismusminister Mahir Ünal auf der Reisemesse ITB im März. In keinem der touristischen Orte in der Türkei gebe es ein Sicherheitsrisiko, versicherte er damals.
Mit dem neuen Anschlag in Istanbul dürften die Hoffnungen auf eine Belebung des Geschäfts durch Spätbucher sich nun endgültig zerschlagen. „Es ist verständlich, dass sich solche Anschläge negativ auf die Wahl der Türkei als Urlaubsort auswirken“, sagt Ismail Tasdemir. Allerdings sei der Terrorismus eine globale Erscheinung, zumal in der Türkei nun verstärkte Sicherheitsvorkehrungen unternommen würden.
Die Russen, so glauben die Branchenkenner, wird die Terrorgefahr nicht so sehr abschrecken wie die Europäer. Russische Touristen seien „psychologisch standfester“, meint Maja Lomidze vom Branchenverband der russischen Reiseunternehmen Ator. Noch sind vor allem die hohen Preise ein Problem, weil Reiseanbieter bislang auf bestehende Linienflüge setzen und keine eigenen Charter buchen. Die billigsten Angebote für eine Woche in einem Drei-Sterne-Hotel mit „all inclusive“ starten derzeit bei etwa 600 Euro. „Wenn in den kommenden Tagen die Charterflüge in die Türkei wiederaufgenommen werden, dann dürften die Preise um mindestens 25 bis 30 Prozent sinken“, ist Lomidze überzeugt. Das soll bereits an diesem Donnerstag, den 7. Juli, geschehen, wie türkische Behörden vergangene Woche mitteilten.
Die russischen Urlaubsregionen rund um Sotschi und auch die Hotelbesitzer auf der Krim können deshalb vorerst aufatmen. In diesem Jahr werden sie wohl die Konkurrenz aus der Türkei nicht zu spüren bekommen. Maja Lomidze vom Ator-Verband glaubt ohnehin, dass die Regionen unterschiedliche Preisnischen auf dem Touristikmarkt bedienen. „Die Türkei wurde für russische Pauschaltouristen erst Ende 2015 geschlossen, während die Nachfrage nach inländischen Destinationen bereits seit 2014 im Aufwind war, als die Türkei noch mit Abstand führendes Reiseziel gewesen ist“, ermuntert die Expertin.
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