Warum tötete ein russischer Faschist den französischen Präsidenten?

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Der Mord an dem französischen Präsidenten Paul Doumer schockierte ganz Europa. Das Motiv des Täters - die kommunistische Herrschaft in Russland beenden.

Am 6. Mai 1932 stand Frankreich unter Schock. Mitten in Paris hatte ein russischer Emigrant den französischen Präsidenten Paul Doumer erschossen. Die große Russische Gemeinschaft in der Hauptstadt fürchtete Kollektivstrafen.

Der Mord

Während eines Besuchs des Präsidenten auf einer Büchermesse in Paris trat ein junger Mann auf ihn zu, nahm eine Pistole aus seiner Handtasche und schoss zweimal. Die Kugeln trafen Doumer am Kopf und unter der rechten Achselhöhle.

Der Präsident wurde umgehend in die Notaufnahme eingeliefert. Doch die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen: Er starb am nächsten Tag.

Sein Mörder wurde unmittelbar nach dem Vorfall gefasst. Die Masse hätte ihn am liebsten auf der Stelle gelyncht, aber es gelang der Polizei, ihn ungestört abzuführen. Die Beamten wollten wissen, warum er so eine schreckliche Tat begangen hatte.

Warum?

Gorgulow im St Philippe Du Roule Komissariat

Es stellte sich heraus, dass der Mörder Pawel Gorgulow hieß. Gorgulow war Arzt, Schriftsteller und Poet, der nach der Oktoberrevolution von Russland nach Frankreich geflüchtet war.

In den Befragungen bezeichnete er sich selbst als russischen Faschisten, der plante, die Sowjetherrschaft in seinem Heimatland zu beenden.

Ermittler fanden Dokumente, die ihn als Präsidenten der „Bäuerlichen allrussischen Volkspartei der Grünen“ auswiesen. Der Name „Grüne“ kam aus dem russischen Bürgerkrieg und bezeichnete Kräfte, die sowohl die „roten“ Kommunisten als auch die „weißen“ Monarchisten ablehnten. Vermutlich war Gorgulow aber das einzige Mitglied seiner Partei.

Gorgulow sagte, dass er nichts gegen Doumer persönlich hatte. Er musste sterben, weil er der Präsident Frankreichs war. Seiner Meinung nach hätte Frankreich nicht genug gegen den Bolschewismus unternommen und damit sich selbst und die ganze Welt dem Verderben ausgeliefert.

„Europa und die USA scheinen kein Problem mit dem Bolschewismus zu haben. Also tötete ich den Präsidenten, um dafür zu sorgen, dass Frankreich Russland den Krieg erklärt. Ich bin ein großer russischer Patriot. Komplizen hatte ich nicht“, sagte (eng) Gorgulow.

Die Reaktion

Der Revolver von Gorgulow

Die Russische Gemeinschaft in Frankreich unterstützte den „großen russischen Patrioten“ Gorgulow jedoch überhaupt nicht. Sie verurteilten seine Methoden maßlos.

Auch aus Angst vor möglichen Kollektivstrafen erklärten sie öffentlich ihre Loyalität zu Frankreich und zeigten, dass sie nichts mit dem Mörder gemein hatten. Alle wichtigen Figuren der russischen Gemeinschaft kondolierten bei der Regierung und der Präsidentenwitwe und nahmen am Beerdigungsgottesdienst teil.

Die Selbstgeißelung nahm teils absurde Züge an. Einen Tag nach dem Mord beging ein Kellner in einem Pariser Café, der ehemalige Offizier Sergej Dmitrijew, Selbstmord, um die Ehrverletzung reinzuwaschen. In seinem Abschiedsbrief schrieb er: „Ich sterbe für Frankreich!“

Abgesehen von einigen eher skurrilen antirussischen Äußerungen in der französischen Presse und im Parlament gab es jedoch keine weiteren Aktionen gegen die Russische Gemeinschaft.

Selbst Italiens Diktator Benito Mussolini distanzierte sich von dem „russischen Faschisten“. Der Konflikt zwischen dem Duce und Frankreich sollte erst viel später eskalieren.  

Der Prozess

Gorgulow im Gericht

Gorgulows Anwalt wollte seinen Mandanten als Verrückten darstellen und so die Todesstrafe umgehen. Tatsächlich deuteten einige seiner Dokumente auf gewisse psychische Probleme hin.  

Gorgulow hatte einen detaillierten Plan, wie er die Bolschewiki stürzen wollte. Zentrales Element war ein Aufstand der „Grünen Brüder”. Dadurch sollte die Allrussische Nationalistische Republik unter dem „großen grünen Diktator“ Gorgulow entstehen.

Die Dokumente beschrieben das „neue Russland“ höchst detailliert. Selbst Flaggen und Militäruniformen hatte er entworfen. Um sich die Machtübernahme zu erleichtern arbeitete Gorgulow daran, „mobile Maschinen mit großer destruktiver Kraft“ zu erfinden.  

Nach Doumers Tod wollte er zudem auch den deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und den tschechoslowakischen Staatschef Tomas Masaryk umbringen. Ein weiterer Name auf Gorgulows Todesliste war ein gewisser Wladimir Lenin, der jedoch schon acht Jahre vorher verstorben war.

Dennoch sah das Gericht Gorgulow als schuldfähig an und verurteilte ihn zum Tode. Der Beschuldigte antwortete: „Ich sterbe als Held für mich und meine Freunde. Es lebe Frankreich! Es lebe Russland! Ich werde euch immer lieben.”

Am 14. September 1932 wurde Pawel Gorgulow im Pariser Gefängnis „La Santé“ mit der Guillotine hingerichtet.

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