Sowjetisches Bildungssystem: Was ein Kind in der UdSSR lernen musste

Evgeny Khaldey/MAMM/ russiainphoto.ru
Der Sowjetunion war es einst gelungen, im Bildungssystem ein ehrgeiziges Modernisierungsprogramm zu verwirklichen. Durchgreifende Reformen berührten alle Elemente des Bildungsprozesses, angefangen im Kindergarten.

Vor der Revolution 1917 gab es nur ein paar Dutzend Kindergärten für das gesamte Russische Reich. Das alles änderte sich dramatisch, nachdem die Bolschewiki die Macht übernommen hatten und begannen, ihre Slogans zur Gleichberechtigung der Frauen zu verwirklichen und die aktive Beteiligung von Frauen an allen Formen des sozialen Lebens zu propagieren. Dies beinhaltete auch den Ausbau eines Netzwerks von Vorschuleinrichtungen.

Der Gründer des sowjetischen Staates, Wladimir Lenin, nannte Kindertagesstätten und Kindergärten "die Sprossen des Kommunismus". Seiner Meinung nach sollten diese Einrichtungen "tatsächlich die Frau befreien, in Wirklichkeit ihre Ungleichheit verringern und beseitigen, indem sie ihre Rolle in der sozialen Produktion und im sozialen Leben stärken."

Ab Mitte der 1920er Jahre begann das Netzwerk von Kindergärten auch das Land zu erreichen. 1941 besuchten schon zwei Millionen sowjetische Jungen und Mädchen Kitas. In 30 Jahren stieg diese Zahl auf zwölf Millionen Kinder.

1959 wurden Kindertagesstätten und Kindergärten vereint. So kümmerte sich der Staat um ein Kind ab zwei Monaten bis er oder sie sieben Jahre alt wurde und zur Schule gehen konnte.

Zur Zeit der bolschewistischen Revolution war das Niveau der Alphabetisierung im Reich auffallend niedrig. Am Ende des 19. Jahrhunderts konnten nur 21% der Bevölkerung lesen und schreiben. Die Sowjets starteten darum die sogenannte Likbes-Kampagne, das Netz der eigens eingerichteten Büros erstreckte sich über das ganze Land. Bis 1926 wurde jedoch nur eine Million Menschen alphabetisiert.

Der eigentliche Durchbruch erfolgte 1930, als die universelle Grundschulbildung in der UdSSR eingeführt wurde. In den frühen 1940er Jahren wurde das Problem des Analphabetismus weitgehend gelöst.

Wie sich Zeitzeugen erinnerten, war es für bestehende Schulen schwierig, Neuankömmlinge nach dem Erlass über die allgemeine Bildung aufzunehmen. Schulkinder mussten in drei Schichten eingeteilt werden: Die Jüngsten begannen um 8 Uhr und waren mittags fertig, dann kam die Zeit für die älteren Schüler, und von 18 Uhr bis 10 oder sogar 11 Uhr wurden die ältesten Schüler unterrichtet.

Die ersten Jahrzehnte der UdSSR war die Zeit großer Experimente in der Bildung. Eines davon betrifft die Geschichte, sie erhielt den Status einer separaten Disziplin. Historische Ereignisse wurden bis dato im Rahmen anderer Sozialwissenschaften chaotisch studiert. Erst im Jahr 1934 wurde die Geschichte "rehabilitiert" und kehrte in die Schulen zurück.

Der Große Vaterländische Krieg hat dann - wie die gesamte Gesellschaft - auch Bildungsinfrastruktur schwer getroffen. Es sollte Jahre dauern, die Schäden zu reparieren. Die Behörden haben große Anstrengungen unternommen, um die Schulbildung zu erhalten. Dabei wurde oft einem bestimmten Schüler wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt und bestimmte Vorteile für Lehrer wurden eingeführt.

Im Kontext des Kalten Krieges und des sich verschärfenden technologischen Wettbewerbs lenkte der sowjetische Staat seine Aufmerksamkeit immer mehr auf die Naturwissenschaften, insbesondere auf die Mathematik. Ein wahrer Boom der Mathematik begann in den späten 1950er Jahren in dem Land. Spezielle mathematische Schulen wurden eingerichtet. Die Absolventen dieser Schulen erarbeiteten dann ab den 1950er Jahren das sowjetische Raumfahrtprogramm.

Neben der Schulbildung als solcher gab es in der UdSSR auch spezielle Vereine, an denen die Schüler kostenlos teilnehmen und zahlreiche Dinge studieren konnten: von der Fotografie bis zum Luftfahrtdesign.

Es ist schwer, sich an die sowjetische Schule zu erinnern, ohne die Pioniere zu erwähnen, die sowjetische Version der Pfadfinder. Obwohl ihre Aktivitäten einen ideologischen Charakter trugen, waren sie hauptsächlich der Freiwilligenarbeit gewidmet. Die Jugendlichen sammelten Altpapier oder Metallteile für die spätere Wiederverwendung. Sie sammelten auch Erfahrungen in der Selbstverwaltung und in der Hilfe für ältere Menschen.

Die UdSSR hat auch Ressourcen in die Entwicklung der Hochschulbildung gepumpt. Direkt nach der Revolution gründeten die Bolschewiki zahlreiche neue Universitäten. Noch mehr wurden in den 1930er Jahren gegründet, als das groß angelegte Industrialisierungsprogramm neue Spezialisten benötigte. Ab den 1950er Jahren kam es zu einer neuen Gründungswelle von Instituten und Universitäten. Im Jahr 1975 gab es fast fünf Millionen Hochschulstudenten in der UdSSR.

Einige dieser Studenten waren auch Ausländer aus Entwicklungsländern, die gegenüber der UdSSR freundlich eingestellt waren. 1960 gründeten die sowjetischen Behörden die Universität für Völkerfreundschaft in Moskau. Erklärtes Ziel war es, jungen Menschen, vor allem aus Lateinamerika, Asien und Afrika eine gute Ausbildung zu ermöglichen.

Der Erhalt einer höheren Bildung in der UdSSR bedeutete nicht nur Wissen, sondern oft auch physische Arbeit. Während der Sommersaison bildeten Studenten sogenannte Studentenbaubrigaden, die an für die sowjetische Wirtschaft wichtigen Bauprojekten eingesetzt wurden. Die Idee dahinter war, den Schülern ein Gefühl für Arbeitsethik zu vermitteln, das auf dem Respekt gegenüber der Arbeit beruht.

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