Verbotene Liebe: Die Geschichte einer sowjetischen Schauspielerin und ihres US-Admirals

Geschichte
ALEXANDRA GUSEWA
Diese Liebenden trafen sich am Ende des Zweiten Weltkrieges in Moskau. Doch bald wurde er aus der UdSSR deportiert. Erst viele Jahre später erfuhr er, dass hinter dem Eisernen Vorhang eine Tochter auf ihn wartete.

Der russische Filmstar Soja Fjodorowa und der amerikanische Marineoffizier Jackson Tate trafen sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges im Januar 1945 in Moskau. Er war da auf einer Militärmission. Sie sahen sich bei einem Empfang im Außenministerium der UdSSR Angelegenheiten und verliebten sich auf den ersten Blick. Als sie sich verabredeten, erkannten sie das Risiko nicht: Jede Verbindung mit einem Ausländer konnte einen Sowjetbürger ins Gefängnis bringen. 

Aber Soja hielt ihren Jackson für so schön und die Amerikaner doch für Verbündete der UdSSR im Krieg. Nach einer unglücklichen Ehe schien das Treffen mit dem hübschen Tate sie wieder zum Leben erweckt zu haben. Zu Jacks Überraschung bat Soja ihn, keine Militäruniform zu ihrer Verabredung zu tragen und still zu bleiben, um nicht zu verraten, dass er Amerikaner ist.

„Viktoria“ bedeutet Sieg

Die Geheimhaltung ihrer Treffen verstärkte nur noch ihre Gefühle füreinander. Die Liebenden schmiedeten Pläne für ein gemeinsames Leben, und in der Nacht des 9. Mai erzählte Soja Jack, dass sie das Gefühl habe, in dieser Nacht schwanger zu werden. Sie beschlossen, das Baby zu Ehren des Sieges zu benennen: Viktor oder Viktoria.

In den harten Jahren des Stalin-Regimes hatte das junge Paar nur geringe Chancen. Und so wurde ihre Hoffnung auf Glück durch die unheimlichste Gestalt in Stalins innerem Kreis, Lawrentia Beria, dann auch wirklich ruiniert. Er ist bekannt als Hauptfigur hinter Terror und Repressalien - und gilt als großer Bewunderer von Frauen. Es war seine Hilfe, die Fjodorowa 1941, vor Ausbruch des Krieges, suchen musste, um ihren Vater, einen Revolutionär und überzeugten Kommunisten, zu retten, der wegen einer unklugen Bemerkung über Stalin verhaftet worden war. Begeistert von ihrer Schönheit, lässt Beria Sojas Vater frei. Dann lud er die Schöne angeblich zum Geburtstag seiner Frau ein - offenbar in der Erwartung, für seinen Gefallen belohnt zu werden. Als sie ankam und die Täuschung entdeckte - Berias Frau war nicht einmal zu Hause -, ließ die junge Schauspielerin ihn stehen. Er war enttäuscht und wütend.

Der Kriegsbeginn rettete Soja vor sofortiger Vergeltung, aber Beria hatte sie doch nicht vergessen. Er verfolgte ihren Lebensweg aufmerksam weiter. Kurz nach dem 9. Mai 1945 wurde die Schauspielerin dann unerwartet auf eine Tournee an die Schwarzmeerküste geschickt, um für verwundete Soldaten aufzutreten. Jack wurde derweil umgehend aus der Sowjetunion ausgewiesen. Er erfuhr nicht einmal mehr, dass Sojas Ahnung in Erfüllung gehen sollte: Sie erwartete ein Kind von ihm.

Vater verloren, Mutter gefunden

Der sowjetische Geheimdienst NKWD war dann der erste, der von Sojas Schwangerschaft erfuhr. Selbst im Krankenhaus, wo das Kind geboren wurde, blieb sie unter Beobachtung. Erst da begriff die junge Mutter, dass Beria mit ihr abrechnete.

Jackson schrieb Soja derweil Briefe aus Amerika, aber sie hat keinen von ihnen bekommen. Und statt einer Antwort seiner Geliebten erhielt Jack einen anonymen Brief, in dem er aufgefordert wurde, Soja nicht mehr zu belästigen. Der Brief stammte höchstwahrscheinlich vom NKWD.

Als die kleine Viktoria noch nicht einmal ein Jahr alt war, wurde ihre Mutter verhaftet. Im Verhör wurde Soja gesagt, Jack sei ein Spion und sie habe ihm geholfen an Informationen zu kommen. Die Schauspielerin wurde beschuldigt, eine kriminelle Bande organisiert zu haben, die Stalin töten wolle. Sie wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Aber die kleine Viktoria kam nicht in uns Waisenhaus. Sojas Mutter konnte die Kleine mit nach Kasachstan ins Exil nehmen und sie dort als ihre Tochter großziehen.

Als Stalin dann 1953 starb, wurde Soja rehabilitiert. Sie begann sie wieder zu schauspielern und konnte Viktoria zurückholen.

Erste Kontaktversuche

Vorsichtig begann Soja nach einem Weg zu suchen, Jack zu kontaktieren und ihm zu erzählen, dass er eine Tochter hatte. Eine Gelegenheit bot sich, als ihr ein Freund aus dem Moskauer Hotel „Ukraina“, in dem oft Ausländer wohnten, den Rat gab, mit der Amerikanerin Irene Kirk, Professorin an der Universität Connecticut, die damals in Moskau arbeitete, zu sprechen. Kirk war Nachfahrin eines Offiziers der Weißen Garde, der aus Russland geflohen war, und hatte ihre Kindheit mit Filmen mit Soja Fjodorowa verbracht.

Die 15-jährige Viktoria hatte bereits genug davon, ohne Vater aufzuwachsen und als Tochter eines "Volksfeindes" bekannt zu sein. Zum ersten Mal erzählte Soja ihrer Tochter, wer ihr Vater wirklich war. Vorher hatte sie immer von einem russischen Piloten gesprochen, der im Krieg getötet worden sei.  Die Jugendliche freute sich sehr über ihren „neuen“ amerikanischen Vater und sehnte sich danach, ihn zu treffen. Ihn in den Vereinigten Staaten zu finden erwies sich jedoch als eine echte Herausforderung. Erst Jahre später erfuhr Irene Jacks Adresse von dem Freund eines Freundes. Sie schickte ihm einen Brief mit Viktorias Foto, er erkannte sie sofort als Tochter.

Verschüttete Wahrheit

Doch selbst nachdem er von seiner Tochter erfahren hatte, konnte Jack weder mit ihr noch mit Soja Kontakt aufnehmen. Irene erzählte ihnen zwar, dass sie Jack gefunden und er Viktoria als seine Tochter anerkannt hatte. Aber das war wiederum erst Jahre später, als sie selbst in die UdSSR zurückkehrte. Bis dahin glaubten Soja und Viktoria - durch die Bemühungen des KGB verstärkt -, dass Jack sie verlassen habe. 

Die einzige Möglichkeit für Viktoria, ihren Vater zu treffen, war, in die Staaten zu fliegen, aber ein Sowjetbürger konnte nicht ohne offizielle Erlaubnis ins Ausland reisen. Jack selbst konnte auch nicht kommen: Er war bereits 75 und krank und. Jacks Briefe erreichten seine Tochter auch nicht immer, alle ihre Anrufe wurden abgehört. Die meisten wurden gar nicht verbunden: "Es gibt keine Antwort", wurde ihm am anderen Ende von der Stimme gesagt.

Mit den Medien in die USA

Viktoria wandte sich aus Verzweiflung an amerikanische Journalisten. Am 27. Januar 1975 veröffentlichte The New York Times einen langen Artikel mit der Überschrift "Sowjetisches Kriegskind besucht US-Vater". Bald veröffentlichte die Los Angeles Times einen Artikel über Jack Tate: "Es ist alles wahr. Der Admiral erzählt seine Geschichte von vor 30 Jahren."

So kam der Journalist von der Wochenzeitung „National Enquirer“, Henry Gris, auf Biktoria zu und beschloss, sie in die USA zu holen. Das Medium wollte für Unterkunft, Tickets und Ausgaben bezahlen, wenn sie dafür die Exklusiv-Rechte an der Wiedervereinigung der Tochter mit ihrem Vater erhielt.

Gesagt, getan: Viktorias Treffen mit ihrem Vater war sehr berührend, sie wollte gar nicht in die UdSSR zurückkehren. Bald darauf heiratete sie einen Piloten der Pan American World Airlines und blieb in den USA. Soja Fjodorova erhielt einmal im Jahr ein Visum, um in die Staaten zu reisen. 1976 traf sie schließlich auch wieder ihren Jack - zwei Jahre vor seinem Tod an Krebs.

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