Das Überlaufen von der deutschen Wehrmacht zur Roten Armee während des Zweiten Weltkriegs war natürlich kein weit verbreitetes Phänomen, zumal darauf drakonische Strafen standen. Dennoch wechselten im Laufe der Kriegsjahre Hunderte Deutsche auf die sowjetische Seite. Kaum einem von ihnen jedoch erlaubte die sowjetische Führung eine Kampfbeteiligung, eher wurden die Überläufer weit weg von der Frontlinie gehalten, damit sie nicht wieder die Fronten wechseln konnten.
Fritz Schmenkel aber, ein einfacher Arbeiter aus Stettin (heute Szeczin in Polen) und eingezogener deutscher Frontsoldat, erhielt nach seiner dem Überlaufen zur Sowjetunion die Chance zu kämpfen und tat das über Jahre auf der Seite der sowjetischen Partisanen gegen die deutschen Angreifer. Schmenkel organisierte eine Vielzahl von Operationen und Sabotageakten gegen die Wehrmacht und nahm auch selbst an ihnen teil. Sein antifaschistisches Engagement jedoch wurde letztlich erst zwanzig Jahre nach seinem Tod entsprechend gewürdigt.
Der stramme Anti-Nazi
Fritz Schmenkel war immer schon gegen die Nazis gewesen, erst recht, nachdem sie seinen Vater bei einer Kommunistendemonstration 1929 ermordet hatten. Sohn Fritz ging dann zur Liga der Jungen Kommunisten Deutschlands. Er war zwar selbst nie an irgendwelchen Operationen beteiligt, fand sich dennoch schon bald unter ständiger Beobachtung der Gestapo wieder.
1938 wurde Fritz Schmenkel dann zum üblichen Wehrdienst eingezogen. Wegen seiner wiederholten Antikriegsäußerungen jedoch wurde er bald schon von der Armee ausgeschlossen und ins Gefängnis gesteckt. Nach seiner Entlassung im Oktober 1941 sollte er dann an der Ostfront im Kampf gegen die Sowjetunion „umerzogen“ werden. Er aber entschied sich dagegen – und desertierte. In seinem letzten Brief an seine Frau Erna schrieb er am 25. November 1941:
„Jetzt weiß ich, was zu tun ist!“
„Lenin, Stalin, Thälmann”
Ende November 1941 lief Fritz Schmenkel dann von seiner 186. Infanteriedivision der Wehrmacht in der Region Smolensk fort und versteckte sich in örtlichen Dörfern, um so letztlich die Einheiten der Roten Armee erreichen zu können.
Schmenkel sprach kein Russisch, kannte nur eine Wortkombination: “Lenin, Stalin, Thälmann”. Aber auch diese half ihm, von den Anwohnern versteckt zu werden. Er half ihnen im Gegenzug im Haushalt und auf dem Hof.
Dann aber endete seine Glückssträhne: Die Deutschen fanden ihn und verurteilten ihn umgehend zur Hinrichtung als Deserteur. Retten konnte ihn davor letztlich nur noch der sowjetische Partisanenbataillon „Tod dem Faschismus“, der zur selben Zeit das Dorf erreichte, in dem Schmenkel sterben sollte. Sie nahmen ihn gefangen und er entging so dem Tod durch die Kugel seiner einstigen Kameraden.
Iwan Iwanowitsch
Trotz seiner Geschichte, die den Partisanen durchaus bekannt war, hatten sie wenig Vertrauen in den Deutschen Schmenkel. Darum erhielt er von ihnen nur ein Fernglas, aber keine Waffen. Sollte er auch nur einen Fuß in die falsche Richtung setzen, sollte er umgehend erschossen werden.
Als dann aber das Dorf, in dem sich die Partisanen mittlerweile aufhielten, von deutschen Truppen umstellt wurde und Schmenkel auch noch zufällig ein Gewehr fand, erhielt er endlich die sehnsüchtig erwartete Chance, sich und seine Überzeugungen zu beweisen. Er überzeugte seine Partisanenkameraden mit perfekten Schüssen und trug damit einen großen Teil zur Rettung der Partisanengruppe bei. Damit erkämpfte sich Schmenkel das Vertrauen seiner neuen Kameraden und einen neuen Spitznamen: Iwan Iwanowitsch.
Schmenkel lehrte die Partisanen, wie man eine deutsche MG-42 benutzt, er nahm an Kampfhandlungen teil und konfiszierte Kriegsbeute. In Sabotageaktionen gab er sich gar als deutscher Leutnant aus.
Die Kunde von dem Deutschen, der auf sowjetischer Seite gegen die Wehrmacht kämpfe, erreichte dann auch bald Berlin. Als Belohnung für die Auslieferung Schmenkels versprach die Führung den sowjetischen Bürgern dann gar acht Hektar Land, ein Haus und eine Kuh. Deutsche Soldaten, die Schmenkel ausliefern sollten, hätten 2000 Reichsmark und einen Monat Fronturlaub bekommen.
Aber nein, Iwan Iwanowitsch entging am 23. Januar 1943 selbst dem Tod, als deutsche Truppen mit ihrer weitreichenden Operation „Fallender Stern“ die Gruppe „Tod dem Faschismus“ völlig ausmerzen wollten. Mehr als 1500 der 4000 Partisanen wurden dabei getötet oder gefangengenommen. Nicht aber Schmenkel.
Die sowjetische Militärführung entschied dann, dass Schmenkels Talent durchaus auch in großen Sabotagemissionen nützlich sein könnte. So wurde er dann vor allem im Rahmen der Sabotageeinheit „Feld“ auf belorussischem Territorium eingesetzt. Seine letzte Operation hinter der Frontlinie führte er Ende Dezember 1943 durch, wurde nach einigen Wochen jedoch gemeinsam mit zwei seiner sowjetischen Kameraden von den Deutschen geschnappt und im noch immer okkupierten Minsk am 22. Februar 1944 hingerichtet. Sein Name geriet damit für lange Zeit in Vergessenheit.
Späte Erinnerung, späte Würdigung
Erst 1961 tauchte der Name Fritz Schmenkel wieder auf, als die Sowjetführung den Fall einer durch Schmenkels Soldaten zerstörten Polizei-Einheit untersuchte. Überrascht von den Erfolgen des Deutschen im Kampf gegen die Wehrmacht sammelte die Untersuchungskommission mehr Informationen über Schmenkel. Nach drei Forschungsjahren waren seine Verdienste überzeugend genug, dass man ihm posthum noch die höchsten Militärorden der Sowjetunion verlieh: den Lenin-Orden und den eines Helden der Sowjetunion.
Damit wuchs Schmenkels Popularität: überall erschienen über ihn Artikel, Bücher und Filme.