Prothesen für kleine Superhelden

Der Start-up Motorika entwickelt bunte Kinderprothesen mit Halterungen für unterschiedliche Gegenstände: Laserpointer, Springseile, Smartphones.

Der Start-up Motorika entwickelt bunte Kinderprothesen mit Halterungen für unterschiedliche Gegenstände: Laserpointer, Springseile, Smartphones.

Pressebild
Kinder mit fehlenden Gliedmaßen sind im Alltag besonders auf hochwertige Technik angewiesen, glaubt Ilja Tschech. Deshalb stellt sein Unternehmen Motorika speziell für die Bedürfnisse von Kindern entworfene Armprothesen her und mischt den russischen Markt damit gewaltig auf. Das Konzept ist denkbar einfach.

Ilja Tschech ist Techniker für Automation. Eines Tages stieß er im Internet auf eine Anzeige des Unternehmens Can-Touch.ru, das sich mit industriellem 3-D-Druck befasst. Im Rahmen eines Wohltätigkeitsprojekts plante die Firma, Armprothesen für Kinder herzustellen. Tschech entschied, sich an der Ausschreibung zu beteiligen.

„Unser Team entwarf für die Initiatoren eine erste Prothese. Davor sprachen wir viel mit Patienten und Ärzten. Uns wurde klar, dass der Mangel an hochwertigen Produkten für junge Patienten ein echtes Problem ist“, erzählt Tschech. So entstand sein Start-up Motorika, das bunte Kinderprothesen mit Halterungen für unterschiedliche Gegenstände herstellt: Laserpointer, Springseile, Smartphones und vieles andere können befestigt werden. Diese hinzugefügte „Entertainment-Komponente“ soll Kindern mit physischen Traumata dabei helfen, sich schneller zu sozialisieren, sagen die Produktentwickler.

Qualität hat ihren Preis

Prothesen für Kinder stellen die Techniker vor deutlich größere Herausforderungen als jene für Erwachsene. So müssen Kinder bis zum zwölften Lebensjahr etwa ihre betroffenen Oberarmmuskeln trainieren, um Gewebeschwund zu verhindern. Im Gegensatz zu Erwachsenen können Kinder zudem ihre Armprothese nicht so einfach ablegen, um alle Handgriffe ausschließlich mit der gesunden Hand auszuführen. Die meisten auf dem russischen Markt verfügbaren Armprothesen sind daher Attrappen, die keinerlei Funktionen einer Hand übernehmen können.

Hook-Prothesen der Marke „Kibi“. Pressebild.

Aber auch funktionale Prothesen – sogenannte bionische und Hook-Prothesen – gibt es. Hook-Prothesen ermöglichen es dem Kind, selbstständig zu greifen. Sie kosten umgerechnet zwischen 690 und rund 1 800 Euro. Bionische Prothesen wiederum werden von einem Mikroprozessor gesteuert. Dieser wandelt elektrische Impulse, die durch Muskelkontraktionen im Oberarm erzeugt werden, in Bewegungen um. Für diese muss man allerdings zwischen 17 300 und 34 600 Euro zahlen. Anpassungen können zudem ausschließlich im Ausland vorgenommen werden, oft nur durch das Engagement privater Stiftungen.

Motorika jedoch gelang es, sich mit dem russischen Sozialversicherungsfond auf die volle Kostenübernahme ihrer Prothesen durch den Staat zu einigen. Außerdem setzten die Entwickler neue Akzente, indem sie ihre medizinischen Produkte farbig gestalteten.

Produkte für mehr Selbstvertrauen

Im vergangenen Jahr begann Motorika, seine Hook-Prothesen unter der Marke „Kibi“ zu vertreiben – eine Koseform des Wortes Cyborg, sozusagen ein Cybörgchen. Bisher brachte das junge Unternehmen fünf Modelle für das Halten unterschiedlicher Gegenstände auf den Markt. Daneben entwickelten die Ingenieure für die siebenjährige Anja aus der Region Krasnodar eine Prothese mit zwei Halterungen – eine für ein Springseil und die andere für den MP3-Player des Mädchens.

Die siebenjährige Anja aus der Region Krasnodar mit ihren Cybörgchen-Prothesen. Pressebild.

„Menschen verwirklichen sich heutzutage über ihre äußere Erscheinung. Prothesen machen da keine Ausnahme“, sagt Tschech ganz philosophisch. „Die Idee des Cyborgs, teils Mensch, teils Maschine zu sein, gilt als cool. So können Kinder sowohl beim Spielen als auch beim Kommunizieren mit Gleichaltrigen aus ihren Prothesen Vorteile ziehen“, meint der Unternehmer.

„Die Marke Kibi ermöglicht es Kindern zunächst, sich unter Gleichaltrigen sicher zu fühlen“, glaubt auch Alexander Konstantinow, Generaldirektor bei Ondoc, einem der führenden Entwickler für medizinische Software. „Die Einzigartigkeit des Produkts und der günstige Preis bieten dem Unternehmen eine gute Möglichkeit, auch international erfolgreich zu sein“, ist der Experte überzeugt.

Eine besondere Lektüre: Bilderbücher für blinde Kinder

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