„Tod den Spionen“: Die Geschichte des sowjetischen Abwehrdienstes SMERSch

Geschichte
OLEG JEGOROW
Vor 75 Jahren gründete Josef Stalin einen neuen militärischen Abwehrdienst, um deutsche Agenten zu täuschen. Dennoch ist die Organisation dafür berüchtigt, auch unschuldige Menschen ermordet zu haben. Hier ist die Geschichte von SMERSch.

Am 19. Dezember 1954 wurde ein 46-jähriger Offizier, der wegen Landesverrats angeklagt war, nach monatelanger Folter durch den KGB in Leningrad erschossen. Wie der Scharfrichter sich erinnerte, schrie der Offizier, nur Sekunden bevor er tot umfiel: „Ich werde alles dem Politbüro melden! Alles!“ Mit dem Politbüro meinte er wohl den politischen Gipfel der Kommunistischen Partei, de facto - die Regierung.

Er kam nicht dazu. Wiktor Abakumow, der ehemalige Chef von SMERSch, der effektivsten Spionageabwehrorganisation der Kriegszeit von 1943 bis 1946, wurde für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, vor Gericht gestellt und hingerichtet und wie viele andere einstmals mächtige Staatsmänner vergessen. Aber es gab Zeiten, in denen er und SMERSch das Leben und den Tod von Millionen von Menschen beeinflussten.

Wichtige Mission, extravaganter Name

SMERSch wurde im April 1943 erschaffen, nachdem Stalin beschlossen hatte, dass eine militärische Spionageabwehrfraktion für die Armee, und nicht nur für die staatlichen Sicherheitsorgane, unerlässlich sei. Wie Waleri Christoforow, ein Experte des russischen Geschichtsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften, gegenüber RIA in einem Interview sagte (rus): „Es wurde etabliert, um den Informationsfluss zu verbessern. Abakumow überlieferte die wichtigsten Dokumente direkt an Stalin.“

Damals waren die Spionageabwehrbestrebungen entscheidend für den Vormarsch der Roten Armee nach Westen. „Die Armee musste besetzte Gebiete befreien, in denen die Deutschen ihre Agenten zurückgelassen hatten. Außerdem mussten sie sich mit den gefangenen Deutschen befassen, herausfinden, wer unter den Sowjets gefangen war und warum, und ob es Verräter gab...“, sagte (rus) der Historiker Alexander Sdanowitsch dem Fernsehsender Swesda.

Berichten zufolge (rus) gab Stalin selbst der neuen Organisation ihren Namen. SMERSch steht für „SMERt Schpionam“, wortwörtlich „Tod den Spionen“. Der erste Name lautete wohl SMERNESch – „SMERt NEmetskim Schpionam“, „Tod den deutschen Spionen“, aber der sowjetische Staatschef entschied, dass es wichtig sei zu betonen, dass die neue Organisation alle Spione eliminieren würde.

Die Reihen säubern… auf eine brutale Art und Weise

Abakumow, der stets ein loyaler und rücksichtsloser Anhänger Stalins gewesen war, leistete einen guten Dienst bei der Organisation. Nach offiziellen Angaben (rus) „neutralisierte SMERSch während des Krieges mehr als 30 000 von Hitlers Agenten und mehr als 3 500 Saboteure“. Der deutsche Feldmarschall Wilhelm Keitel erklärte (rus) während des Nürnberger Prozesses, dass „der deutsche Geheimdienst es nicht geschafft hat, die militärischen Aktionen während des Krieges zu beeinflussen“. SMERSch hatte sich viel Mühe gegeben.

Gleichzeitig jedoch beschuldigt ein Teil der russischen Gesellschaft SMERSch, unschuldige Menschen getötet zu haben. Im Jahr 2013 verglich (rus) der liberale Politiker Leonid Gosman SMERSch mit Hitlers SS: „Diese Organisation war nicht weniger mörderisch... Ich weiß nicht, wie viele Menschen sie erschossen haben und wie viele in Lager gesteckt wurden“, sagte er. Diese Aussage löste eine heftige öffentliche Debatte aus.

Tatsächlich hatten viele, die von SMERSch verhaftet wurden, nichts mit Spionage zu tun. Eine große Anzahl waren Deserteure und „Selbstschützen“, Personen, die sich absichtlich selbst verletzten, da sie Angst hatten zu kämpfen oder Menschen, die als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurden. So endete der Hauptmann Alexander Solschenizyn, ein später berühmter Schriftsteller und Dissident, im Jahr 1945 im Gulag - SMERSch hatte seine Briefe, in denen er Stalin kritisierte, gelesen.

Die Kontroverse

Selbst nach den eigenen Statistiken (rus) von SMERSch übertraf die Zahl der Festgenommenen (594 000) die Zahl der deutschen Agenten erheblich. Wie der Oberst Alexander Lebedinzew, ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, in einem Gespräch (rus) mit AiF sagte, „haben viele SMERSch-Offiziere während des Krieges keinen einzigen Spion gefangen. Leider gab es viele andere, vor allem Selbstschützen.“

Andererseits „verlor SMERSch statistisch gesehen so viele Offiziere wie die Rote Armee", sagte (rus) Waleri Christoforow. Vier SMERSch Offiziere wurden nach ihrem Tod mit der Auszeichnung „Held der Sowjetunion“ geehrt.

Spezielle Aufgaben

Abgesehen davon, Spione und Deserteure gefangen zu halten, scheute SMERSch keine Mühen, die Deutschen zu täuschen. „Im Jahr 1943 bestand Stalin darauf, Operationen für die Desinformation zu verstärken“, sagte Sdanowitsch. „SMERSch hat während des Krieges 183 solcher Operationen durchgeführt.“ Einige waren kompliziert, wie den sowjetischen Agenten Alexander Koslow zu der deutschen Nachhut zu schicken, wo er sich an der Geheimdienstschule einschrieb und die Deutschen in vielen wichtigen Angelegenheiten falsch informierte.

Als die Rote Armee im Mai 1945 in Berlin einmarschierte, bemühte sich SMERSch, Adolf Hitler festzunehmen. Sie scheiterten, da er Selbstmord beging, aber die Arbeit von SMERSch half, das Gerücht aus der Welt zu schaffen, dass er noch am Leben sei, da sie Fragmente seiner Knochen fanden.

Ruhmloses Ende

Nach dem Krieg wurde SMERSch aufgelöst, da seine Mission erfüllt war. Abakumow stieg in seiner Position auf und wurde 1946 zum Staatssicherheitsminister ernannt. Der Aufstieg hielt jedoch nicht lange an. Durch einen Kampf innerhalb der Parteielite besiegt, wurde er 1951 auf Befehl Stalins inhaftiert und drei Jahre später von seinen Nachfolgern hingerichtet. Er gestand niemals schuldig zu sein, obwohl er gefoltert wurde, aber wie so oft in diesen brutalen Zeiten, half es ihm nicht. Der Chef von SMERSch verschwand und mit ihm die ganze Organisation.

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