Revolution in Afghanistan: Warum hat die Sowjetunion sie nicht unterstützt?

Der erste Einmarsch sowjetischer Truppen nach Afghanistan fand nicht, wie allgemein angenommen, 1979 statt, sondern 50 Jahre zuvor. Damals hatte das größte sozialistische Land der Welt überraschend nicht die revolutionären Massen, sondern den gestürzten afghanischen Regierungschef zu unterstützen.

Lange vor der Saur-Revolution und dem sowjetischen Militäreinsatz in Afghanistan haben bereits sowjetische Soldaten bereits vor Ort gekämpft. Als Einheimische maskiert, aber mit russischen "Hurra!"-Schreien nahmen sie aktiv am Bürgerkrieg der späten 1920er Jahre teil.

Die politische Situation in Afghanistan war für die sowjetische Führung seit jeher ein wichtiges Thema, da sie die Sicherheit der benachbarten zentralasiatischen Region unmittelbar beeinflusste. Als 1929 der König Amanullah Khan von Revolutionären abgesetzt wurde und damit ein Bürgerkrieg ausbrach, konnte die UdSSR nicht einfach im Abseits stehen bleiben.

Auf der einen Seite kämpften Massen einfacher Menschen gegen die Elite – solche Initiativen wurden von der Sowjetunion weltweit bis dato weitestgehend unterstützt. Auf der anderen Seite unterhielt das Afghanistan unter Amanullah Khan jedoch gute Beziehungen zur UdSSR. Beide Länder erweiterten die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit, der afghanische Herrscher hielt effektiv die antisowjetischen Basmatschi-Rebellen im Zaum, die während des russischen Bürgerkriegs aus der UdSSR nach Afghanistan geflohen waren und das sowjetische Territorium mit ihren zahlreichen Razzien terrorisierten. Die Wahl, die Moskau treffen sollte, um die Situation bestmöglich zu nutzen, war schwer.

Für wen, gegen wen?

Überraschenderweise beeilte sich die Sowjetunion nicht gerade, die revolutionären Bauernmassen unter der Führung des "Sohnes eines Wasserträgers", Habibullah Kalakani, zu unterstützen. Georges Agabekow, ein sowjetischer Geheimdienstagent in Afghanistan in den 1920er Jahren, der 1930 in den Westen übergelaufen war, sagte, dass die Meinungen geteilt seien, auf welcher Seite die UdSSR im andauernden Konflikt stehen solle.

Die sowjetische OGPU-Geheimpolizei, die Vorgängerin des zukünftigen KGB, forderte die Unterstützung der Revolutionäre, die ja die breite Bevölkerung vertraten. Die OGPU ging davon aus, dass die Unterstützung Habibullahs letztlich ganz Afghanistan sowjetisieren könnte, so Agabekov.

Das Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten (seit 1946 sowjetisches Außenministerium) war da jedoch anderer Meinung. Die Diplomaten sagten, dass Habibullah Kalakani, ein ethnischer Tajik, die starke Unterstützung der Millionen von Tadschiken, die im Norden Afghanistans in unmittelbarer Nähe der UdSSR lebten, hatte. Wenn Habibullah mehr Macht gewinnen würde, würde er unweigerlich versuchen, seinen Einfluss auch auf die sowjetischen Republiken in Zentralasien auszudehnen und die sowjetisch-afghanische Grenze zu destabilisieren.

Die Worte der sowjetischen Diplomaten erwiesen sich als wahr: Habibullah verbündete sich mit dem Basmatschi-Führer Ibrahim Bek, und die Razzien von Basmatschi in die UdSSR nahmen deutlich zu. Außerdem wurde Habibullah aktiv von den Briten unterstützt. Darum entschied die sowjetische Führung, Amanullah Khan zu unterstützen und der Region so Stabilität zurückzugeben.

Eine geheime Kampagne

Die Sowjetunion wollte der Welt ihr militärisches Engagement im Bürgerkrieg in Afghanistan jedoch nicht offen demonstrieren. Die mehr als 2000 Soldaten der Roten Armee wurden darum als afghanische Soldaten verkleidet. Sie wurden vom ehemaligen sowjetischen Militärattaché in Afghanistan, Witalij Primakow, angeführt, der sich als „kaukasischer Türke" und Offizier Ragib-bey ausgab.

Die Einheit wurde vom afghanischen Rat in der UdSSR unter der Führung von Ali Gholam Nabi Khan begleitet, der ihr einen legalen Status verlieh. Der Rat gab vor, eine Einheit von Amanullahs Anhängern zu sein, die gezwungen worden seien, das Land zu verlassen und nun bereit wären, zurückzugehen und für ihren König zu kämpfen.

Gut ausgerüstet mit Maschinengewehren und Artillerie, marschierte die Militäreinheit dann am 15. April 1929 in Afghanistan ein. Mit Luftunterstützung zerschlug sie die afghanischen Grenztruppen und rückte weiter in die Provinz Balkh in die Großstadt Mazar-i-Sharif vor. Gleichzeitig verließ der gestürzte Souverän Amanullah Khan Kandahar, wo er sich nach seiner Flucht aus Kabul versteckt hatte. Mit 14.000 Soldaten rückte er in die von Habibullah besetzte afghanische Hauptstadt vor.

Neue afghanische Vokabel: „Urra!“

Während des Sturms der Stadt vergaßen die sowjetischen Soldaten, dass sie ja vorgeben mussten, Afghanen zu sein. Und zogen plötzlich mit russischen "Hurra!"-Schreien in den Kampf.

Nachdem Mazar-i-Sharif eingenommen worden war, forderten die Afghanen eindenen Dschihad gegen die Invasoren und blockierten die sowjetischen Truppen in der Stadt. Um Primakows Soldaten zu helfen, kam eine zweite Einheit von 400 Männern unter der Führung von "Zalim Khan" (sowjetischer Kavalleriekommandant Iwan Petrow) ins Land.

Die gemeinsamen sowjetischen Truppen haben erfolgreich die Belagerung aufgehoben, Habibullahs Nationalgarde und Basmachi-Einheiten aufgelöst und sind durch die Stadt Balkh in Richtung Kabul vorgedrungen. Am 22. Mai wurde jedoch bekannt, dass Amanullahs Truppen in der Nähe von Kabul eine katastrophale Niederlage erlitten hatten und er selbst aus dem Land geflohen war. Sämtliche Gründe für den Verbleib der sowjetischen Truppen in Afghanistan waren fort, die Einheit wurde dringend nach Hause zurückgerufen.

Während der afghanischen Militäroperation eliminierten die sowjetischen Truppen über 8000 feindliche Soldaten und verloren selbst etwa 120 Mann. In den sowjetischen Militärdokumenten wurde die Operation als Kampf gegen Banditen in Zentralasien erwähnt. Es war lange Zeit verboten, über diese Kampagne in der historischen Literatur zu schreiben.

>>> Die drei erfolgreichsten Operationen der sowjetischen Streitkräfte im Afghanistan-Krieg

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