Ronald Pofalla: „Wir haben die Chance, unsere Beziehungen zu normalisieren“

DPA / Vostock-photo
Seit 2015 ist Ronald Pofalla Co-Vorsitzender des Petersburger Dialogs. RIA Nowosti sprach mit ihm über seine Erwartungen im Vorfeld des Gesprächsforums, über seine Einschätzung zu den Sanktionen und wie es zwischen Russland und Deutschland weitergehen wird.

Herr Pofalla, wie schätzen Sie heute die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland ein?

Wir sind in einer Phase, die wahrscheinlich als die schwierigste seit 1990 angesehen werden kann. Und dennoch haben wir die Chance, wenn wesentliche Teile des Minsk-2-Abkommens umgesetzt werden können, wieder in eine normalere Phase der Beziehungen zurückzukommen. Die Sanktionen des Westens gegen Russland sind zum jetzigen Zeitpunkt jedoch unausweichlich.

Wie konnte ein solches Zeichen der Normalisierung aussehen? Mit welchem Schritt soll man anfangen?

Wenn alleine die Waffen in der Ostukraine für einen längeren Zeitraum schweigen werden, kommen wir schon in eine veränderte Situation. Hier sterben Menschen, das Schießen muss endlich ein Ende haben. Das liegt in der Hand Russlands.

Mehrere Themen trennen heute Russland und Deutschland, weil sie verschieden gesehen und eingeschätzt werden: Krim, die Ostukraine, Sanktionen, Situation im Nahen Osten. Andererseits sind sicherlich Themen geblieben, die uns einigen?

Wir brauchen nur in die Geschichte unserer beiden Länder zu gehen. Deutschland muss sich darüber in klarem sein, dass die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands ohne aktive Rolle von Michail Gorbatschow und damit der damaligen Sowjetunion am Ende nicht so reibungslos erfolgt wäre. Oder ein zweites Beispiel: Amerikaner, Briten, Franzosen, aber eben auch die Russen haben uns zusammen vom verbrecherischen Nazi-Regime befreit. Das alles verändert jedoch nicht meine kritische Meinung zur völkerrechtlich widrigen Annexion der Krim, den Krieg in der Ost-Ukraine und die nicht akzeptable Behandlung der NGOs in Russland.

Ich möchte Sie als Ex-Kanzleramtsminister fragen - glauben Sie an die politische Bereitschaft der deutschen Regierung, Beziehungen mit Russland neu anzufangen?

Das hängt natürlich davon ab, wie sich die Verhältnisse in der Ostukraine weiter entwickeln. Ich habe den Eindruck, dass die deutsche Bundeskanzlerin und der russische Präsident, unsere beiden Außenminister häufig im Kontakt miteinander stehen. Und die beiden Seiten wissen genau, was die jeweils andere Seite erwartet. Ich habe jetzt die Hoffnung, dass wir in kleinen Schritten vorankommen – Russland hat es maßgeblich in seiner Hand.

Sie sind in, vielleicht, schwersten Zeiten des Petersburger Dialogs, 2015 zu seinem deutschen Co-Vorsitzenden ernannt worden. Was war ihre persönliche Motivation?

Mein Vater war in russischer Kriegsgefangenschaft und hat mir sehr viel über den Zweiten Weltkrieg, aber auch über seine Gefangenschaft in Minsk und später in Russland erzählt. Und wenn er mir ein Vermächtnis von Jugend an mitgegeben hat, dann, dass es nie wieder zu einem Krieg zwischen unseren beiden Völkern kommen darf. Er wird jetzt in zwei Monaten 91, und bis jetzt ist es seine feste Überzeugung.

Kann man mit der Arbeit im Petersburger Dialog diese Gefahr einer Auseinandersetzung verhindern?

Der Petersburger Dialog ist das einzige offizielle Dialogforum, das es in Zeiten der Sanktionen gibt. Und insofern haben wir eine wichtige Verantwortung. Wir haben die Chance, die unterschiedlichen Positionen auszutauschen und dafür zu werben, wenigstens die andere Position zu verstehen. Meine Lebenserfahrung sagt mir, wenn man sich wechselseitig versteht, kann man sich auch wieder annähern.

Ohne Politik am Tisch – hat es dem Petersburger Dialog geschadet?

Es ist jetzt ein anderes Format. Ich habe für mich Wert darauf gelegt, in dieser veränderten Situation das Bestmögliche daraus zu machen. Und mein Eindruck ist, dass der Petersburger Dialog heute auf russischer wie auf deutscher Seite einen ganz intensiven Austausch ermöglicht.

Am 12.-14. Juli in Sankt-Petersburg findet die große Jahreskonferenz des Petersburger Dialogs statt. Im vorigen Jahr gab es eine Konferenz in Potsdam. Was erwarten Sie von Sankt-Petersburg?

Zunächst freue ich mich, dass wir damit zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in Russland tagen. Wir tagen als Petersburger Dialog in Sankt-Petersburg, und es ist eine wunderbare Symbiose, eine wunderschöne Begebenheit. Wir nutzen den Dialog dann auch noch, um eine gemeinsame Gedenkveranstaltung und gemeinsame Kranzniederlegung vorzunehmen, um an das Datum des Kriegsausbruches vor 75 Jahren zu gedenken. Das ist eine wichtige und notwendige Geste.

Was steht noch in Agenda der Konferenz?

Das Hauptthema der Veranstaltung lautet „Russland und Deutschland im Angesicht globaler Herausforderungen“. Wir werden zwei Hauptredner haben - die Gouverneurin Swetlana Orlowa und Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz. Es finden zwar nicht die Regierungskonsultationen statt, aber wichtige politische Vertreter unserer Länder werden in Petersburg mit uns reden.

Wie wird sich der Dialog weiter entwickeln?

Wir haben eine Erweiterung von 8 auf 10 Arbeitsgruppen durchgeführt. Die russische Seite hat zunehmend auch mehr Vertreter der NGOs auf ihrer Seite. So ist beispielsweise der Chef von Greenpeace Russlands Sergej Ziplenkow jetzt zum Co-Vorsitzenden für die Arbeitsgruppe „Ökologische Erneuerung“ von der russischen Seite benannt worden. Auf der deutschen Seite haben wir unseren Vorstand vergrößert. Wir haben den Lenkungsausschuss abgeschafft, wir haben unsere Mitgliederzahl von 25 auf 61 erhöht. Der Dialog ist bunter, meinungspluraler auf beiden Seiten geworden, und das ist eine sehr schöne Entwicklung.

Ist es mit der Aufnahme neuer Mitglieder in der nächsten Zeit zu rechnen?

Wir haben jetzt zwei Wellen von Neuaufnahmen durchgeführt und unsere Mitgliederzahl mehr als verdoppelt. Ich denke, wir sind damit gut aufgestellt.

Werden die Ausgaben für die deutsche Seite des Dialogs reduziert?

Nein, das Gegenteil ist richtig. Wir haben erstmals seit dem Bestehen des Petersburger Dialogs eine auskömmliche Finanzierung. Die deutsche Bundesregierung unterstützt uns in diesem Jahr mit rund 250.000 Euro. Und ich selbst habe mit unserem Schatzmeister, Herrn Wolfgang Büchele, bereits über 100.000 Euro an Spenden in der Wirtschaft eingesammelt. Insgesamt kommen wir mit weiteren Einnahmen auf einen auskömmlichen Haushalt von rund 450.000 Euro. Am Ende plane ich ein Halbe-Million-Budget. Damit können wir gut arbeiten.

Sie haben gesagt, Sie sehen den Petersburger Dialog als ein neues, „anderes“ Format. Heißt es, das zu den Regierungskonsultationen in Rahmen des Dialogs wird es nicht mehr kommen?

Erstens würde ich mich freuen, wenn es wieder Regierungskonsultation gäbe, weil die Voraussetzung dafür wäre, dass es Frieden in der Ost-Ukraine und dann keine Sanktionen mehr gäbe. Wenn das alles einträte, wäre ich glücklich. Und ich bin der Überzeugung, dass eine Einbettung des Petersburger Dialog in die offiziellen Regierungskonsultationen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen richtig ist und dann wieder offensiv genutzt werden müsste.

Dieser Text wurde freundlicherweise von RIA Nowosti zur Verfügung gestellt und von RBTH nicht verändert.

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