Die Lenin-Rettung: Wie die berühmte Leiche vor den Deutschen geschützt wurde

Geschichte
BORIS JEGOROW
Während des Deutsch-Sowjetischen Kriegs wurde Wladimir Lenins Leichnam heimlich von Moskau in die abgelegene sibirische Wildnis gebracht. Zusammen mit seiner Leiche wurden noch weitere wertvolle Teile des Körpers und Gegenstände transportiert.

Es wird allgemein angenommen, dass Wladimir Lenin, der vielleicht größte Revolutionär der Geschichte, seit seinem Tod im Jahr 1924 stets in dem dafür gebauten Mausoleum auf dem Roten Platz untergebracht war. Diese Annahme ist aber nicht ganz richtig. Für eine Dauer von fast vier Jahren, als die Kämpfe im europäischen Russland wüteten, war Lenin an einem anderen Ort.

Während des Deutsch-Sowjetischen Kriegs wurde sein Leichnam heimlich von Moskau nach Sibirien gebracht, wo er fast den kompletten Krieg verbrachte.

Notfall-Evakuierung

Die ersten Wochen des Kriegs gegen Nazideutschland waren eine Katastrophe für die Sowjetunion. Die Wehrmacht zerschlug die sowjetische Westfront in kürzester Zeit und besetzte den Großteil des Baltikums sowie die Westukraine und Weißrussland. Obwohl Moskau nicht direkt bedroht war, begann die sowjetische Führung in weiser Voraussicht darüber nachzudenken, die Kostbarkeiten der Hauptstadt an einen anderen Ort zu bringen, zu denen der Körper des „Führers der russischen Revolution“ zweifellos dazugehörte. Es wurde eigens eine Sonderkommission eingerichtet, die den möglichen Schaden auf das Mausoleum durch einen deutschen Luftangriff abschätzen sollte. Sie kam zu dem Schluss, dass selbst kleine Bomben sowohl das Mausoleum als auch seinen wertvollen Inhalt komplett zerstören würden.

Die Entscheidung, den Leichnam zu verlegen, war damit getroffen. Am 3. Juli ließ das Volkskommissariat für Staatssicherheit (NKGB), das später den ersten Buchstaben ablegen um zum KGB werden würde, die entsprechende Anweisung verlauten. Sie besagte, dass Lenins Leiche unverzüglich mit einem Sonderzug in die sibirische Kleinstadt Tjumen transportiert werden solle. Die Stadt wurde von Stalin gewählt, weil sie kein strategisches Zentrum und daher kein Hauptziel der deutschen Angreifer war.

Der Abtransport erfolgte gerade rechtzeitig: Nach nur wenigen Wochen, am 22. Juli 1941, begannen die ersten deutschen Luftangriffe.

Geheimer Zug

Der Waggon, in dem Lenins Leiche für die Reise untergebracht war, wurde mit speziellen Stoßdämpfern und Einrichtungen, um das notwendige Mikroklima zu gewährleisten, ausgestattet. Die komplette Reise über wurde der Leichnam von einem ganzen Team von Spezialisten überwacht.

Die Sicherheit an Bord als auch an den Haltestellen wurde durch Offiziere des Volkskommissariats für Staatssicherheit (kurz NKGB) gewährleistet. Außerdem wurde die Eisenbahnstrecke im Voraus sorgfältig überprüft.

Der Weg nach Tjumen, der bei einer direkten Zugfahrt nach Osten 1 500 Kilometer betragen hätte, wurde durch einen großen Umweg nach Norden über Jaroslawl verlängert. Die unbewohnten Gebiete der Region Jaroslawl wurden ausgewählt, um unerwünschtes Interesse an der geheimen Mission zu vermeiden.

Erst als der Zug am 7. Juli in Tjumen ankam, erfuhr die lokale Leitung, was sich wirklich in der „geheimen Lieferung“ befand. Lenins Leichnam machte die Reise zusammen mit seinem Herzen, einem Teil seines Gehirns und einer Kugel von einem während seines Lebens gescheiterten Attentat.

Sibirisches Exil

Der Sarkophag mit der Leiche von Wladimir Lenin wurde in das leer stehende Gebäude einer ehemaligen Schule gebracht . Das Team der Einbalsamierungsspezialisten wohnte in den benachbarten Räumen. Die äußere Umgebung wurde von der lokalen Zweigstelle des NKGB bewacht, während das Gebäude von Sicherheitsbeamten des Kremls aus Moskau gesichert wurde.

Trotz der neuen Umgebung wurde die Ehrengarde beibehalten und auch in Moskau lief alles normal weiter, damit niemand Verdacht schöpfte, dass das Mausoleum in Wirklichkeit leer stand.

Lenins Leiche blieb für drei Jahre und neun Monate in Tjumen, bis die sowjetische Führung Anfang 1945 beschloss, sie zurück nach Moskau zu bringen.

Dieses Mal gab es jedoch keine Eile – die Planung des Rücktransportes dauerte einen ganzen Monat. Am 26. März wurde der Körper des bolschewistischen Führers in seinen gläsernen Sarg im Mausoleum zurückgebracht, wo er bis heute aufbewahrt wird.

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