Russland will Wirtschaftswachstum bis 2035 verdoppeln

Ex-Finanzminister Alexej Kudrin hat Anfang Januar die Pläne vorgestellt.

Ex-Finanzminister Alexej Kudrin hat Anfang Januar die Pläne vorgestellt.

Komsomolskaya Pravda/Global Look Press
Um die Kennziffer bis zum Jahre 2035 auf das Doppelte zu steigern, brauche es tiefgreifende Strukturreformen, glaubt Alexej Kudrin, der das neue Wirtschaftsprogramm des Landes ausgearbeitet hat. In den vergangenen zwei Jahren ist das BIP in Russland aufgrund der Krise geschrumpft.

Russland könne sein Bruttoinlandsprodukt bis 2035 verdoppeln, glaubt Alexej Kudrin. Der frühere Finanzminister der Russischen Föderation leitet das Zentrum für strategische Studien, einen der führenden Think-Tanks des Landes, und hat im Auftrag von Präsident Wladimir Putin das neue Wirtschaftsprogramm ausgearbeitet. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, müssten allerdings tiefgreifende Reformen durchgeführt werden, die die russische Wirtschaft in ihrem Wesen veränderten, betont Kudrin.

Von der Krise zum Wachstum

„Gegenwärtig entwickelt sich die Wirtschaft in Russland schlechter als zu den Stagnationszeiten in der Sowjetunion“, mit diesen Worten begann Alexej Kudrin seinen Vortrag auf dem Gaidar-Wirtschaftsforum vergangene Woche in Moskau. Die Krise und die Rubelabwertung im Jahr 2014 hätten dazu geführt, dass das BIP 2015 um drei Prozent schrumpfte. Für 2016 wird ein Rückgang um weitere 0,5 Prozent erwartet, wie Daten des russischen Finanzministeriums belegen.

Die Situation könne durchaus verändert werden, betonte Kudrin. Der frühere Finanzminister glaubt, dass dazu lediglich die Strukturreformen durchgeführt werden müssten, über die in der Regierung bereits seit vielen Jahren debattiert wird. „Die Schritte, die das Land, die Regierung und der Präsident unternehmen müssen, sind unkonventionell und recht schwerwiegend“, räumte Kudrin ein. Diese Strukturreformen müssten nicht weniger als die Probleme der demografischen Herausforderung und des Investitionsmangels lösen, einschließlich der Probleme, die durch die Sanktionen, die Abschirmung von den internationalen Finanzmärkten, den technologischen Rückstand, die geringe Arbeitsproduktivität und die schlechte Qualität der öffentlichen Verwaltung hervorgerufen werden.

Wie das Wirtschaftsblatt „RBC“ schreibt, prognostizieren Kudrins wissenschaftliche Mitarbeiter, die Ökonomen Pawel Trunin und Jewsej Gurwitsch, in der Analyse ein mittelfristiges BIP-Wachstum von jährlich zwei bis 2,5 Prozent, das sich im Zeitraum von 2025 bis 2030 jedoch auf bis zu 4,4 Prozent steigern werde.

Die Verdoppelung des BIPs innerhalb von 18 Jahren „ist gar kein so ambitioniertes Ziel“, glauben die Wirtschaftswissenschaftler. Prognosen sehen bereits für 2017 ein Wachstum der russischen Wirtschaft voraus. Die Ratingagentur Moodyʼs erwartet, dass Russland nach einer zweijährigen Rezession im Ergebnis von 2017 ein BIP-Wachstum von etwa einem Prozent aufweisen wird.

Kurzfristiges oder nachhaltiges Wachstum?

Das Problem der russischen Wirtschaft bestehe nicht darin, wie das Wachstum nach der Krise wieder stimuliert werden könne, sondern darin, dass das Land nach einer kurzen Wachstumsphase „nicht wieder in die Stagnation zurückfällt“, sagte Ksenia Judajewa, Vize-Direktorin der russischen Zentralbank, am Rande des Gaidar-Forums, als die Weltbank gerade ihre Studie zur Wirtschaftsentwicklung der Russischen Föderation vorstellte. Eben deshalb seien Strukturreformen erforderlich, glaubt Judajewa.

Die meisten Wirtschaftszweige, auf die sich Russland im Außenhandel spezialisiert habe – dazu zählten Erdöl, Erdgas oder die Metallurgie –, zeichneten sich durch eine weltweite Überproduktion aus, sagte die Ökonomin. „Unsere Wirtschaft muss sich umorientieren und das produzieren, was andere nicht produzieren. Wir müssen flexibler gegenüber den Herausforderungen auf den globalen Märkten werden“, erläuterte Judajewa.

Der Rückgang des russischen BIPs in den vergangenen zwei Jahren sei eine Folge der negativen Rohstoffpreisentwicklung. Aber gerade dieser Preisverfall zwinge das Land, alternative Maßnahmen zur Stimulierung des Wachstumstempos auszuarbeiten, betont Sergej Chestanow, Berater bei Otkrytije Broker.

Seiner Meinung nach könnten die Wachstumsimpulse aus einer Diversifikation der Wirtschaft, der Beseitigung administrativer Hürden und einer Verbesserung des Eigentumsrechts kommen, wie sie durch die von Alexej Kudrin vorgeschlagenen Strukturreformen vorgesehen sind. „Diese Impulse gehen nicht von einem rasanten Wachstum aus, aber bei einer erfolgreichen Umsetzung wird das Wachstum wesentlich nachhaltiger sein“, konkretisiert Chestanow.

Die von Kudrin und dem Zentrum für strategische Studien geäußerte Prognose könne umgesetzt werden, wenn die gegenwärtige Haushalts- und Geldpolitik der Regierung und der russischen Zentralbank aufrechterhalten werde, meint Timur Nigmatullin, Analyst der Unternehmensgruppe Finam. „Das Hauptproblem, mit dem die russische Wirtschaft noch vor den Sanktionen und dem Erdölpreisverfall zu tun hatte, ist die ‚Falle der mittleren Einkommen‘, die die Inflation in die Höhe treibt“, sagt Nigmatullin. Um dieser Falle zu entgehen, müsse die russische Zentralbank auch weiterhin eine Inflationsrate von vier Prozent anpeilen, glaubt der Analyst.

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