Vier russische Frauen, die im Ausland weltberühmt wurden

Geschichte
JULIA SCHAMPOROWA
Was haben eine amerikanische Schriftstellerin, schwedische Professorin, spanische Kunstmanagerin und deutsche Psychoanalytikerin gemeinsam? All diese Frauen wurden in Russland geboren und emigrierten ins Ausland, um dort Karriere zu machen.

1 Gala Dali (Jelena Diakonowa), Salvador Dalis Managerin und Muse

Während seiner künstlerischen Laufbahn erkannte Salvador Dali, dass er seiner Muse und Managerin Gala Dali seinen Erfolg und seinen Ruhm verdankte: „Ich liebe Gala mehr als meinen Vater, mehr als meine Mutter, mehr als Picasso. Sogar mehr als Geld! Danke, Gala!“

Jelena Diakonowa wurde in der russischen Stadt Kazan in die Familie eines Angestellten geboren, die später nach Moskau zog. Im Jahre 1912 ging die junge Frau für einen Sanatoriumsaufenthalt nach Clavadel in die Schweiz, um sich gegen Tuberkulose behandeln zu lassen, wo sie auf den großen französischen Dichter Paul Eluard traf. Das Paar heiratete und zog nach Frankreich. Ein paar Jahre später trat der deutsche Avantgarde-Maler Max Ernst in die Familie ein und begann, mit dem Ehepaar zusammen zu leben. In dieser Zeit fing Jelena Diakonowa an, das Pseudonym Gala zu benutzen.

Im Jahr 1929 traf die 35-jährige Jelena Diakonowa auf den damals 25-jährigen Salvador Dali und verliebte sich in den jungen, talentierten Maler. Sie wurde seine Frau sowie sein einziges Modell für seine Bilder, seine Managerin und Promoterin.

Gala bezahlte unermüdlich die Zeitungskritiker und suchte nach den passenden Galerien, um Dali zu fördern, kümmerte sich um seine Fans und sprach unentwegt über das Genie ihres geliebten Ehemanns und erzielte großartige Ergebnisse.

In den 1930er Jahren wurden Dalis Gemälde oft schon innerhalb einer halben Stunde nach der Ausstellungseröffnung verkauft. Dali selbst begann an sein eigenes Genie zu glauben und wurde der Vater des Surrealismus.

2 Ayn Rand (Alisa Rosenbaum), libertäre Schriftstellerin und Philosophin

Wer hätte gedacht, dass eine amerikanische Schriftstellerin und Philosophin aus dem 20. Jahrhundert, die Autorin von „Atlas wirft die Welt ab“, ursprünglich eine russische Filmstudentin war, die von einem Durchbruch in Hollywood träumte?

Alisa Rosenbaum, später als Ayn Rand bekannt, wurde in Sankt Petersburg in einer jüdischen Familie geboren und emigrierte im Alter von 20 Jahren ins Ausland.

Ihr Vater besaß eine Apotheke, die nach der russischen Revolution verstaatlicht wurde – eine Tatsache, die ihre späteren philosophischen Ansichten deutlich beeinflusst hat.

Ryan hatte an der Filmhochschule in der Sowjetunion studiert und sich später für ein Praktikum in den Vereinigten Staaten beworben. Ihre Tante emigrierte vor der Revolution in das Land und zeigte sich bereit, sie für ein paar Monate bei sich aufzunehmen. Zur allgemeinen Überraschung erhielt Alice Ryan die Erlaubnis, ihr Praktikum in Amerika machen zu können – in der Sowjetzeit eine Seltenheit. Die junge Frau verließ ihre Familie und ihre Heimat und folgte ihrem Traum, in Hollywoods Filmindustrie Karriere zu machen. Sie änderte ihren Namen in Ayn Rand, doch es kam anders.

Weltberühmt wurde Ayn Rand nach der Veröffentlichung ihrer Romane „Der ewige Quell“ und „Atlas wirft die Welt ab“. Als leidenschaftliche Hymnen an die Freiheit, Individualität und einen vernünftigen Egoismus waren Ayn Rands Bücher eine Reflexion ihrer Philosophie, die später einen großen Einfluss auf die libertäre Bewegung der Vereinigten Staaten hatte.

3 Sofia Kowalewskaja, die weltweit erste Professorin für Mathematik

Um ihren Träumen zu folgen und Mathematik zu ihrem Beruf zu machen, sah sich Sofia Kowalewskaja gezwungen, eine Scheinehe zu schließen – ein Schritt, der zum Glück nicht umsonst war. Sofia Kowalewskaja schaffte es, die erste Professorin für Mathematik der Welt zu werden.

Da in Russland die Frauen Ende des 19. Jahrhunderts noch keine Möglichkeit hatten, eine Hochschulbildung zu bekommen, wollte sie im Ausland studieren, benötigte jedoch als Frau eine schriftliche Erlaubnis ihrer Eltern. Kowalewskajas Vater sprach sich gegen ihr Vorhaben, Mathematik zu studieren, aus. Daraufhin überredete die junge Frau einen Familienfreund, den Biologen Wladimir Kowalewskij, mit ihr eine Scheinehe zu schließen, um dem Einfluss ihres Vaters zu entkommen. Er stimmte zu.

Zunächst ging das verheiratete Paar nach Heidelberg, wo Sofia ihr Universitätsstudium der Mathematik begann, das sie in Berlin fortsetzte.

Den Abschluss ihrer universitären Ausbildung bildete ihre Dissertation über die Theorie der Differentialgleichungen, die Kowalewskaja mit Auszeichnung abschloss. So wurde sie die erste weibliche Mathematikerin in Russland und schließlich die erste Professorin für Mathematik der Welt. Nebenher war Kowalewskaja als Schriftstellerin tätig.

Nach dem Selbstmord ihres Mannes zog sie nach Stockholm, wo sie an der Universität Stockholm zur Professorin am Mathematischen Institut wurde und Vorträge auf Deutsch und Schwedisch hielt.

4 Lou Andreas-Salomé, eine der ersten Psychoanalytikerinnen

Lou Andreas-Salomé ist nicht nur als Schriftstellerin, Philosophin und Psychoanalytikerin, sondern auch als „femme fatale“ der europäischen Gesellschaft ihrer Zeit bekannt. Sie soll beispielsweise Nietzsche um den Verstand gebracht haben, der nach einer Beziehung mit ihr nie mehr heiratete und seinen Lebensabend in einer Irrenanstalt verbrachte. Zudem gilt es als ihr Verdienst, dass sich Rainer Maria Rilke in die russische Kultur verliebte und die Sprache lernte, Leo Tolstoi traf sowie einige seiner schönsten Gedichte schrieb.

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Die talentierte Schriftstellerin und Wissenschaftlerin soll einen so starken weiblichen Charme besessen haben, der Männer nicht nur dazu brachte, sich in sie zu verlieben, sondern auch durch ihre philosophischen und kreativen Ideen beeinflusst zu werden.

Lou Andreas-Salomé wurde in Sankt Petersburg als russische Aristokratin deutschen Ursprungs geboren. Nach dem Tod des Vaters zog sie in die Schweiz, um eine höhere Bildung zu erhalten – eine Option, die den Frauen in Russland damals nicht zur Verfügung stand. In Europa schloss sie sich elitären intellektuellen Kreisen an, schrieb Romane und Gedichte und lebte ihre mutigen feministischen Ansichten.

Im Jahr 1911 traf Salome Sigmund Freud und widmete 25 Jahre ihres Lebens der Psychoanalyse. Sie schrieb mehr als 130 Artikel und zahlreiche Bücher zu diesem Thema, darunter ihr bekanntestes Werk „Die Erotik“ und hatte eine psychoanalytische Praxis in Göttingen.

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