Wie aus ehemaligen KZ-Häftlingen sowjetische Olympiasieger wurden

Bei ihrer ersten Olympiateilnahme 1952 begeisterten die sowjetischen Athleten die Welt mit ihren herausragenden Leistungen. Es ist kaum zu glauben, dass einige der erfolgreichsten Sportler erst wenige Jahre zuvor mehr tot als lebendig aus den Konzentrationslagern der Nazis befreit worden waren.
Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen, die von sowjetischen und polnischen Truppen befreit wurden

Als die Alliierten die Gefangenen aus den Konzentrationslagern der Deutschen befreiten, bot sich ihnen ein schockierender Anblick. Die Insassen waren kaum in der Lage, sich auf ihren ausgemergelten Beinen zu halten. Abgemagert, erschöpft von Hunger und Durst und gezeichnet von Krankheiten, waren sie dem Tode näher als dem Leben. Doch einigen der KZ-Häftlinge gelang es, zu überleben und mehr noch: Sie führten wieder ein normales Leben und leisteten schier Unmögliches. Nur wenige Jahre, nachdem sie den Schrecken der Lager hinter sich gelassen hatten, traten sie bei den Olympischen Spielen von 1952 für die Sowjetunion gegen die besten Athleten der Welt an und siegten.

Von Buchenwald zum ersten sowjetischen Olympiagold  

Iwan Udodow war erst 17 Jahre alt, als ihn die Deutschen 1941 ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppten. Vier Jahre später, bei seiner Befreiung, wog er nur noch 29 Kilogramm und konnte nicht mehr alleine laufen. Sport war zunächst nur ein Teil seiner ärztlich empfohlenen Rehabilitation. Doch schnell entdeckte Udodow seine Leidenschaft fürs Gewichtheben. Er trainierte hart und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Bereits 1948 belegte er den zweiten Platz bei den Meisterschaften der südlichen Sowjetunion. 1951 wurde er nationaler Sieger in der Fliegengewicht-Klasse (bis 56 Kilogramm). Es folgte der Ruf in die Nationalmannschaft.

Iwan Udodow

Die Olympischen Spiele in Helsinki im Jahr 1952 waren die ersten Olympischen Spiele, an denen die Sowjetunion teilnahm. Udodow war es, der die erste Goldmedaille für sein Land holte. Zur Überraschung der Sportwelt besiegte er den Favoriten Mahmoud Namjoo aus dem Iran. Arkadij Worobjow, ein anderer sowjetischer Gewichtheber, erinnert sich (rus): „Wir waren eine Mannschaft aus Kriegsveteranen. Wir dachten, es wird seine Zeit brauchen, bis die Nachkriegsjugend stark genug sein wird. In der Zwischenzeit gingen diejenigen an den Start, die Hunger, Kälte, Schmerzen, harte Arbeit und den Schrecken der Konzentrationslager erlebt hatten. Wir waren dennoch sehr optimistisch. Es war nicht 1946 und nicht 1950. Wir waren stärker geworden und könnten es schaffen, olympisches Gold zu holen. Wir waren überzeugt, dass unser sportlicher Ehrgeiz ebenso groß war, wie unser militärischer Mut. Iwan Udodow war der erste, der eine Goldmedaille gewann. Sein Sieg war viel mehr als ein sportlicher Erfolg…“

Der erfolgreichste Sportler bei Olympia 1952

Im Gegensatz zu Udodow war Wiktor Tschukarin bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Leistungssportler. Mit 19 Jahren wurde er ukrainischer Meister im Turnen. Der Krieg durchkreuzte die sportlichen Pläne des jungen Talents. Tschukarin meldete sich freiwillig, wurde verwundet und kam in Gefangenschaft. 17 Kriegsgefangenenlager lernte er kennen. 1945 sollte er gemeinsam mit anderen Häftlingen von den Nazis ertränkt werden. Er wurde von den Briten befreit. Als er wieder nach Hause kam, wog er nur noch 40 Kilogramm. Seine Mutter erkannte ihn lediglich an einer Narbe an seinem Kopf.

Wiktor Tschukarin

Tschukarin nahm bald wieder sein Training auf. Schon 1946 gehörte er zu den besten zwanzig Sportlern der Sowjetunion und gewann 1948 die nationale Turnmeisterschaft. Der nächste Schritt waren die Olympischen Spiele 1952. In Helsinki trat der 31-jährige Wiktor Tschukarin gegen deutlich jüngere Gegner an, doch das war kein Hindernis für ihn. Er gewann vier Gold- und zwei Silbermedaillen und wurde der erfolgreichste Athlet dieser Olympiade.

Nerven aus Stahl

Jakow Punkins Überleben in den Konzentrationslagern der Deutschen gleicht einem Wunder. Er war Jude und gab sich als Ossete und Muslim aus. Jedes Mal, wenn er in ein anderes Lager kam, fürchtete er, dass er verraten werden und seine wahre Identität bekannt würde. Zu Kriegsende brachte Punkin gerade noch 36 Kilogramm auf die Waage. Er war geschwächt von Hunger und Typhus. Dennoch begann er rasch wieder mit dem Ringen im griechisch-römischen Stil, wo er schon vor dem Krieg aktiv war.

Jakow Punkin

Seine sportliche Entwicklung war unfassbar. 1947 gewann er die sowjetische Armeemeisterschaft und war vor den Olympischen Spielen 1952 dreifacher Sowjetmeister. In Helsinki galt Jakow Punkin als „Blitz auf der Matte“. Er gewann die Goldmedaille in der Kategorie bis 62 kg und schlug sogar Abdel Aaal Rashed. Der Ägypter hatte zuvor noch behauptet, keine zwei Minuten zu brauchen, um seinen sowjetischen Gegner zu besiegen. Es wurden drei Minuten, aber es war Punkin, der Aaal Rashed schlug. Andere Sportler schätzten Punkins Charakter und Nervenstärke: „Ich habe nie Angst auf der Matte. Ich habe meine ganze Angst in den Konzentrationslagern zurückgelassen”, erklärte (rus) der Ringer.

>>> Zwangsarbeit in Deutschland: Wie Sowjetbürger für die Nazis schuften mussten

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