Tag des Wissens - von der Sowjetzeit bis heute (FOTOS)

Konstantin Mikhalchevsky/Sputnik; Alexander Kruzhkov/Pavel Sukharev archive
Der 1. September ist in Russland ein besonderer Tag, denn er ist der Beginn des neuen Schuljahres nach dreimonatiger Sommerpause. Meist wird er mit vielen Blumen und schicken Outfit gefeiert.

Das Ende des Sommers bedeutet für alle russischen Kinder automatisch das Ende der Ferien und des sorglosen Lebens.

In der Vergangenheit war der 1. September nicht der obligatorische Termin für den Schulbeginn, aber nach der Revolution 1917 setzte sich im ganzen Land dieses Datum durch. Und seit 1984 gilt der 1. September offiziell als Tag des Wissens. Im ganzen Land (und in den meisten Teilen der ehemaligen Sowjetunion) beginnt deshalb an diesem Tag der Unterricht – sowohl in der Grund-, als auch in der Mittel- und Oberschule.

Die Kinder kehrten zum Schulbeginn oft von der Datscha ihrer Großeltern oder aus dem Pionierlager zurück, wo sie einen Großteil der dreimonatigen Sommerferien verbracht hatten. Einige von ihnen freuten sich, ihre Freunde wiederzusehen, während andere ihre sommerliche Freiheit nicht gegen den Schulalltag eintauschen wollten.

Die Vorbereitung auf die Schule war recht aufwendig: Man musste Hefte und Stifte kaufen, die Lehrbücher in der Schulbibliothek abholen, den Ranzen packen und die Schuluniform bügeln. Für besondere Anlässe wie den 1. September gab es eine besondere Uniform. Dazu gehörten eine weiße Schürze und Schleifen für die Mädchen und ein weißes Hemden für die Jungen.

Am frühen Morgen des 1. September gingen die Kinder in die Schule, in der Regel in Begleitung ihrer Eltern oder Verwandten, vor allem, wenn es ihr erstes Schuljahr war: in Schuluniform, mit ordentlich gepacktem Ranzen und einem Strauß Blumen für die Klassenlehrerin!

Etwa eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn stellten sich alle Schüler vor der Schule bei ihrem Klassenleiter auf, der ein Schild mit der Bezeichnung der Klasse trug. Normalerweise gab es in jedem Jahrgang drei Parallelklassen, die mit kyrillischen Buchstaben unterschieden wurden: А, Б und В (das entspricht A, B, C im Deutschen).

Seit der späten Sowjetzeit war es üblich, am 1. September ein besonderes Foto aufzunehmen: entweder mit den Eltern, mit dem Klassenlehrer oder mit der ganzen Klasse. Viele Kinder lernten von der 1. bis hin zur 10. Klasse mit den gleichen Klassenkameraden in einer Klasse.

Das neue Schuljahr war für ein Kind ein ganz neuer Lebensabschnitt, daher war der erste Schultag ein ganz besonderer Moment.

Wenn die erste Freude über das Wiedersehen der Klassenkameraden verflogen war, stellten sich die Kinder in einer Reihe zum Appell auf und hörten dem Direktor der Schule zu, der in der Regel eine feierliche Rede hielt und sie ermahnte, sorgfältig zu lernen und an ihre Zukunft zu denken.

Dann war es an der Zeit, dass alle das Schulgebäude betraten und sich in ihre Klassenzimmer begaben. In der Regel hatte ein Lehrer im Voraus spezielle Schilder auf den Schulbänken vorbereitet, so dass die Schüler ihren Platz leicht finden konnten. Danach überreichten die Kinder ihrem Lehrer den Blumenstrauß.

Der erste Schultag diente in der Regel dazu, das nach den Sommerferien vergessene Wissen aufzufrischen und sich gegenseitig kennenzulernen (wenn es sich um die erste Klasse handelte) oder sich mit neuen Schülern anzufreunden, wenn jemand in die Klasse gewechselt hatte.

Der Zusammenbruch der UdSSR hat an den Traditionen nicht viel geändert. Trotzdem gaben viele Schulen die Uniformen auf und erlaubten den Schülern, Freizeitkleidung zu tragen.

Die Tradition des Tragens von Schleifen blieb jedoch ein Symbol für die Schulzugehörigkeit, besonders zum Schulbeginn am 1. September, aber auch für die Abschlussklasse beim „Letzten Klingeln“, dem letzten Schultag, am 25. Mai.

Eine weitere rührende Tradition, die sich bis heute erhalten hat: Die Schüler der Abschlussklasse tragen die Erstklässler in die Schule, als symbolische Geste der Weitergabe des „Staffelstabs des Lernens“ an die nächste Generation.

Die Militärschulen bilden keine Ausnahme von all diesen Traditionen.

Im modernen Russland hat der 1. September als Feiertag fast schon Kultcharakter. Etwa zwei Wochen vor dem Schulbeginn tauschen die großen Einkaufszentren und Supermärkte das Sommersortiment in ihren Regalen, die bis dahin voll mit Mückensprays und Sonnenschutzmitteln waren, gegen alles aus, was mit Schule zu tun hat: Rucksäcke, Stifte, Hefte und viele andere Dinge, auf die die Schüler in der ehemaligen Sowjetunion neidisch gewesen wären!

Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie blieben die meisten Schüler der Oberstufe zu Hause und lernten online, während die Grundschüler weiter zur Schule gehen durften. Es gab für sie zwar auch einen feierlichen Appell, aber diesmal durften die Eltern nicht wie sonst üblich daran teilnehmen.

Leider wird der 1. September auch immer mit einem tragischen Ereignis der jüngeren russischen Geschichte verbunden sein. An diesem Tag im Jahr 2004 stürmte eine Gruppe  Terroristen eine Schule in der Stadt Beslan in der Republik Nordossetien, gerade als der feierliche Appell zum Beginn des Schuljahres abgehalten wurde. Dabei wurden 314 Menschen getötet, die meisten von ihnen Kinder. Der 3. September, an dem die verbliebenen Geiseln schließlich freigelassen wurden, wir seitdem als Gedenktag begangen und jedes Jahr wird an den Ruinen der Schule eine Mahnwache zur Erinnerung an die Opfer abgehalten.

>>> Putin und Co.: Wie russische Herrscher die Schulbank drückten (BILDER)

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