Dem letzten Zaren in die Seele geschaut: Wer war Nikolaus II.?

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Nikolaus II, der letzte Zar Russlands, war ein eigenwilliger und eigenartiger Mensch, der auch eine dunkle Seite hatte.

  1. Nikolaus genoss eine hervorragende Erziehung, musste sich aber nie beweisen. 

Der zukünftige Zar Nikolaus II. im Alter von 13 Jahren

Als Kind erhielt Großherzog Nikolaus von Russland eine ausgezeichnete Ausbildung, 13 Jahre lang. Acht Jahre wurde er in Geisteswissenschaften und Sprachen unterrichtet, dann folgte eine fünfjährige militärische Ausbildung und Unterricht in Rechtskunde und Politik. Nikolaus beherrschte neben seiner Muttersprache auch Englisch, Französisch und Deutsch.

Doch es war eine ungewöhnliche Lehrzeit, denn eine Prüfung hat Nikolaus nie ablegen müssen. Nach den Gepflogenheiten am russischen Hofe durfte niemand vom Großherzog eine richtige Antwort verlangen oder ihn tadeln, wenn er eine falsche gegeben hätte. Insofern wird noch immer darüber diskutiert, wie gebildet Nikolaus II. wirklich gewesen ist. 

  1. Nikolaus wurde streng erzogen.

Zar Alexander III. und Zarin Maria Fjodorowna im Kreis der Familie

Alexander III. zog seine Kinder, einschließlich Nikolaus, unter relativ asketischen Bedingungen auf. Er wollte nicht, dass diese verwöhnt werden. Doch er schien es dabei manchmal zu übertreiben. So schrieb Nikolaus’ Schwester Olga Alexandrowna, dass die Kinder oft hungern mussten. Bei Tisch bekamen die Kinder als letzte das Essen serviert, als das Mahl schon fast beendet war. Doch zugleich durfte nicht weitergegessen werden, wenn der Zar seine Mahlzeit beendet hatte und vom Tisch aufgestanden war. So blieb den Kindern oft nicht genug Zeit, um satt zu werden. Essen zwischen den Mahlzeiten war nicht gestattet und die Dienerschaft um etwas zu bitten, wäre inakzeptabel gewesen. Der junge Nikolaus soll daher einmal sogar sein Taufkreuz gegessen haben. Alle Kinder der Zarenfamilie erhielten ein Taufkreuz, in dem in Wachsmasse Teile des Heiligen Kreuzes eingebettet gewesen sein sollen. Der hungrige Nikolaus aß alles, was im Inneren des Kreuzes war, einschließlich der Fragmente des Heiligen Kreuzes. 

  1. Nikolaus liebte das Mystische.

Zarewitsch Nikolaus in Nagasaki

Obwohl er orthodoxer Christ war, glaubte Nikolaus auch an Mystik, Voraussagungen und das Schicksal. Während einer Japanreise im Jahr 1891 besuchte er einen bekannten Einsiedlermönch namens Terakuto, der behauptete, in die Zukunft schauen zu können. Dem Großherzog prophezeite er eine düstere Zukunft. 

In England lernte Nikolaus 1896 den bekannten Psalmisten und Wahrsager Kayro (Luis Khamon) kennen. Dieser sagte ihm und seiner Familie einen gewaltsamen Tod vorher. Die berühmteste Geschichte handelt jedoch von einem Brief, in dem Nikolaus‘ Ururgroßvater Paul I. die Prophezeiung eines Mönchs niedergeschrieben hatte. Nachdem Nikolaus diesen Brief gelesen hatte, soll er eine lange Zeit übler Laune gewesen sein. Es heißt, in dem Brief sei sein Niedergang und der Fall des Zarenreichs vorhergesagt worden.  

  1. Nikolaus vernachlässigte seine Pflichten als Zar.

Die Abdankung von Zar Nikolaus II. am 2. März 1917

Nikolaus hatte ein phänomenales Gedächtnis. „Er kannte viele seiner Gardisten, erinnerte sich an die Kämpfe einzelner Soldaten und Regimenter, er kannte auch die Nummern und Namen aller Regimenter seines Heeres, erzählte Kriegsminister General Alexander Roediger (1905 bis 1909). Ein so gutes Gedächtnis könne nach Ansicht mancher Psychologen einen ansonsten eher schwachen Intellekt ausgleichen. Die gut erhaltenen Tagebücher des Zaren lassen den Eindruck entstehen, dass er ein eher schlichtes Gemüt hatte. Darin finden sich kaum bis gar keine Eintragungen über Politik, internationale Beziehungen oder höfische Intrigen - mit anderen Worten, die Angelegenheiten, die für einen russischen Zaren in einer der schwierigsten Perioden der russischen Geschichte von Interesse gewesen sein sollten. Stattdessen befassen sich etwa 90 Prozent der Einträge mit seinem Tagesablauf. Am 9. Januar 1905, dem Petersburger Blutsonntag und dem Tag, an dem die Revolution begann, schrieb Nikolaus: „In St. Petersburg kam es zu schweren Unruhen. Viele Menschen wurden verwundet und getötet. Oh, lieber Gott, wie schmerzhaft! Mama ist heute aus der Stadt zu uns gekommen. Mit allen gefrühstückt, dann mit Mischa gelaufen. Mama ist über Nacht geblieben. Nikolaus schien sich um nichts zu kümmern. Nach der Ermordung des Ministers von Plehwe notierte er: „Ich habe meinen Freund verloren, den lieben Plehwe.“

Auf derselben Seite geht es weiter mit der Beschreibung von Banalitäten: „Tante Marusja hat mit uns gefrühstückt… war mit Mama spazieren… habe eine Ausfahrt mit Mischa gemacht… Viele Zeitgenossen von Nikolaus haben angemerkt, dass er bemerkenswert gleichgültig auf Fragen zu seiner Herrschaft und dem Schicksal Russlands reagiert habe. General Dmitri Dubenski, der bei Nikolaus‘ Abdankung dabei gewesen war, sagte später: „Er war so ein Fatalist, das kann man sich gar nicht vorstellen. Er ist vom Thron gestiegen, als hätte er gerade das Kommando über ein Regiment abgegeben.

  1. Nikolaus pflegte seine zahlreichen Hobbies. 

Nikolaus II. auf der Jagd, 1910er Jahre

Während er nicht viel Interesse an seiner Arbeit zeigte, hatte er umso mehr Freude an seinen Hobbies, vor allem an der Jagd. Ebenso wie Alexei Michailowitsch (1645-1676), der zweite russische Zar aus der Romanow-Dynastie, verfügte Nikolaus II. über eine ganze Jagdabteilung, die Kaiserliche Jagd, die dem kaiserlichen Hofministerium angegliedert war. Zwischen 1884 und 1909 töteten der Zar und die Großherzöge 638 830 Tiere und Vögel. Während einer der tagelangen Jagden hat Nikolaus über 1400 Fasane geschossen. Diese Zahlen beweisen nicht nur eine sinnlose Tierquälerei, sondern der Zar hätte weitaus wichtigeres zu tun gehabt. 

Doch er wurde lieber der erste Rad fahrende Zar. Er besaß den größten Fuhrpark Europas und fuhr ab 1906 mit dem Auto zur Jagd. Er liebte Tennis und spielte leidenschaftlich gegen seine Familienmitglieder. Er war ein Amateurfotograf, der Selbstporträts machte, während das russische Reich unterging. Am 10. Mai 1917 erhielt er noch eine Rechnung über die Reparatur eines Fahrrades. Im selben Monat fanden seine letzten Tennisturniere statt.   

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